Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 29. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9818 19. Wahlperiode 02.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9097 – Straftaten mit Sexualbezug im Ausland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zusammenhang mit Sextourismus kommt es vielerorts zur Verwirklichung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie gegen die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsbürger im Ausland. Opfer dieser Taten sind oftmals auch Kinder und Jugendliche, die in einigen Ländern zu sexuellen Kontakten gezwungen werden (www.cicero.de/aussenpolitik/gefuegige-frauenbefriedigte -egos/49752). Das Bundeskriminalamt (BKA) empfiehlt in diesem Zusammenhang, im Interesse einer unverzüglichen Beendigung eines andauernden oder eventuell sogar zur Verhinderung eines bevorstehenden sexuellen Missbrauchs eines Kindes oder eines Jugendlichen im Ausland primär die örtlich (im Ausland) zuständigen Strafverfolgungsorgane zu informieren. Es weist aber auch darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, die jeweils zuständige deutsche Auslandsvertretung über entsprechende Vorkommnisse und Beobachtungen zu informieren, um eine zumindest zeitnahe Einbindung der zuständigen Polizeidienststellen vor Ort zu ermöglichen (www.bka.de/DE/Kontakt Aufnehmen/HinweisGeben/KontaktHinweisgeberKindersextourismus/kontakt hinweisgeberkindersextourismus_node.html). So soll verhindert werden, dass sich die Täterinnen und Täter bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit dem deutschen Recht entziehen und hierzulande nicht für im Ausland begangene Taten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Denn das deutsche Strafrecht ermöglicht die Strafverfolgung im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit auch dann, wenn die Tat von einem deutschen Staatsbürger im Ausland begangen wurde (vgl. §§ 5 Nummer 6 und 8, 6 Nummer 4 des Strafgesetzbuches (StGB)). Allerdings kann die Staatsanwaltschaft nach den Regeln der Strafprozessordnung (StPO) von der Verfolgung solcher Auslandstaten absehen (vgl. § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO). Es besteht demnach ein Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich der Anzahl der bislang verfolgten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie gegen die persönliche Freiheit, wobei die Bundesregierung auch dahingehend befragt werden soll, über wie viele vermeintliche Straftaten deutsche Auslandsvertretungen bislang informiert worden sind und in wie vielen dieser Fällen tatsächlich ein inländisches Strafver- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9818 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode fahren eingeleitet worden ist. Gemessen daran kann die Effektivität der Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Sextourismus beurteilt werden. Dies ist insbesondere deshalb relevant, da nationale Maßnahmen zur Pönalisierung von Straftaten durch Touristen, insbesondere solche mit Bezug zum Sextourismus , zum Teil im Ausland gescheitert sind oder aufgrund der hohen Umsätze in finanzschwachen Regionen keine Unterstützung fanden. 1. Wie viele Fälle von im Ausland begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsangehörige sind der Bundesregierung bekannt? a) In wie vielen Fällen erhielten deutsche Strafverfolgungsbehörden dabei die Kenntnis von Umständen, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führten, von deutschen Auslandsvertretungen? b) In wie vielen Fällen erhielten deutsche Strafverfolgungsbehörden dabei die Kenntnis von Umständen, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führten, von privaten Hinweisgebern bzw. Anzeigeerstattern? Die Fragen 1 bis 1b werden gemeinsam beantwortet. Eine statistische Erfassung von im Ausland begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsangehörige findet nicht statt. 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden im Hinblick auf von im Ausland begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsangehörige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch deutsche Strafverfolgungsbehörden eingeleitet? Die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen im Ausland begangener Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsangehörige fällt nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu Sachverhalten in der Zuständigkeit der Bundesländer. a) Wie viele Ermittlungsverfahren sind dabei durch Anklageerhebung bzw. Strafbefehlsbeantragung abgeschlossen worden? b) Wie viele Ermittlungsverfahren sind dabei durch eine Einstellungsentscheidung abgeschlossen worden? Die Fragen 2a und 2b werden gemeinsam beantwortet. Eine statistische Erfassung im Sinne der Frage wird nicht vorgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9818 3. In wie vielen Fällen wurden deutsche Auslandsvertretung nach Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich eines Verdachts der Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder die persönliche Freiheit durch deutsche Staatsangehörige im Ausland informiert? 4. Lassen sich durch deutsche Staatsangehörige im Ausland begangene Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder die persönliche Freiheit ihrem Tatort entsprechend nach Kenntnis der Bundesregierung bestimmten Ländern, Städten oder Regionen besonders häufig zuordnen? Wenn ja, welchen Ländern, Städten oder Regionen und in welcher Größenordnung ? Die Fragen 3 und 4 werden zusammengefasst beantwortet. An den Auslandsvertretungen wurden im Jahr 2018 insgesamt 2 733 Haftfälle betreut . Nicht in allen Fällen erhält die Bundesregierung Kenntnis von der Inhaftierung deutscher Staatsangehöriger oder von dem konkreten Tatvorwurf. Die Bundesregierung kann zur Zahl der Strafverfahren aufgrund eines Verdachts der Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit weltweit keine verlässliche Aussage treffen. Eine Aufschlüsselung der Fälle nach Strafvorwurf weltweit ist nicht möglich. Dem stünde das Persönlichkeitsreicht der Betroffenen wegen möglicher Rückschlüsse auf die Person ebenso entgegen wie potenziell negative Auswirkungen auf noch laufende Verfahren. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung insbesondere über den Menschenhandel im Zusammenhang mit Sextourismus weltweit? Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge stellt Menschenhandel nach Waffen - und Drogenhandel die drittgrößte Einnahmequelle der organisierten Kriminalität dar. Vom Menschenhandel betroffen sind vor allem Frauen und Mädchen (75 Prozent). Eines von vier Opfern von Menschenhandel ist minderjährig, die Tendenz ist steigend . Sexuelle Ausbeutung sowie Ausbeutung von Arbeitskraft sind die Hauptgründe für Menschenhandel, wobei es viele weitere Formen der Ausbeutung gibt (zum Beispiel Organraub, Betteln, Zwangsheirat, Kampfhandlungen als Kindersoldatinnen und Kindersoldaten). Kinderhandel ist ein Verbrechen, bei dem Mädchen und Jungen für zahlreiche Zwecke ausgebeutet werden, beispielsweise Pornographie und Prostitution, zunehmend auch Zwangsarbeit in Sektoren wie Landwirtschaft , Hausarbeit sowie zum Adoptionshandel oder zur Entnahme von Körperorganen . 6. Welche Maßnahmen und/oder Kooperationen bzw. Programme verfolgt die Bundesregierung mit oder in anderen Ländern, um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder die persönliche Freiheit, insbesondere zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen, mit Strafe zu bedrohen und Täterinnen und Täter zu verfolgen? Um sexuellem Missbrauch und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Tourismus entgegenzuwirken, wird Bewusstsein insbesondere durch Aufklärung im Rahmen der Kinderschutzkampagne „Don't look away – Nicht wegsehen!“ gefördert. Diese Kampagne zum Schutz von Kindern wurde 2010 durch die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gegründet. Inzwischen sind auch Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Polen beteiligt. Kern die- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9818 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ser Kampagne ist eine niedrigschwellige Meldeplattform mit einem Link zur Meldung von Verdachtsfällen wahlweise an das Bundeskriminalamt oder an das Netzwerk „End Child Prostitution, Child Pornography & Trafficking of Children for Sexual Purposes“ (ECPAT). So soll die Grundlage für effektive Strafverfolgung und -durchsetzung gelegt werden. Die Meldeplattform wurde auch in die App „Sicher Reisen“ des Auswärtigen Amts aufgenommen. Die Meldeseite http://nicht-wegsehen.net/ gibt es seit dem Jahr 2014. Sie war ursprünglich für Hinweise auf die sexuelle Ausbeutung von Kindern auf Reisen und im Tourismus gedacht. Inzwischen werden unterschiedlichste Fälle der sexuellen Gewalt und Ausbeutung über diese Plattform gemeldet: Insgesamt sind hierüber bei ECPAT 109 relevante Meldungen zu sexueller Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Tourismus mit Auslandsbezug eingegangen (Quelle: ECPAT, Stand: 28. Februar 2019). 7. Wie beurteilt die Bundesregierung Kampagnen und Initiativen wie etwa die des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation ECPAT und Polizeibehörden mit dem Motto „Nicht wegsehen! Zivilcourage zeigen“ (http://nicht-wegsehen.net/)? Die Bundesregierung begrüßt die genannte Initiative. Mit der Öffentlichkeitskampagne „Nicht wegsehen! Zivilcourage zeigen!“ leisten der Deutsche Reiseverband (DRV) und ECPAT im Rahmen von „Don’t look away – nicht wegsehen !“ einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333