Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9846 19. Wahlperiode 02.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/9066 – Umsetzung der reformierten Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem jährlichen Bericht zum Substitutionsregister dokumentiert die Bundesopiumstelle die Entwicklung der Zahlen von Substitutionspatientinnen und Substitutionspatienten, substituierenden Ärztinnen und Ärzten und verschriebenen Substitutionsmitteln (www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Substitutions register/Bericht/_node.html). Erstmals werden im aktuellen Bericht auch Landkarten zur regionalen Verteilung von substituierenden Ärztinnen und Ärzten dargestellt. Die Zahl der substituierenden Ärztinnen und Ärzte ist seit 2012 deutlich von 2 731 auf 2 585 gesunken. In den kommenden Jahren werden viele der Substitutionsmedizinerinnen und Substitutionsmediziner in den Ruhestand gehen, sodass für die betroffenen Patientinnen und Patienten eine Versorgungslücke droht (vgl. www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/ article/961103/versorgungsluecken-sicht-substitutionsaerzte-schlagen-alarm. html?sh=37&h=1468005095). Zuletzt wurde die Behandlung Opioidabhängiger 2017 mit der Novellierung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) und der neuen Richtlinie der Bundesärztekammer zur Substitution ausgebaut und dem medizinischen Kenntnisstand angepasst. Als Behandlungsziele der schweren chronischen Erkrankung werden unter anderem die „Sicherstellung des Überlebens“ und „Stabilisierung des Gesundheitszustands“ genannt (§ 5 Absatz 2 BtMVV). Zudem soll erreicht werden, dass die Patientinnen und Patienten nicht mehr auf unerlaubt erworbene Opioide zurückgreifen. Während die psychosoziale Betreuung grundsätzlich Teil des Therapiekonzepts sein kann, ist sie für die diamorphingestützte Substitution für die ersten sechs Monate der Behandlung Pflicht. Die besonderen Voraussetzungen für die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung blieben unverändert. Drucksache 19/9846 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Wesentliches Ziel der Dritten Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel- Verschreibungsverordnung vom 22. Mai 2017 (BGBl. I S. 1275) war es, die betäubungsmittelrechtlichen Regelungen zur Substitutionstherapie an Erkenntnisse des wissenschaftlichen Fortschritts und an aktuelle praktische Erfordernisse anzupassen . Insgesamt zielten und zielen die Änderungen auch auf die Förderung der Motivation von Ärztinnen und Ärzten ab, Menschen, die insbesondere durch den Missbrauch von unerlaubt erworbenen Opioiden abhängig geworden und damit schwer erkrankt sind, im Rahmen einer ärztlichen Substitutionstherapie zu behandeln . Aus Gründen der Qualitätssicherung ist anzustreben, dass sich möglichst viele suchtmedizinisch qualifizierte Ärztinnen und Ärzte, insbesondere im ländlichen Raum, an dieser wichtigen Versorgungsaufgabe beteiligen. Diese Zielsetzung unterstrich die Beauftragte der Bundesregierung für Drogenfragen , Marlene Mortler, auf dem 14. Parlamentarischen Abend zur Substitutionstherapie am 14. März 2018 in Berlin (Zitate in diesbezüglicher Presseinformation unter www.forum-substitutionspraxis.de/images/Download/PDF/PM_ Bericht_Parl-Abend_Substitution_23032018.pdf): „Mit der neuen BtMVV hat der Bund einen Baum gepflanzt, den wir nun gießen müssen. Machen Sie die neuen Möglichkeiten bekannt und lassen Sie uns die neue BtMVV gemeinsam ins Land tragen ‒ zum Wohle der suchtkranken Patienten.“ Zur weiteren öffentlichen Unterstützung dieses Ziels hat die Beauftragte der Bundesregierung für Drogenfragen im März 2019 erneut an Ärztinnen und Ärzte appelliert , sich in der Substitutionstherapie zu engagieren (www.aerztezeitung.de/ politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article/982667/drogensucht-mortler-fordertaerzte -substituieren.html?sh=2&h=-1251452824). 1. Inwieweit wurden die Ziele der Novellierung der BtMVV nach Ansicht der Bundesregierung erreicht, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die praktische Umsetzung der neuen Verschreibungs- und Behandlungsmöglichkeiten ? Es wird Aufgabe der durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bereits in Auftrag gegebenen Evaluation sein, festzustellen, inwieweit die Ziele der Novellierung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) erreicht werden konnten. Die Ergebnisse werden im Frühjahr des Jahres 2022 erwartet. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 2. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung gegen „weiße Flecken in der Substitutionslandschaft“ („Wie sichern wir die Substitutionsbehandlung vor Ort?“, Meyer-Thompson, 2018), die erstmals auch im aktuellen Bericht zum Substitutionsregister dargestellt sind? 3. Welche Anstrengung unternimmt die Bundesregierung unter Einbeziehung der Länder um eine ausreichende Versorgung und Versorgungsqualität der Substitutionsbehandlung insgesamt und speziell im Strafvollzug und im ländlichen Raum zu erreichen? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9846 4. Wie wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der substituierenden Ärztinnen und Ärzte in der Zukunft verändern, und welche Auswirkungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die regionale Abdeckung zu erwarten? Die Fragen 2, 3 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung geschaffenen bundesrechtlichen Regelungen zielen auch auf die Förderung der Motivation von Ärztinnen und Ärzten ab, Patientinnen und Patienten im gesetzlichen Rahmen einer ärztlichen Substitutionstherapie zu behandeln . Maßnahmen zu deren Organisation und Durchführung liegen in der Aufgabenzuständigkeit der Versorgungsträger und Leistungserbringerinnen und -erbringer . Im Rahmen der weiteren Umsetzung der neuen Vorschriften sind nun auch die Länder aufgerufen, gegebenenfalls im Austausch mit dem BMG und den Versorgungsträgern vor Ort, die Zielstellungen dieser Vorschriften durch geeignete Maßnahmen im Blick zu behalten. Aus Sicht der Bundesregierung ist festzustellen, dass sich nicht alle Ärztinnen und Ärzte, die über eine suchtmedizinische Qualifikation verfügen, an der Behandlung und insbesondere der Substitutionstherapie opioidabhängiger Patientinnen und Patienten beteiligen. Ein zukünftiges Engagement dieser Ärztinnen und Ärzte, die zwar über eine suchtmedizinische Qualifikation verfügen, jedoch (noch) nicht in der Substitutionstherapie opioidabhängiger Patientinnen und Patienten tätig sind, könnte die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten zeitnah ausbauen. Die Durchführung des Justizvollzuges und die Gesetzgebung hierzu sind nach der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich eine Angelegenheit der Länder (Artikel 30 und 70 Absatz 1 des Grundgesetzes). Die gesundheitliche Versorgung von Inhaftierten obliegt daher ebenfalls den Ländern . Die Beauftragte der Bundesregierung für Drogenfragen plant noch für das Jahr 2019 eine drogenpolitische Veranstaltung, die unter anderem einen Austausch zum Thema Substitution in Haft umfassen wird. Hierzu sollen auch Vertreterinnen und Vertreter der Landesjustizministerien eingeladen werden. 5. Welche suchtmedizinischen Inhalte sind laut Approbationsordnung während des Medizinstudiums zu vermitteln, und entsprechen Inhalte und Umfang dieser Studiencurricula nach Ansicht der Bundesregierung der Bedeutung und Verbreitung von Abhängigkeitserkrankungen? Die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) bietet mit den Fächern „Allgemeinmedizin “, „Innere Medizin“, „Pharmakologie, Toxikologie“ und „Psychiatrie und Psychotherapie“ oder auch dem Querschnittsbereich „Klinische Pharmakologie /Pharmakotherapie“ geeignete Ansatzpunkte, suchtmedizinische Inhalte entsprechend der Bedeutung und Verbreitung von Abhängigkeitserkrankungen in der ärztlichen Ausbildung zu thematisieren. Die schriftlichen Prüfungsaufgaben im Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung stellen zudem auf die wichtigsten Krankheitsbilder und Gesundheitsstörungen ab und erfassen explizit auch „Süchte“. Die konkrete Umsetzung der Vorgaben der ÄApprO und die Gestaltung der Studiencurricula fallen in die Zuständigkeit der Hochschulen, die auch über den Umfang der Vermittlung suchtmedizinischer Inhalte entscheiden. Drucksache 19/9846 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welchen Stellenwert hat eine begleitende Psychotherapie in der Suchtbehandlung für substituierte Patientinnen und Patienten nach Ansicht der Bundesregierung ? 7. Welchen Stellenwert hat die psychosoziale Betreuung in der Suchtbehandlung für substituierte Patientinnen und Patienten nach Ansicht der Bundesregierung ? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Mit einer insbesondere im Missbrauch von unerlaubt erworbenen Opioiden begründeten Opioidabhängigkeit gehen in der Regel psychische und somatische Erkrankungen sowie psychosoziale Problemlagen einher. Die psychosoziale Betreuung von Substituierten, psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen können, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, zu einer wesentlichen Verbesserung der psychosozialen und psychischen Situation der Patientin oder des Patienten und des Behandlungsergebnisses insgesamt beitragen. 8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die psychosoziale Betreuung und den Zugang zur Psychotherapie für substituierte Patientinnen und Patienten sicherzustellen? Die psychosoziale Betreuung fällt nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Entsprechende Angebote sind durch die Bundesländer und/oder die Kommunen sicherzustellen. Der Zugang zur Psychotherapie für Patientinnen und Patienten mit einer insbesondere durch den Missbrauch von unerlaubt erworbenen Opioiden begründeten Opioidabhängigkeit ist in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Durchführung der Psychotherapie geregelt. Nach § 26 Absatz 2 dieser Richtlinie kann eine Psychotherapie neben oder nach einer somatisch ärztlichen Behandlung von Krankheiten oder deren Auswirkungen angewandt werden, wenn psychische Faktoren einen wesentlichen pathogenetischen Anteil daran haben und sich ein Ansatz für die Anwendung von Psychotherapie bietet. Bei Vorliegen der hierfür relevanten Indikation psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide und gleichzeitiger stabiler substitutionsgestützter Behandlung ist dies beschränkt auf den Zustand der Beigebrauchsfreiheit. 9. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten, die sich in einer Substitutionstherapie befinden, in den letzten zehn Jahren entwickelt, und wie alt sind die Patientinnen und Patienten im Schnitt, wenn sie die Therapie beginnen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Zahlen vor. Aufgrund der Art der Zusammensetzung der zu meldenden Patientencodes können dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag der Länder geführten Substitutionsregister dazu keine Erkenntnisse entnommen werden (vgl. § 5b Absatz 2 Satz 2 BtMVV). 10. In welchem Umfang werden Möglichkeiten der Vergabe außerhalb der ärztlichen Praxis, z. B. bei Hausbesuchen, in Pflegeheimen, Rehabilitationseinrichtungen , Apotheken, Krankenhäusern (vgl. § 5 Absatz 10 BtMVV) genutzt ? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9846 11. Inwieweit kommt das Bundesministerium für Gesundheut der als Beschluss gefassten Bitte der 91. Gesundheitsministerkonferenz von Juni 2018 nach, wonach die Länder frühzeitig und kontinuierlich in die Evaluation der Neuregelung zur substitutionsgestützten Behandlung opioidabhängiger Menschen einzubeziehen sind? Im Nachgang zum Beschluss der 91. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat im Sommer des Jahres 2018 ein Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern des BMG und des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) stattgefunden. Die Vertreterinnen und Vertreter des MAGS NRW waren hierzu durch die AG Suchthilfe, einer Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), mandatiert. In diesem Rahmen wurden eine Skizze für ein wissenschaftliches Evaluierungsprojekt sowie der notwendige Antrag auf Forschungsförderung für ein Projekt abgestimmt. Das seit dem 1. März 2019 laufende Projekt „Evaluation der Dritten Verordnung zur Änderung der BtMVV vom 22. Mai 2017 (EVASUNO)“ wurde auf der letzten Sitzung der AG Suchthilfe am 21. März 2019 den Vertreterinnen und Vertretern der Länder durch das beauftragte Forschungsinstitut vorgestellt. Das BMG wird die Länder regelmäßig in den Sitzungen der AG Suchthilfe über den Fortgang des Projektes unterrichten. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333