Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9784 19. Wahlperiode 30.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Keuter, Kay Gottschalk, Albrecht Glaser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/9372 – Abschaffung der Abgeltungsteuer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Abgeltungsteuer wurde in Deutschland durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eingeführt (BGBl. 2007 Teil I S. 1912 ff.). Seit 2009 sind bestimmte Kapitalerträge aus der progressiven Einkommensbesteuerung herausgenommen und einem gesonderten Steuersatz von 25 Prozent unterworfen (§ 32d Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG). Hinzu kommen der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer. Sofern die Einkünfte dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuerschuld des Anlegers abgegolten (§ 43 Absatz 5 EStG). Die Abgeltungsteuer findet nur auf Kapitalanlagen im Privatvermögen Anwendung (§ 32d Absatz 1 EStG). Die betroffenen Einkünfte müssen grundsätzlich nicht mehr in der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Die Bank oder das depotführende Institut behält die Abzüge ein und leitet sie an die Finanzverwaltung weiter. Allerdings werden Einnahmen und nicht Einkünfte der Besteuerung unterworfen. Der Abzug tatsächlicher Werbungskosten ist ausgeschlossen (§ 20 Absatz 9 EStG). So bleiben zum Beispiel Depotgebühren und Aufwendungen für Fahrten zur Bank außen vor. Da die Einkünfte aus Kapitalvermögen nur noch mit dem Abgeltungsteuersatz besteuert werden, können Verluste aus Kapitalvermögen auch nur noch mit solchen Einkünften verrechnet werden (§ 20 Absatz 6 EStG). Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode vom 14. März 2018 sieht vor, die Abgeltungsteuer auf Zinserträge mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abzuschaffen (www. bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cdu-csu-undspd -195906). Der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz prüft die komplette Abschaffung der Abgeltung-steuer. Er geht damit nach Ansicht der Fragesteller weit über die Absprache des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD hinaus. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) prüft derzeit, ob die Abgeltungsteuer für alle Kapitalerträge wegfallen kann. Damit müssten nicht nur Zinseinnahmen zum meist höheren persönlichen Steuersatz veranlagt werden, sondern auch Dividenden und andere Ausschüttungen. Die Abgeltungsteuer sorgt bislang mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer dafür, dass die Belastung von Ausschüttungen bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9784 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ungefähr so hoch ausfällt wie bei Personengesellschaften, die der Einkommensteuer unterliegen. Fiele die Abgeltungsteuer weg, müssten Anteilseigner von Kapitalgesellschaften mehr an den Fiskus abliefern als die von Personenunternehmen . Die Höhe der Belastung hätte Einfluss darauf, welche Gesellschaftsform die Eigentümer für ihr Unternehmen wählen. Die Rechtsformneutralität der Besteuerung wäre nach Ansicht der Fragesteller nicht mehr gewährleistet. Voraussetzung für die Abschaffung der Abgeltungsteuer ist, dass die deutschen Finanzbehörden im Rahmen des internationalen Informationsaustausches über Zinseinkünfte einheimischer Anleger Bescheid wissen. Im Jahr 2020 soll dies soweit sein (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/olaf-scholz-stellt-abgeltungsteuerauf -den-pruefstand-a-1257995.html). 1. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Abgeltungsteuer auf Zinserträge nach Etablierung des automatischen Informationsaustausches abzuschaffen und diese Erträge wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern , und wenn ja, bis wann soll dies umgesetzt werden? 2. Plant die Bundesregierung, die Abgeltungsteuer – über den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD hinaus – komplett abzuschaffen, und wenn ja, bis wann, und warum auch für Dividenden und andere Ausschüttungen ? 3. Hält die Bundesregierung bei einer Abschaffung am Ziel einer möglichst weitgehenden Rechtsformneutralität fest, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen soll dieses sichergestellt werden? 4. Sieht die Bundesregierung vor, mit dem Wegfall der Abgeltungsteuer einen Werbungskostenabzug für diese Einkünfte sowie eine Verlustverrechnung mit anderen Einkünften zuzulassen? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Wie bereits in den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 19/4541 und 19/6306 ausgeführt ist Voraussetzung, dass – entsprechend den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag – zunächst der automatische internationale Informationsaustausch über Finanzkonten etabliert ist. Erst dann wird die Bundesregierung Entscheidungen zur zukünftigen Ausgestaltung der Abgeltungsteuer treffen. 5. Welche Auswirkungen hatte nach Auffassung der Bundesregierung die Abgeltungsteuer seit ihrer Einführung auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden, verglichen mit einer Weiterführung der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz, bezogen auf die einzelnen Veranlagungszeiträume für den Planungszeitraum im Unternehmensteuerreformgesetz 2008? Im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren sind nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) die Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte als Gesetzesfolgen darzustellen. So wurden auch für das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 die erwarteten finanziellen Auswirkungen im Vorhinein geschätzt und im Finanztableau ausgewiesen (vgl. Finanzbericht 2008, Tabelle 13.7). Dieser Bezifferung aus dem Jahr 2007 liegen die damals verfügbaren Daten, Erkenntnisse und Fortschreibungen zugrunde ; nicht enthalten sein können beispielsweise die Auswirkungen von Entwicklungen am Markt und Verhaltensänderungen der Kapitalanleger, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar waren. Eine ex-post-Analyse der hypothetischen Einnahmen einer Weiterführung der Besteuerung zum persönlichen Steu- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9784 ersatz liegt der Bundesregierung nicht vor. Im Übrigen enthalten die steuerstatistischen Daten seit Einführung der sog. Abgeltungsteuer keine umfassenden Informationen mehr über Kapitaleinkünfte. 6. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden aus der Abgeltungsteuer 2009 bis 2018 entwickelt , im Vergleich zu den Annahmen im Gesetzgebungsverfahren und den Haushaltsaufstellungsverfahren (bitte in einem Soll-Ist-Vergleich und getrennt nach Veranlagungszeiträumen auflisten)? Als Abgeltungsteuer wird ein mit einem besonderen Steuersatz von 25 Prozent durchgeführter Steuerabzug auf im Privatvermögen erzielte Kapitalerträge natürlicher Personen bezeichnet. Erhoben wird die Abgeltungsteuer überwiegend im Quellensteuerabzugsverfahren. Das im Quellensteuerabzug erzielte Kassenaufkommen wird statistisch unter den Positionen „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungsgewinne“ und „Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ erfasst. Diese Positionen umfassen jedoch nicht nur die Abgeltungsteuer, sondern in erheblichem Umfang auch andere im Quellensteuerabzug erhobene Steuereinnahmen, z. B. die Abzugsbeträge von Kapitaleinkünften im Betriebsvermögen und von Körperschaften. Soweit kein Steuerabzug vorgenommen wurde und eine Versteuerung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist, sind Einnahmen aus der Abgeltungsteuer auch im Aufkommen der veranlagten Einkommensteuer enthalten. Mangels statistischer Daten kann die Bundesregierung die geforderte Auflistung nicht vorlegen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Welche Auswirkungen hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die Abgeltungsteuer seit ihrer Einführung auf Steuerpflichtige, Wirtschaft und Verwaltung , verglichen mit einer Weiterführung der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz, bezogen auf die einzelnen Veranlagungszeiträume für den Planungszeitraum im Unternehmensteuerreformgesetz 2008? Die Auswirkungen der Einführung der Abgeltungsteuer auf den Erfüllungsaufwand der Verwaltung wurden weder zum Zeitpunkt der gesetzlichen Änderung noch später ermittelt. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass der Erfüllungsaufwand für die Verwaltung durch die Abgeltungsteuer reduziert wurde. Im Übrigen können mangels statistischer Daten keine entsprechenden Vergleiche gezogen werden. 8. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die finanziellen Belastungen für Steuerpflichtige, Wirtschaft und Verwaltung aufgrund der Abgeltungsteuer 2009 bis 2018 entwickelt, im Vergleich zu den Annahmen im Gesetzgebungsverfahren und den Haushaltaufstellungsverfahren (bitte nach einem Soll-Ist-Vergleich und getrennt nach Veranlagungszeiträumen auflisten )? Wie bereits in den Antworten zu den Fragen 6 und 7 angeführt, fehlen der Bundesregierung für einen derartigen Vergleich die notwendigen statistischen Daten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9784 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie wird sich auf der Grundlage des derzeitigen Planungsstands im Bundesfinanzministerium das Steueraufkommen aus den Kapitalerträgen, die künftig nicht mehr der Abgeltungsteuer unterliegen, im Vergleich zur bisherigen Rechtslage entwickeln, bezogen auf den Finanzplanungszeitraum nach Gebietskörperschaften und Jahren getrennt? Eine Bezifferung von finanziellen Auswirkungen ist erst möglich, wenn die konkrete Ausgestaltung im Falle einer Gesetzesänderung vorliegt. Auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 4 wird verwiesen. 10. Wie werden sich nach dieser Planung nach Auffassung der Bundesregierung die finanziellen Belastungen für Steuerpflichtige, Wirtschaft und Verwaltung entwickeln, bezogen auf die einzelnen Jahre des Finanzplanungszeitraums ? Die Auswirkungen hängen maßgeblich von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab und können deshalb derzeit nicht quantifiziert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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