Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 29. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9801 19. Wahlperiode 30.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Buschmann, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9428 – Digitalisierung des Beurkundungsverfahrens V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Durch das „Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1396) soll das elektronische Urkundenarchiv eingeführt werden, sodass ab dem 1. Januar 2022 alle Urkunden neben papiergebundener Form auch in elektronischer Form zentral abzuspeichern und aufzubewahren sind. Die Prozedur der Beurkundung selbst bleibt davon unberührt. Sie sieht, insbesondere im Bereich der notariellen Beurkundung von Willenserklärungen nach § 8 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG), vor, dass die Herstellung der Urschrift ausschließlich papiergebunden erfolgen kann. Durch die zukünftige Pflicht der elektronischen Urkundenarchivierung wird somit der Medientransfer jeder Urkunde notwendig , wodurch ein finanzieller Erfüllungsaufwand von jährlich insgesamt 13,4 Mio. Euro und ein durchschnittlicher zeitlicher Jahresaufwand von 3,5 Tagen pro Notar (basierend auf der Einschätzung der Gesetzesbegründung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/10607, S. 46) anfällt. 1. Weshalb ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung die Notwendigkeit einer doppelten Verwahrungspflicht, wenn nach § 45 Absatz 2 BeurkG n. F. und § 56 Absatz 3 BeurkG n. F. die elektronische Form der papiergebundenen Form als gleichwertig anzusehen ist? Beurkundungsbedürftig sind nur als besonders wichtig eingeschätzte Rechtsgeschäfte . Der Schutz der Beteiligten und die Sicherheit des Rechtsverkehrs verlangen es, dass die Originale dieser Urkunden (Urschriften) zu Beweiszwecken für einen hinreichend langen Zeitraum in den notariellen Urkundensammlungen zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist beim Übergang vom Medium „Papier“ zu anderen Speichermedien erhöhte Vorsicht erforderlich. Daher wird durch die Aufbewahrung in Papierform bei eventuellen technischen Störungen des Elektronischen Urkunden- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9801 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode archivs die jederzeitige Verfügbarkeit der Notariatsunterlagen gesichert und damit entsprechenden Vorbehalten gegen eine elektronische Verwahrung von Notariatsunterlagen von vornherein entgegengewirkt. 2. Woraus ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung das Bedürfnis einer unterschiedlichen Verwahrungsdauer zwischen elektronischer und papiergebundener Form? 3. Wie und nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesregierung eine zukünftige weitere Verkürzung der Verwahrungsdauer für papiergebundene Urkunden ? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Derzeit sind die Aufbewahrungsfristen für die Zeit nach Einführung des elektronischen Urkundenarchivs noch nicht festgelegt. Die konkreten Aufbewahrungsfristen werden erst noch in einer auf Grundlage der Ermächtigung in § 36 Absatz 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) zu erlassenden Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt werden. Zentrales Anliegen des Gesetzes zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1396) war unter anderem die Verringerung der in Papierform aufzubewahrenden Notariatsunterlagen. Durch die elektronische Verwahrung der Notariatsunterlagen einschließlich der Urkunden soll perspektivisch die Aufbewahrungsfrist für die in Papierform aufzubewahrenden Notariatsunterlagen verkürzt werden, wodurch dann auch den räumlichen Kapazitätsengpässen bei der Aufbewahrung der Notariatsunterlagen in Papierform entgegengewirkt würde. Dem Gesetzgeber erschien dabei eine Orientierung an der dreißigjährigen Verjährungsfrist für Ansprüche aus vollstreckbaren Urkunden (§ 197 Absatz 1 Nummer 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) sachgerecht (Bundestagsdrucksache 18/10607, Seite 40). Bei einem in der notariellen Praxis bewährten, stabilen und technisch einwandfreien Betrieb des Elektronischen Urkundenarchivs bleibt dem Verordnungsgeber jedoch eine weitere Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für die parallel in Papierform aufzubewahrenden Notariatsunterlagen möglich. 4. Wie hoch sind die durchschnittlichen jährlichen Gesamtkosten einer ordnungsgemäßen papiergebundenen Urkundenverwahrung für alle verwahrenden Stellen? Diese Frage fällt in die Zuständigkeit der Länder. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist die Bundesnotarkammer von jährlichen Verwahrungskosten in Höhe von ca. 95 000 Euro für jeden vor den 1. Januar 2022 errichteten Jahrgang an Urkunden ausgegangen. Für jeden Jahrgang an Urkunden, die nach dem 1. Januar 2022 errichtet werden, wurden die jährlichen Verwahrkosten mit ca. 43 000 Euro beziffert (Bundestagsdrucksache 18/10607 Seite 40). Weitere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hierzu nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9801 5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit der dauerhaften Speicherung elektronischer Urkunden im Vergleich zu der langfristigen Aufbewahrung papiergebundener Urkunden? Welche Datenträger eignen sich für eine hundertjährige Verwahrungsdauer einer elektronischen Urkunde? 6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheit elektronischer Urkunden vor der Einwirkung Unbefugter im Vergleich zu papiergebundenen Urkunden ? 7. Wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko des Verlustes einer elektronischen Urkunde im Vergleich zu einer papiergebundenen Urkunde? Die Fragen 5 bis 7 werden zusammen beantwortet. Gemäß § 78h BNotO wurde der Bundesnotarkammer als Urkundenarchivbehörde die gesetzliche Aufgabe übertragen, das elektronische Urkundenarchiv zu betreiben . Sie verantwortet somit den Aufbau und den Betrieb des Elektronischen Urkundenarchivs . Sie hat – nach dem jeweiligen Stand der Technik – die Verfügbarkeit, die Integrität , die Authentizität, die Vertraulichkeit und die Transparenz der Daten des Urkundenverzeichnisses, des Verwahrungsverzeichnisses und der im Elektronischen Urkundenarchiv verwahrten elektronischen Dokumente für die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist zu gewährleisten. Dazu gehört auch, dass die Integrität und Authentizität der elektronischen Fassung der Urschrift – und damit der Beweiswert – dauerhaft auf höchstem Niveau gesichert bleiben. Die Einzelheiten bleiben dabei der noch zu erlassenden Rechtsverordnung nach § 78h Absatz 4 BNotO vorbehalten. 8. Welche Fördermaßnahmen unternimmt die Bundesregierung für eine Verbesserung der in den Fragen 5 bis 7 genannten Aspekte bei elektronischen Urkunden? Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht sie diesbezüglich? Die Bundesnotarkammer entwickelt derzeit auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben das elektronische Urkundenarchiv. Derzeit wird kein weiterer Handlungsbedarf gesehen. 9. Inwiefern ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Urschrift und Ausfertigung im elektronischen Rechtsverkehr? Die im Elektronischen Urkundenarchiv verwahrten elektronischen Dokumente stehen rechtlich den in Papierform vorliegenden Schriftstücken gleich, aus denen sie im Wege eines qualifizierten Medientransfers von der Notarin oder von dem Notar übertragen worden sind. Das im Elektronischen Urkundenarchiv verwahrte elektronische Dokument, in das die Urschrift der notariellen Urkunde übertragen wurde, wird in § 45 Absatz 2 des Beurkundungsgesetzes in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung ausdrücklich als elektronische Fassung der Urschrift bezeichnet , die der in Papierform vorhandenen Urschrift gleichsteht. Der Notar kann für die Erteilung einer Ausfertigung somit sowohl auf die in Urschrift in Papierform als auch auf das im Elektronischen Urkundenarchiv verwahrte elektronische Dokument zugreifen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9801 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ein elektronisches Äquivalent einer Ausfertigung existiert derzeit nicht. Eine Differenzierung zwischen Urschrift und Ausfertigung ist im elektronischen Rechtsverkehr derzeit somit weder möglich noch erforderlich. 10. Welcher Anpassungsbedarf ergibt sich hieraus nach Ansicht der Bundesregierung für das Beurkundungsgesetz? Gesetzlicher Anpassungsbedarf wird derzeit nicht gesehen. 11. Warum beurteilte die Bundesregierung den vollständigen Verzicht auf Urkunden und Verzeichnisse in Papierform in der Gesetzesbegründung auf Bundestagsdrucksache 18/10607, S. 44 als nicht praktibel? Inwieweit hat sich die Einschätzung der Bundesregierung diesbezüglich seither geändert? In erster Linie war Ziel des Gesetzentwurfs, durch die Einrichtung des elektronischen Urkundenarchivs für die langfristige elektronische Verwahrung von Notariatsunterlagen die Möglichkeit zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen der Papierunterlagen zu schaffen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 12. Wie wirkt sich nach Ansicht der Bundesregierung dahingehend der „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“ (COM(2018) 239 final ) aus, der eine physische Anwesenheit eines Geschäftsführers bei dem Gründungsverfahren einer GmbH, welches nach § 2 Absatz 1 des Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) eine notarielle Beurkundung beinhaltet, nur bei begründetem Betrugsverdacht vorsieht ? Die genannte Richtlinie ist noch nicht verabschiedet worden. Die Verabschiedung der Richtlinie bleibt abzuwarten, bevor hierzu Aussagen getroffen werden können . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333