Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9783 19. Wahlperiode 30.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9366 – Auswirkungen von Digitalsteuern auf Unternehmen und Steuereinnahmen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Deutschland und Frankreich haben sich beim ECOFIN-Rat (Rat für Wirtschaft und Finanzen) im Dezember 2018 auf einen gemeinsamen Kompromiss bezüglich der Digitalsteuer verständigt. Hiernach sollen die Werbeeinnahmen großer Digitalunternehmen künftig mit 3 Prozent besteuert werden. Dieser Vorschlag soll bis zum Januar 2021 in Kraft treten, andernfalls würde Frankreich eine nationale Digitalsteuer einführen (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/digital steuer-in-frankreich-trifft-rund-30-konzerne-16071381.html). Als Hauptgrund für eine Digitalsteuer wird angeführt, dass derzeit in der digitalen Branche deutlich weniger Steuern gezahlt werden, als in der klassischen Indus-trie. Das European Centre for International Political Economy (ECIPE) kommt hingegen in einer kürzlich erschienen Studie zu dem Schluss, dass die effektive Steuerrate vieler europäischer Firmen niedriger ist, als die von Internetkonzernen . Entsprechend würde auch eine Digitalsteuer es nicht schaffen, die Steuerrate zu erhöhen und in der Öffentlichkeit zu dem Bewusstsein beizutragen , dass insbesondere große Unternehmen fair besteuert werden. Die Komplexität und Intransparenz des internationalen Unternehmensteuerrechts lasse derzeit keinerlei objektive Schlüsse darüber zu, welche Unternehmen tatsächlich wo und wieviel Steuern zahlen. Mit einer Sondersteuer für die Digitalwirtschaft würde die Besteuerung von Unternehmen innerhalb der Europäischen Union nur unnötig verkompliziert werden (https://ecipe.org/wp-content/uploads/ 2019/02/2019_02_19_ECIPE_Final_Edited_Corporate-Tax-Out-of-ControL.pdf). Die Zahlen der Steuerabteilung der EU-Kommission legen nahe, dass digitale Unternehmen in der EU nur etwa 9 Prozent Steuern auf ihre Unternehmensgewinne zahlen würden. Die Zahlen basieren allerdings auf einem rein theoretischen Modell bzw. hypothetischen Unternehmen. Die Autoren der Studie (das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung – ZEW-Mannheim – und Pricewaterhouse Cooper – PWC), auf die sich die EU-Kommission bezieht, haben sich deshalb deutlich von der EU-Kommission distanziert. Sie haben mehrfach öffentlich klargestellt, dass digitale Unternehmen nicht unterbesteuert sind (www.pwc.com/us/en/press-releases/2018/understanding-the-zew-pwc-report. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9783 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zahlreiche Studien, die sich darüber hinaus mit der sog. Inzidenz der Steuer befassen (also der Frage, wer die tatsächliche Steuerlast am Ende trägt), zeigen, dass eine Steuer auf Unternehmen, die in den Bereichen Onlinewerbung oder der Vermittlung von Produkten und Dienstleistungen im Internet tätig sind, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) getragen werden würden. Befürworter von Sondersteuern für die Digitalwirtschaft berücksichtigen nicht, wie stark die Steuerlast im Wesentlichen von den Nutzern dieser digitalen Dienstleistungen getragen wird, zum Beispiel von kleinen Unternehmen wie Gaststätten, Tourismusbetrieben, Einzelhändlern und Handwerkern, die ihre Leistungen im Internet vermarkten oder zumindest online bewerben (siehe u. a.: www.cesifo-group.de/DocDL/Studie-Digitalsteuer-2018.pdf; www.copen hageneconomics.com/publications/publication/the-impact-of-an-eu-digital-servicetax -on-german-businesses; https://taj-strategie.fr/taj-publie-etude-de-limpacteconomique -projet-de-loi-taxation-numerique/; www.copenhageneconomics. com/publications/publication/the-proposed-eu-digital-services-tax-effectson -welfare-growth-and-revenues). 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die durchschnittliche Steuerlast für Unternehmen in der Europäischen Union (bitte nach Mitgliedstaaten für die letzten zehn Jahre aufschlüsseln)? Die Europäische Kommission veröffentlicht regelmäßig Vergleiche von Steuersätzen im jährlichen Bericht „Taxation Trends in the European Union“. Der aktuelle Bericht stammt aus dem vergangenen Jahr und ist im Internet verfügbar unter: https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/taxation_trends_report _2018.pdf. Der der Frage am nächsten kommende Vergleich wäre der der „implicit tax rate on corporate income“ (S. 49 bzw. Tabelle 8 des Berichtes). 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine divergierende durchschnittliche Gesamtsteuerlast für Unternehmen aus der digitalen bzw. „klassischen “ Industrie in der Europäischen Union (bitte nach Mitgliedstaaten aufschlüsseln)? a) Wie unterscheidet die Bundesregierung hier zwischen „digitalen“ und „klassischen“ Unternehmen? b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass digitale Unternehmen derzeit zu niedrig besteuert werden, oder teilt die Bundesregierung die Einschätzung von PWC, dass Digitalunternehmen nicht unterbesteuert sind? Die Digitalisierung bringt nicht nur neue „digitale“ Geschäftsmodelle hervor, sondern beeinflusst zunehmend auch herkömmliche Branchen. Die Digitalisierung schafft insofern steuerliche Herausforderungen, die die gesamte Wirtschaft betreffen. Ziel der Bundesregierung ist es, auf internationaler Ebene eine nachhaltige Lösung zu finden, die das globale Steuersystem an die im Zuge der Digitalisierung eintretenden Veränderungen anpasst. Die Bundesregierung unterstützt daher die Arbeiten auf Ebene der OECD zur Anpassung der internationalen Besteuerungsgrundsätze. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9783 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine divergierende durchschnittliche Besteuerung von Gewinnen für Unternehmen aus der digitalen bzw. „klassischen“ Industrie in der Europäischen Union (bitte nach Mitgliedstaaten aufschlüsseln)? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen einer Digitalsteuer für die Wirtschaft ein, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (bitte bei der Antwort auch auf die kleineren Unternehmen, die in den Bereichen Onlinewerbung oder der Vermittlung von Produkten und Dienstleistungen im Internet tätig sind, eingehen)? Derzeit wird auf OECD-Ebene über verschiedene Modelle zur Lösung der steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung diskutiert. Die konkrete Ausgestaltung der Vorschläge ist noch offen, so dass Auswirkungen auf einzelne Bereiche der Wirtschaft aktuell noch nicht abschätzbar sind. 5. Welche Position hinsichtlich der Digitalsteuer vertritt die Bundesregierung derzeit? a) Wie ist die derzeitige Position der Bundesregierung zu einer internationalen Digitalsteuer im Rahmen von G20, und, falls es Unterstützung für eine derartige Initiative gibt, welche Form der Digitalsteuer möchte man auf internationaler Ebene umsetzen? b) Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeitige Verhandlungsposition des Bundesfinanzministeriums im ECOFIN-Rat aus, und, falls es Unterstützung für eine EU-Initiative gibt, welche Form der Digitalsteuer möchte man auf europäischer Ebene umsetzen? Die Bundesregierung unterstützt die OECD dabei, im Auftrag der G20 Reformvorschläge für das internationale Steuersystem zu erarbeiten, um den steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Derzeit werden dazu zwei Lösungsstränge verfolgt: Zum einen geht es um Ansätze zur grenzüberschreitenden Zuordnung von Besteuerungsrechten . Die Vorschläge hierzu werden gegenwärtig präzisiert. Zum anderen hat die Bundesregierung zusammen mit Frankreich einen Vorschlag zur Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung für Unternehmen eingebracht. Ziel der Mindestbesteuerung ist es, die Auswirkungen eines schädlichen Steuerwettbewerbs („race-to-the-bottom“) einzudämmen und Steuerarbitrage zu verhindern. Dieser Vorschlag stellt einen langfristigen Lösungsansatz dar. Er stellt sicher, dass Unternehmen aller Branchen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung staatlicher Aufgaben leisten. Die auf OECD-Ebene gefundenen Lösungen sollen anschließend in der EU umgesetzt werden. 6. Wie steht die Bundesregierung zu den Plänen der EU-Kommission, Steuerentscheidungen auf EU-Ebene künftig nicht mehr nach dem Einstimmigkeitsprinzip zu fällen? Diese Frage ist aktuell Gegenstand der Meinungsbildung in den Ressorts. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9783 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie hoch wären nach Kenntnis der Bundesregierung die Steuereinnahmen auf Grundlage des Kompromisses mit Frankeich, der eine 3-prozentige Steuer auf die Werbeeinnahmen großer Digitalunternehmen umsetzen würde? a) Wie hoch wären nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsetzungskosten , die durch eine solche Erhebung anfallen würden? b) Wie hoch wären nach Kenntnis der Bundesregierung die Verwaltungskosten , die durch eine solche Erhebung anfallen würden? 8. Wie lauten die Schätzungen der Bundesregierung hinsichtlich der zu erwartenden Steuereinnahmen aus den vorgeschlagenen EU-weiten Sondersteuern auf Umsatzerlöse durch Onlinewerbung und Onlinevermittlungsgeschäfte und wie wären diese Einnahmen auf die 27+1 Mitgliedstaaten der Europäischen Union verteilt? a) Teilt die Bundesregierung die Schätzung der EU-Kommission von 5 Mrd. Euro (https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/company-tax/fairtaxation -digital-economy_en)? b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die jährlichen Kosten auf Seiten der Finanzverwaltung für den laufenden Verwaltungsaufwand der neuen Sondersteuern auf die Umsatzerlöse durch Onlinewerbung und Onlinevermittlungsgeschäfte ein? c) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Bürokratiekosten auf Seiten der betroffenen Unternehmen für den laufenden Verwaltungsaufwand der neuen Sondersteuern auf die Umsatzerlöse durch Onlinewerbung und Onlinevermittlungsgeschäfte ein? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. Zu den Auswirkungen einer „Digital Services Tax“ bzw. einer „Digital Advertising Tax“ wird auf die umfangreichen Untersuchungen der Europäischen Kommission verwiesen (Impact Assessment). Sie sind abrufbar unter: https://ec.europa. eu/taxation_customs/sites/taxation/files/fair_taxation_digital_economy_ia_2103 2018.pdf. 9. Welche Unternehmen wären nach Kenntnis der Bundesregierung konkret von den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sondersteuern auf die Umsatzerlöse durch Onlinewerbung und Onlinevermittlungsgeschäfte in der EU betroffen, und wo befindet sich der Hauptsitz dieser Unternehmen? 10. Wie stark würde sich für diese Unternehmen (Frage 9) jeweils der Effektiv- Steuersatz für die Besteuerung der in den Mitgliedstaaten der EU anfallenden Unternehmensgewinne erhöhen? Die Fragen 9 und 10 werden zusammen beantwortet. Zu den Auswirkungen einer „Digital Services Tax“ hat die Europäische Kommission umfassende Untersuchungen angestellt. Diese betreffen auch die Geschäftsmodelle von unterschiedlichen Unternehmen. Nach Angaben der Europäischen Kommission handelt es sich dabei aber nicht um eine Auflistung von Unternehmen , die von der „Digital Services Tax“ erfasst wären. Im Übrigen kann wiederum auf das „Impact Assessment“ der Europäischen Kommission verwiesen werden (s. Antwort zu den Fragen 7 und 8). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9783 11. Teilt die Bundesregierung die Aussage der in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Studien, dass grundsätzlich kein systematischer Unterschied zwischen der Umsatzbesteuerung von Digitalunternehmen und klassischen Unternehmen besteht? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 12. Teilt die Bundesregierung die Aussage von ECIPE, dass eine neue Sondersteuer für die Digitalwirtschaft das bereits heute sehr komplexe und intransparente Unternehmensteuerrecht zusätzlich verkomplizieren würde? Ein effizientes Steuersystem hat grundsätzlich zum Ziel, einen Ausgleich zwischen den Parametern der Steuergerechtigkeit einerseits und der möglichst einfachen Gestaltung der gesetzlichen Regelungen andererseits herzustellen. Dieser Ausgleich ist auch ein Ziel der Verhandlungen auf OECD-Ebene. Ein wesentlicher Gedanke bei den aktuellen Diskussionen besteht insofern darin, neben einem zeitgemäßen Steuersystem vor allem einfach handhabbare und praktikable Lösungen zu erzielen. 13. Teilt die Bundesregierung die Aussage von ECIPE, dass eine zukunftsfeste Reform auf die Abschaffung von Unternehmensteuern abzielen sollte, da die effektive Last von Unternehmensteuern größtenteils von Arbeitnehmern (durch niedrigere Löhne und Gehälter) und Verbrauchern (durch höhere Preise) getragen wird und alternativ Kapitaleinkommen, Arbeitseinkommen und Konsumausgaben transparenter und gerechter besteuert werden können? Nach Auffassung der Bundesregierung würde eine solche Reform nicht dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen. Eine derartige Reform wäre zudem verteilungspolitisch kontraproduktiv. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333