Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9827 19. Wahlperiode 03.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Herbrand, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9555 – Position der Bundesregierung zur „Moscheesteuer“ V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der öffentlichen Debatte wird zunehmend die Möglichkeit muslimischer Glaubensgemeinschaften aufgegriffen, eigene Steuern zu erheben. Dabei wird u. a. argumentiert, dass durch eine sogenannte Moscheesteuer unabhängige Finanzierungsquellen für muslimische Organisationen geschaffen würden, wodurch der mitunter fragwürdige Einfluss politisch gesteuerter Gelder aus dem Ausland verringert werden könnte (vgl. „Eine Frage der Heimat“, in: WELT AM SONNTAG vom 3. März 2019, S. 5). Voraussetzung dafür, dass der deutsche Staat – analog zur Kirchensteuer für Katholiken und Protestanten – auch von Muslimen eine Steuer einziehen und an muslimische Glaubensgemeinschaften weiterreichen darf, bedarf es zunächst der Verleihung gewisser Körperschaftsrechte (gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes – GG – i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung – WRV –). Ein Antrag auf diese Körperschaftsrechte impliziert ein klares Bekenntnis zum deutschen Rechtsstaat. Presseberichten zufolge arbeitet der Zentralrat der Muslime in Deutschland daran , seine Strukturen dahingehend zu verändern, dass eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts möglich wäre (vgl. „Moschee-Steuer statt Geld aus dem Ausland“, in: Süddeutsche Zeitung vom 20. April 2016, S. 6). Andere muslimische Organisationen – wie etwa die Ahmadiyya-Gemeinde – besitzen bereits den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts, nutzen aber, trotz der Berechtigung Steuern von ihren Mitgliedern zu erheben, bislang diese Möglichkeit nicht. Aus Sicht der Fragestellenden ist es dringend geboten, die anhaltende Debatte zur „Moscheesteuer“ auf eine sachliche Grundlage zu stellen. So ist u. a. hervorzuheben , dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine „Moscheesteuer“ bereits existieren, von dieser Möglichkeit bislang jedoch noch von keiner muslimischen Organisation Gebrauch gemacht wurde. Dies kann mitunter auch damit zusammenhängen, dass muslimische Religionsgemeinschaften traditionell keine Steuern erheben. Nach Einschätzung der Fragestellenden sollte, im Vorfeld einer Nutzung der „Moscheesteuer“ durch muslimische Glaubensgemeinschaften , klar umrissen werden, welche Auswirkungen auf andere Regelungen des Steuerrechts mit dieser Nutzung einhergehen würden. Drucksache 19/9827 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche Körperschaften und Religionsgemeinschaften können nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV Steuern erheben bzw. erheben Steuern? Die Anerkennung von Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundes. Die Bundesregierung hat demzufolge keine über die öffentlich zugänglichen Informationen hinausgehenden Kenntnisse darüber, welche Religionsgemeinschaften im Einzelnen erhebungsberechtigt sind. 2. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung hinsichtlich einer Erhebung von Steuern durch muslimische Glaubensgemeinschaften analog zur Kirchensteuer christlicher Glaubensgemeinschaften? 3. Befürwortet die Bundesregierung, dass muslimische Religionsgemeinschaften die Erlangung der Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV anstreben (bitte in der Antwort auch Überlegungen der öffentlichen Debatte mit einbeziehen , dass hierdurch eine von ausländischen Geldgebern unabhängige Finanzierungsquelle etabliert werden könnte)? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung befürwortet eine stärker eigenständige und verlässliche, vom Ausland unabhängige Finanzierung von Dachverbänden von Moscheegemeinden und Moscheevereinen. Eine Moscheesteuer kann hierbei ein möglicher Weg sein, hat jedoch die Erlangung des Körperschaftstatus gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes i. V. m. Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung zur Voraussetzung. Ob dieser Weg und die Erhebung einer Moscheesteuer von den Dachverbänden und Moscheevereinen als vorteilhaft, gangbar und erstrebenswert erachtet und ob er verfolgt wird, liegt in den Händen der islamischen Verbände und Gemeinden selbst. 4. Von welchen Vergünstigungen und Befreiungen im Steuerrecht dürften nach Kenntnis der Bundesregierung muslimische Religionsgemeinschaften, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingeordnet sind, profitieren? Soweit muslimische Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, gehören sie zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind alle Gebilde, die aufgrund öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind. Dazu gehören die Gebietskörperschaften, aber auch Zweckverbände, öffentliche Universitäten etc. Nach § 1 Absatz 1 Nummer 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und unter den Voraussetzungen des Vorliegens eines Gewerbebetriebs auch gewerbesteuerpflichtig. Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieser Vorschriften sind grundsätzlich alle Einrichtungen , die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen. Für diese Betriebe gewerblicher Art gelten die allgemeinen steuerlichen Grundsätze. Sonderregelungen für Religionsgemeinschaften bestehen hier nicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9827 5. Gibt es seitens der Bundesregierung Projektionen oder Schätzungen, wie hoch das Steueraufkommen durch eine Nutzung der „Moscheesteuer“ ausfallen könnte? Nein. 6. Wie hoch lassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Mindereinnahmen aus Steuervergünstigungen und Befreiungen beziffern, die durch Religionsgemeinschaften , die als Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV eingeordnet wurden , in den letzten fünf Jahren in Anspruch genommen wurden (bitte nach Art der Steuervergünstigung und Jahr aufschlüsseln)? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über die Höhe der Mindereinnahmen aus Steuervergünstigungen und Befreiungen, die von erhebungsberechtigten Religionsgemeinschaften in Anspruch genommen wurden. 7. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung das Steueraufkommen der steuererhebenden Religionsgemeinschaften in den vergangenen fünf Jahren (bitte nach Religionsgemeinschaft und Jahr aufschlüsseln)? Die Erhebung von Kirchensteuern fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundes. Die Bundesregierung hat demzufolge keine über die öffentlich zugänglichen Informationen hinausgehenden Kenntnisse über das Steueraufkommen der steuererhebenden Religionsgemeinschaften. 8. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, gesetzliche Anpassungen anzustoßen , die es muslimischen Glaubensgemeinschaften erleichtern, von den gleichen steuerlichen Rechten und Pflichten zu profitieren wie die christlichen Religionsgemeinschaften? Die rechtliche Grundlage für die Zuerkennung des Körperschaftstatus und damit auch für die Erhebung einer Kirchensteuer ergibt sich aus Artikel 140 des Grundgesetzes i. V. m. Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung. Eine Änderung dieser Bestimmungen ist nicht beabsichtigt. Wie das Beispiel der Ahmadiyya Muslim Jamaat zeigt, ist auch muslimischen Organisationen die Erlangung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts prinzipiell möglich. 9. Inwiefern plant die Bundesregierung, Anpassungen bei der Aufteilung pauschalbesteuerter Leistungen nach § 37b des Einkommensteuergesetzes auf die steuererhebenden Religionsgemeinschaften beim sog. vereinfachten Verfahren (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. Kirchensteuer bei Pauschalierung der Lohn- und Einkommensteuer vom 8. August 2016, BStBl I S. 773) anzustoßen? Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf? Die Erhebung von Kirchensteuern fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundes. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. 10. Wie viele muslimische Gemeinschaften werden nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß § 4 Nummer 1 des Grundsteuergesetzes von der Grundsteuer befreit? Nach Artikel 108 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes sind grundsätzlich die Länder für die Verwaltung der Grundsteuer zuständig, soweit diese nicht nach Artikel 108 Absatz 4 Satz 2 des Grundgesetzes von den Ländern ganz oder zum Teil Drucksache 19/9827 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode auf die Gemeinden übertragen worden ist. Nach § 46 des Grundsteuergesetzes ist die Verwaltung der Grundsteuer in den neuen Ländern bundesgesetzlich den Gemeinden übertragen worden. Die abschließende Entscheidung über das Vorliegen einer Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 1 des Grundsteuergesetzes obliegt daher den Ländern bzw. Gemeinden. Der Bundesregierung liegen insoweit keine Erkenntnisse über die Anzahl der nach § 4 Nummer 1 des Grundsteuergesetzes tatsächlich von der Grundsteuer befreiten muslimischen Gemeinschaften vor. Die Befreiung von der Grundsteuer nach § 4 Nummer 1 des Grundsteuergesetzes für Grundbesitz, der dem Gottesdienst gewidmet ist, ist Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, und den jüdischen Kultusgemeinden vorbehalten. Die Anzahl der muslimischen Gemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, kann der auf Mitteilungen der Innenministerien/ Senatsverwaltungen für Inneres der Länder beruhenden Zusammenstellung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die den Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ besitzen, im Internet unter www.personenstandsrecht. de/Webs/PERS/DE/informationen/religionsgemeinschaften/religionsgemeinschaftennode .html entnommen werden. 11. Stimmt die Bundesregierung der Forderung verschiedener Politiker der CDU/CSU zu, die Auslandsfinanzierung von muslimischen Religionsgemeinschaften zu verbieten, sobald diese Steuern gemäß Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV erheben (vgl. „Eine Moschee- Steuer für Muslime – geht das?“ in: DER SPIEGEL vom 22. April 2016, S. 1)? Ein gesetzliches Verbot der Auslandsfinanzierung von Religionsgemeinschaften greift in das religiöse Selbstbestimmungsrecht des Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung ein, denn zum Selbstbestimmungsrecht gehört auch die Nutzung finanzieller Mittel zur religiösen Aufgabenwahrnehmung und damit einhergehend das Verwaltungs- und Verfügungsrecht der Religionsgemeinschaft (vgl. BVerfGE 66, 1 <21>). Das Selbstbestimmungsrecht findet nach Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung seine Grenze innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Ein Sonderrecht für Religionsgemeinschaften würde mit diesen Vorgaben in Konflikt geraten. Sondergesetzliche Regelungen, die nur einzelne Religionsgemeinschaften betreffen , sind zudem vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Diskriminierungsverbots gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG problematisch. Dies gilt nicht für Vorschriften der Gesamtrechtsordnung, die Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie alle anderen Rechtsunterworfenen betreffen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333