Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9875 19. Wahlperiode 03.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/9460 – Sozialer Arbeitsmarkt – Ausgestaltung der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem neuen Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)) soll Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnet werden. Zentral dabei ist, dass dieses neue Regelinstrument neben der Förderung von Beschäftigungsverhältnissen grundsätzlich eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Begleitung vorsieht. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz soll die Beschäftigungsfähigkeit durch intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung verbessert und arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen zugleich vermehrt Beschäftigungsoptionen auf dem allgemeinen oder sozialen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. In der Begründung des Gesetzes steht: „Die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung hat die Aufgabe, die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses zu begleiten, das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und vorzeitige Abbrüche zu verhindern “ (S. 19). Dort wird zudem ausgeführt, dass die Begleitung in der Regel in einzelfallbezogenen Kontaktgesprächen erfolgen soll. In der öffentlichen Anhörung zum Teilhabechancengesetz hat der Vorsitzende des Vorstandes der Bundes-agentur für Arbeit, Detlef Scheele, die geplante ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung begrüßt, aber ausgeführt: „eine generelle Ausgestaltung so eines Instruments gibt es nicht“ (Protokoll, öffentliche Anhörung des Ausschusses des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales, 5. November 2018, Seite 421). Diese Aussage wurde in der öffentlichen Anhörung von der Sachverständigen Tina Hofmann vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband verstärkt: „Das Coaching muss, damit es funktionieren kann, hoch individualisiert auf den einzelnen Fall heruntergebrochen werden und ausgestaltet werden. Und es muss passfähig sein für verschiedene Arbeitgeber“ (Protokoll, öffentliche Anhörung, 5. November 2018, Seite 430). Die zentrale Bedeutung der Betreuung wurde bei der öffentlichen Anhörung auch von dem Sachverständigen Jan Dannenbring aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks für kleine Betriebe Drucksache 19/9875 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode hervorgehoben: „Diese brauchen bei der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen ein sehr betriebsnahes Coaching, denn oft fühlen sie sich auch ein Stück weit überfordert mit dieser Personengruppe. Insofern ist es sehr wichtig, dass ihnen jemand zur Seite steht, um sie wirklich bei den praktischen Anfordernissen , die mit der Beschäftigung dieser Personengruppe einhergehen, auch wirklich zu unterstützen“ (Protokoll, öffentliche Anhörung, 5. November 2018, Seite 428). Jetzt, im Jahr 2019, arbeiten die Jobcenter mit Hochdruck daran, den Sozialen Arbeitsmarkt umzusetzen. Vor diesem Hintergrund liegt der fragestellenden Fraktion eine „Zuweisung in eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung nach § 16i Zweites Sozialgesetzbuch“ inklusive einer Rechtsfolgenbelehrung vor, die einer langzeitarbeitslosen Person, die einen Arbeitsvertrag für einen geförderten Arbeitsplatz abgeschlossen hat, von einer gemeinsamen Einrichtung ausgehändigt wurde. In dieser Zuweisung werden folgende Ziele der ganzheitlichen Betreuung definiert: Stabilisierung und Vermeidung eines frühzeitigen Abbruchs des Arbeitsverhältnisses, Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit sowie die Förderung des Übergangs in ungeförderte Beschäftigung. Dabei sollen folgende Inhalte berücksichtigt werden: betriebliche und soziale Anforderungen , soziale Aktivierung, Vermittlung des betrieblichen Umfelds und der Anforderungen im Arbeitsalltag, Verhaltenstraining, Konfliktbewältigung. Der Betreuungsumfang wurde von der gemeinsamen Einrichtung auf zwei Stunden monatlich festgelegt. Die Laufzeit beträgt 24 Monate. Aufgrund der vorliegenden Zuweisung stellen sich Fragen, inwiefern dieses Vorgehen einer ganzheitlichen Betreuung gerecht wird. 1. Werden langzeitarbeitslose Personen im Rahmen des § 16i SGB II nach Kenntnis der Bundesregierung einem geförderten Arbeitsverhältnis mit einer Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB II und mit einer weiteren Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 einer ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung zugewiesen , und gibt es für diese Zuweisungen ein bundesweit einheitliches Verfahren mit Standardformularen? Wenn ja, ist dieses Verfahren für alle Jobcenter verbindlich? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden die Teilnehmenden im Rahmen der Förderung nach § 16i des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) einem geförderten Arbeitsverhältnis mit einer Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB II und mit einer weiteren Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II einer ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung zugewiesen. Für die gemeinsamen Einrichtungen (gE) hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) das Verfahren im Rahmen ihrer Fachlichen Weisungen verbindlich vorgegeben und entsprechende Vordrucke für die Zuweisungsschreiben zentral zur Verfügung gestellt. Inwiefern die zugelassenen kommunalen Träger (zkT) eigene Vordrucke verwenden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Aufsicht über die zkT obliegt nach § 48 Absatz 1 SGB II den zuständigen Landesbehörden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9875 2. Aus welchen Gründen werden nach Kenntnis der Bundesregierung Beschäftigte , die langzeitarbeitslos waren, einem geförderten Arbeitsplatz im Rahmen des § 16i SGB II mit Rechtsfolgenbelehrung zugewiesen, obwohl beide Vertragsparteien freiwillig einen Arbeitsvertrag abschließen? a) Welche Vorteile, Nachteile bzw. welcher Nutzen entstehen durch die Zuweisung mit Rechtsfolgenbelehrung für die Beschäftigten, Arbeitgeber bzw. Jobcenter, wenn es um einen geförderten Arbeitsplatz nach § 16i SGB II geht? b) Wie gehen die zugelassenen kommunalen Träger (zkT) bezüglich der geförderten Arbeitsplätze vor? Aufgrund der langfristigen und ganzheitlichen Ausgestaltung sowie der erheblichen Kosten einer Förderung über § 16i SGB II ist eine Teilnahme nur erfolgversprechend und wirtschaftlich, wenn die geförderten Personen freiwillig das Arbeitsverhältnis eingehen. Der Arbeitsvertrag wird daher im Rahmen der Vertragsfreiheit vor der Zuweisung abgeschlossen. Die Zuweisung zu dem Arbeitgeber des geförderten Arbeitsverhältnisses ist eine Fördervoraussetzung nach § 16i Absatz 1 SGB II. Die Verpflichtung der Jobcenter zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung ergibt sich aus § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB II. Dies gilt gleichermaßen für gE und zkT. Für die gE sehen die Fachlichen Weisungen der BA ein einheitliches Verfahren zur Umsetzung vor. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Umsetzung durch die zkT vor. Die Zuweisung ermöglicht, den Teilnehmenden aus der öffentlich geförderten Beschäftigung abzuberufen, wenn er/sie in eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung , in eine Maßnahme der Berufsausbildung oder in eine berufliche Weiterbildung zum Erwerb eines Berufsabschlusses vermittelt werden kann. Mit der Zuweisung verbleibt die Integrationsverantwortung beim örtlichen Jobcenter. Diesem obliegt es, Entscheidungen über die Übernahme von Weiterbildungskosten oder Praktika bei anderen Arbeitgebern zu treffen. Zudem soll sichergestellt werden , dass die Fortschritte, die in der geförderten Beschäftigung erreicht werden, mittel- bis langfristig in eine ungeförderte Beschäftigung führen können. Im Falle von Abbrüchen ist zudem eine kurzfristige Betreuung durch das Jobcenter möglich . 3. Aus welchen Gründen ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine weitere Zuweisung mit Rechtsfolgenbelehrung für eine erfolgreiche ganzheitliche Betreuung nach § 16i SGB II zwingend notwendig? a) Welche Vorteile, Nachteile bzw. welcher Nutzen entstehen durch die Zuweisung mit Rechtsfolgenbelehrung zur ganzheitlichen Betreuung nach § 16i SGB II für die Beschäftigten, Arbeitgeber bzw. Jobcenter? b) Wie gehen die zugelassenen kommunalen Träger (zkT) bei der Organisation bzw. Vergabe der ganzheitlichen Betreuung vor? Die beschäftigungsbegleitende Betreuung nach § 16i Absatz 4 SGB II ist integraler Bestandteil der Förderung nach § 16i SGB II und stellt in diesem Rahmen eine Maßnahme zur Eingliederung dar, die einer Zuweisung bedarf. Die Verpflichtung der Jobcenter zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung ergibt sich aus § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II einheitlich für gE und zkT. Ferner wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zur Vorgehensweise bei den zkT liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Drucksache 19/9875 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Hält die Bundesregierung eine nach Ansicht der Fragesteller doppelte Sanktionsandrohung bei Aufnahme eines geförderten Beschäftigungsverhältnisses mit beschäftigungsbegleitendem Coaching nach § 16i SGB II für zielführend , um die Zielsetzung zu erreichen, dass langzeitarbeitslose Menschen wieder als gleichwertige Beschäftigte am Arbeitsmarkt teilhaben können? Wenn ja, warum? Wenn nein, was ist geplant, um dies zu verändern? Nach den Grundsätzen des SGB II sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte dazu verpflichtet alles ihnen Zumutbare zu unternehmen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden oder zumindest zu verringern. Hierbei werden sie durch die Träger der Grundsicherung unterstützt. Das System setzt auf Eigenverantwortung und Aktivierung und besteht sowohl aus Rechten als auch Pflichten für jeden Beteiligten . Das gilt auch bei einer Förderung nach § 16i SGB II. Da im Rahmen des § 16i SGB II unterschiedliche Leistungen gewährt werden, entstehen auch unterschiedliche Mitwirkungspflichten, über die die Betroffenen jeweils separat aufzuklären sind. Sollte es dazu kommen, dass unterschiedliche Mitwirkungspflichten durch eine Handlung verletzt werden, führt dies nicht zu einer doppelten Sanktionierung. Sanktioniert werden kann dann nur eine Pflichtverletzung, für weitere Sanktionierungen würde die Rechtsgrundlage fehlen (vgl. Antwort zu Frage 20). 5. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung alle Arbeitsverträge nach § 16i SGB II von Zuweisungen in beschäftigungsbegleitende Betreuung flankiert, und sind diese Zuweisungen bundesweit inhaltlich identisch (insbesondere Ziele, Inhalte, Umfang)? a) Wenn ja, wie werden inhaltlich identische Zuweisungen nach Ansicht der Bundesregierung dem Anspruch einer individuellen und ganzheitlichen Betreuung gerecht? b) Wenn nein, in welchen Punkten unterscheiden sich die Zuweisungen nach Kenntnis der Bundesregierung, und wie begründen sich die Unterschiede? Das Coaching ist integraler Bestandteil der Förderung nach § 16i SGB II. Es verfolgt das Ziel, das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren, eine dauerhafte Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen und das Leistungsvermögen der beschäftigten Person zu steigern. Vor dem Hintergrund der besonderen Arbeitsmarktferne des geförderten Personenkreises wird in der Regel ein Coachingbedarf bestehen. Die Jobcenter sollen den bedarfsgerechten Förderumfang im Einzelfall festlegen. Die Intensität des Coachings soll an die individuellen Bedarfe und die im Förderverlauf anzunehmende Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses angepasst werden. Sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose weisen häufig vielfältige Problemlagen auf, die im Zusammenhang mit ihrer Bedarfsgemeinschaft und ihrem sozialen Umfeld stehen. Inhalt des Coachings ist entsprechend des ganzheitlichen Ansatzes neben den betrieblichen und sozialen Anforderungen des Arbeitgebers an sein Personal auch, dass der Coach bei Bedarf auf Leistungen Dritter hinweist, mit denen persönliche oder soziale Schwierigkeiten bei der Eingliederung überwunden werden können, und auf die Inanspruchnahme dieser Leistungen hinwirkt . So können auch besondere Lebenslagen berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9875 Typischerweise stehen zu Beginn der Beschäftigung organisatorische und betriebsbezogene Fragen im Vordergrund des Coachings - die Erarbeitung einer Tagesstruktur , die Klärung finanzieller Fragen, die Eingewöhnung in der neuen Tätigkeit und die Eingliederung in die betriebliche Gemeinschaft. Insofern ist damit zu rechnen, dass in dieser Phase der Bedarf an Coaching relativ hoch ist, was sich in der Verpflichtung der Arbeitgeber zur Freistellung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen für die Teilnahme am Coaching im ersten Jahr widerspiegelt (vgl. § 16i Absatz 4 Satz 2 SGB II). Das Coaching soll zudem die ganze Bedarfsgemeinschaft in den Blick nehmen, um komplexe Problemlagen aufgreifen zu können, die z. B. im Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld stehen. Die Nutzung zentral von der BA zur Verfügung gestellter Vordrucke bedeutet nicht, dass es sich um inhaltlich identische Zuweisungsschreiben handelt. Die Vordrucke dienen der Verwaltungsvereinfachung und sind individuell anzupassen . So sind in dem Vordruck für das Zuweisungsschreiben in die ganzheitlich beschäftigungsbegleitende Betreuung Inhalte aufgeführt, die „insbesondere“ berücksichtigt werden sollen. Der Coachingumfang und -inhalt kann entsprechend des individuellen Bedarfs angepasst werden. 6. Wie bewertet es die Bundesregierung, wenn sich die Inhalte des ganzheitlichen Coachings ausschließlich auf betriebliche Anforderungen beziehen und die persönliche oder familiäre Situation der Beschäftigten damit außer Acht lassen (wie in der Vorbemerkung der Fragesteller anhand des Beispiels beschrieben )? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Welchen Stellenwert in einem ganzheitlichen Coaching haben nach Ansicht der Bundesregierung a) der familiäre Kontext (v. a. Bedarfsgemeinschaften), bspw. weil hier zumeist Frauen strukturell notwendige Care-Tätigkeiten übernehmen, die sie vom Arbeitsmarkt fernhalten (z. B. Berghahn, S. (2008): Die „Bedarfsgemeinschaft “ gemäß SGB II: Überwindung oder Verfestigung des männlichen Ernährermodells? in: Klute et al. (Hg.): Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Göttingen, 143 – 168); b) gesundheitliche Probleme, von denen Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit deutlich häufiger betroffen sind als Erwerbstätige (z. B. Kroll, L./ Müters, S./Lampert, T. (2016): Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit. Bundesgesundheitsbl. 59: 228); c) Behinderungen und psychische Erkrankungen sowie die zusätzlichen Hürden, die sich daraus für den (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben ergeben ; d) die Stärkung der Persönlichkeit, u. a. durch die Förderung von Selbstvertrauen und Unterstützung im Lebensalltag; e) die Unterstützung im Umgang mit Behörden und bei der Beantragung von Leistungen, die stabilisierend wirken und sich damit auch positiv auf das Arbeitsverhältnis auswirken können, und Die Fragen 7a bis 7e werden gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich können alle Fragen, Probleme und Themen Gegenstand des Coachings werden, also auch die in den Fragen 7a bis 7e genannten. Für die Frage, ob ein Thema in das Coaching einbezogen wird und welchen Stellenwert Drucksache 19/9875 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode es einnimmt, ist letztlich entscheidend, ob und wie dessen Bearbeitung unmittelbar oder mittelbar zur Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses beiträgt. Die Einbeziehung von persönlichen Themen in das Coaching kann zum Beispiel die Geförderten in ihrer Leistungsfähigkeit stärken, denn es unterstützt sie, sich auf ihre Arbeit besser konzentrieren zu können. Die Entscheidung darüber, welche konkreten Unterstützungsleistungen einen Beitrag zur Stabilisierung der Beschäftigung leisten, muss stets im Einzelfall auf der Basis der fachlichen Einschätzung der Coachs vorgenommen werden. f) in welcher Form wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass das Coaching in diesem Sinne ganzheitlich umgesetzt wird? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales steht im engen Austausch mit BA, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu Fragen der Umsetzung von § 16i SGB II. Dies schließt die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung ein. 8. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung auch eine Unterstützung der Betriebe garantieren sollte? a) Wenn ja, soll diese Unterstützung lediglich indirekt über das Coaching der Beschäftigten oder durch einen direkten Austausch mit den Verantwortlichen in den Betrieben erfolgen? b) Wenn ja, aus welchen Gründen können Jobcenter auf eine Begleitung der Betriebe verzichten wie im Beispiel in der Vorbemerkung der Fragesteller ? c) Wenn nein, wie wird ein positiver Verlauf der geförderten Arbeitsverhältnisse bei Betrieben garantiert, die bisher noch keine bis wenig Erfahrung in der Arbeit mit langzeitarbeitslosen Menschen haben? Das Coaching verfolgt u. a. das Ziel, das geförderte Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und damit die geförderte Person bei der Eingewöhnung in die neue Tätigkeit und der Eingliederung in die betriebliche Gemeinschaft zu unterstützen. Grundlage hierfür stellen die Anforderungen des Arbeitgebers und die persönlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden dar. Das Coaching fungiert folglich als Bindeglied zwischen Arbeitgeber und Teilnehmenden. Die individuelle Ausgestaltung ist dabei im Einzelfall zu bestimmen und schließt den direkten Kontakt mit dem Arbeitgeber nicht aus. 9. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass eine defizitorientierte Beschreibung der Betreuungsinhalte in der Zuweisung („Verhaltenstraining (…) im Umgang mit dem Arbeitgeber“ oder zum „pünktliche(n) Arbeitsbeginn “) von den Beschäftigten als stigmatisierend und paternalistisch empfunden werden kann? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts solcher Formulierungen in der Zuweisung? Der Vordruck der BA für das Zuweisungsschreiben in die ganzheitlich beschäftigungsbegleitende Betreuung sieht Inhalte vor, die „insbesondere“ Berücksichtigung finden sollen und damit entsprechend den Anforderungen des individuellen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/9875 Einzelfalls anzupassen sind. Der Inhalt des Coachings muss aus Sicht der Bundesregierung hinreichend konkret formuliert sein, sodass die Ziele des Coachings sowohl dem Coach als auch dem Teilnehmenden ausreichend bekannt sind. 10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine offene und tragfähige Vertrauensbeziehung auf Augenhöhe zwischen Beschäftigtem und Coach die zentrale Voraussetzung für ein erfolgreiches ganzheitliches Coaching ist? a) Wenn ja, wie kann nach Ansicht der Bundesregierung diese Vertrauensbeziehung auf der Grundlage von Zwang und Sanktionsandrohungen gelingen ? b) Wenn nein, welche anderen Aspekte sind nach Meinung der Bundesregierung zentral für ein erfolgreiches ganzheitliches Coaching? Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Coach und Geförderten eine unverzichtbare Grundlage für ein gelingendes Coaching darstellt. Es bildet das Fundament der gemeinsamen Arbeit. Ein verpflichtendes Coaching steht dazu nicht per se im Widerspruch. Das belegen die Erfahrungen aus dem ESF-Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, aus einem Modellprojekt zur öffentlich geförderten Beschäftigung in Nordrhein- Westfalen und aus dem Programm „Modellhafte Entwicklung eines sozialen Arbeitsmarktes ‚Passiv-Aktiv-Tausch‘ (PAT)“ aus Baden-Württemberg. Hieraus ergibt sich, dass bei Weitem nicht alle Geförderten einem verpflichtenden Coaching skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen und dieses sogar gerne annehmen. Bestehen Bedenken seitens der Geförderten, hat der Coach zu Beginn der Arbeit die Aufgabe, mit diesen umzugehen. 11. Wie viele Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) erbringen nach Kenntnis der Bundesregierung das beschäftigungsbegleitende Coaching durch eigenes Personal? a) Übernehmen in diesen Fällen die persönlichen Ansprechpartner (Fallmanager bzw. Vermittler) gleichzeitig die Funktion eines Coachs für die Beschäftigten ? b) Inwiefern ist in dieser Konstellation ein vertrauensvolles Coaching auf Augenhöhe gewährleistet, wenn dieselbe Person die Beschäftigten mit Rechtsfolgenbelehrung der Betreuung zuweist? Die örtlichen Jobcenter – sowohl zkT als auch gE – entscheiden in eigener Verantwortung , ob sie das Coaching durch eigenes Personal oder durch einen beauftragten Dritten durchführen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, wie viele Jobcenter das Coaching durch eigenes Personal erbringen. Beim Coaching durch eigenes Personal obliegt es der Geschäftsführung, die Umsetzung organisatorisch so festzulegen, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Teilnehmenden und Coach gewährleistet ist. Drucksache 19/9875 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Können die Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) nach Kenntnis der Bundesregierung die notwendige Flexibilität und Individualität des Coachings über den Weg standardisierter Ausschreibungsverfahren gewährleisten? a) Wenn ja, in welcher Form wird diese Flexibilität und Individualität gewährleistet ? b) Wenn nein, welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung an dieser Stelle? Die von der BA zentral zur Verfügung gestellte Leistungsbeschreibung muss nicht verbindlich für eine Ausschreibung genutzt werden, stellt aber eine Unterstützung für die Vergabe dar. Sowohl gE als auch zkT können für das Coaching eigene Leistungsbeschreibungen nutzen. 13. Wie wird in den Jobcentern (gemeinsamen Einrichtungen) nach Kenntnis der Bundesregierung der individuelle Betreuungsumfang bzw. die monatliche Anzahl der Stunden im Rahmen des standardisierten Ausschreibungsverfahrens berechnet, und inwiefern können diese Berechnungen nach Ansicht der Bundesregierung den individuellen Bedarfen gerecht werden, wenn sie noch vor einem ersten Treffen von Coach und Beschäftigten, ohne die besondere betriebliche Situation zu kennen, festgelegt werden? Der in der Zuweisung zunächst festgelegte Coachingumfang kann entsprechend des Coachingbedarfs im Förderverlauf individuell angepasst werden. Für die Berechnung des auszuschreibenden Betreuungsumfangs sind Kenntnisse über die örtliche Arbeitsmarktlage, das Teilnehmerpotenzial, die Akzeptanz der örtlichen Arbeitgeber und die Erfahrungen mit Coachingmaßnahmen maßgeblich. Daher ermittelt jedes Jobcenter in eigener Verantwortung den nötigen Betreuungsumfang und schreibt diesen aus 14. Wie bewertet die Bundesregierung eine Festsetzung der Betreuung auf zwei Stunden monatlich (siehe Beispiel in der Vorbemerkung der Fragesteller ) – insbesondere vor dem Hintergrund der Aussage Dieter Scheeles in der öffentlichen Anhörung: „eine generelle Ausgestaltung so eines Instruments gibt es nicht. […] Das hängt wirklich vom Einzelfall ab, wieviel Coaching, wie viel Fortbildung. […] zwei Stunden in der Woche über die ganze Zeit, das ist sicherlich etwas Vernünftiges“ (Protokoll, öffentliche Anhörung, 5. November 2018, Seite 421)? Die Jobcenter haben in der Ermessensausübung Spielräume, um die bedarfsgerechte Förderleistung im Einzelfall festzulegen. Die Intensität des Coachings soll an die individuellen Bedarfe und die im Förderverlauf zunehmende Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses angepasst werden. Ohne Kenntnisse über die Umstände des genannten Einzelfalls kann nach Ansicht der Bundesregierung nicht automatisch von einem Widerspruch zwischen dem gewählten Beispiel und dem Anspruch an eine ganzheitliche, individuelle Ausrichtung des Coachings ausgegangen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/9875 15. Wie sollten nach Ansicht der Bundesregierung Behinderungen und psychische Erkrankungen bei der inhaltlichen Gestaltung des Coachings, der Bemessung des zeitlichen Umfangs und der Qualifikation der Coaches berücksichtigt werden, und in welcher Form werden diese Vorstellungen aktuell beim Coaching bzw. beim standardisierten Ausschreibungsverfahren berücksichtigt ? Ziel der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung ist es auch, die Teilnehmenden bei der Lösung von Problemlagen außerhalb der Beschäftigung zu unterstützen. Hierzu zählt u. a. die Hilfestellung bei der Inanspruchnahme von Leistungen anderer Träger, wie beispielsweise kommunaler Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II (Schuldner- und Suchtberatung, psychosoziale Betreuung , Kinderbetreuung, Pflege) oder Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII). Die standardisierte Leistungsbeschreibung für die Vergabe berücksichtigt die „Ganzheitlichkeit“ des Coachings. Die Jobcenter können auch eigene Vergabeunterlagen nutzen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 16. Wie kann nach Meinung der Bundesregierung ein individuelles ganzheitliches Coaching gelingen, wenn dessen Inhalte bereits vorab in der Zuweisung festgelegt werden statt in persönlichem Austausch zwischen Beschäftigtem und Coach erarbeitet werden? Die im Zuweisungsschreiben für die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung zunächst festgelegten Inhalte definieren die Ziele des Coachings. Wie diese erreicht werden, also welche konkreten Inhalte das Coaching zum Gegenstand hat, ist durch den Coach im Einzelfall und entsprechend des individuellen Bedarfs zu bestimmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 17. Wenn das Gesetz keine festgelegten formalen Qualifikationen für das Betreuungspersonal vorsieht (S. 16 Gesetzentwurf Teilhabechancengesetz), wie kann dann nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des standardisierten Ausschreibungsverfahrens die Eignung dieser Personen, insbesondere im Hinblick auf die Erfahrung in der Arbeit mit der Zielgruppe, garantiert werden? Die Umsetzung des Coachings liegt in der Verantwortung der Jobcenter vor Ort. Sie müssen in einem ersten Schritt entscheiden, ob sie das Coaching selbst durchführen oder einen Dritten damit beauftragen. Aus Sicht der Bundesregierung sollten die Jobcenter hier einen möglichst hohen Entscheidungsspielraum haben, sodass bewusst auf gesetzliche Vorgaben verzichtet wurde. Entscheidend ist die Eignungsbeurteilung der Jobcenter aufgrund der vorliegenden beruflichen Erfahrungen der Betreuungsperson. Dieses Vorgehen wird u. a. durch die Evaluation des ESF-Bundesprogrammes zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit gestützt. Hier zeigte sich, dass starke Regulierungen bezüglich der Ausführung und Umsetzung von Coachingmaßnahmen für den Personenkreis des SGB II nicht zielführend sind. Drucksache 19/9875 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 18. Warum wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Betreuung zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum (im vorliegenden Fall von zwei Jahren) zugewiesen , und in welcher Form wird nach Kenntnis der Bundesregierung die weitere Betreuung im Verlauf der fünfjährigen Förderung garantiert? Das den Fragestellern vorliegende Zuweisungsschreiben bezieht sich auf eine konkrete Einzelfallförderung. Generell entscheiden die Jobcenter nach pflichtgemäßem Ermessen über die Förderung. Hierbei haben sie die besonderen Erfordernisse des individuellen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Förderdauer eines begleitenden Coachings ist rechtlich nicht vorgeschrieben, sie kann nach § 16i SGB II bis zu fünf Jahre betragen. Grundsätzlich soll sie der Dauer der öffentlich geförderten Beschäftigung entsprechen, sofern das Coaching notwendig ist. 19. Ist der Abbruch des Coachings aufgrund persönlicher Probleme zwischen den Coaches und Beschäftigten nach Kenntnis der Bundesregierung eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II und wird entsprechend sanktioniert? Wenn ja, wie wird das begründet? Ob der Abbruch des Coachings aufgrund persönlicher Probleme zwischen Coach und Beschäftigtem eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II darstellt, ist im Einzelfall zu prüfen. Hierbei wird es entscheidend sein, ob die persönlichen Probleme als wichtiger Grund im Sinne des § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB II zu bewerten sind. In diesem Fall läge jedenfalls keine Pflichtverletzung vor. 20. Welche Konsequenzen können Sanktionen und/oder der Abbruch des Coachings nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Förderung des Arbeitsverhältnisses haben, und wie werden diese Konsequenzen begründet? Eine Sanktion gegenüber dem Leistungsberechtigten, die sich nicht darin begründet , dass das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund abgebrochen oder nicht angetreten wird, oder der Abbruch des Coachings haben keine Auswirkungen auf eine noch andauernde Förderung nach § 16i SGB II. Sollte jedoch der Abbruch des Coachings oder eine Verweigerung der Teilnahme am Coaching den Arbeitgeber dazu veranlassen, das Arbeitsverhältnis rechtmäßig zu kündigen, oder wird das Arbeitsverhältnis auf andere Weise beendet, wird auch die Förderung eingestellt . 21. In welcher Höhe und für welche Dauer greifen Sanktionen, wenn geförderte Beschäftigte das Arbeitsverhältnis und das damit zusammenhängende Coaching abbrechen, und wirken die Sanktionen parallel? Es gelten die allgemeinen Regelungen der Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen (§ 31a ff. SGB II). Die Höhe der Leistungsminderung ergibt sich danach daraus, ob es sich um eine erste oder um eine wiederholte Pflichtverletzung handelt. Die Dauer beträgt regelmäßig drei Monate. Eine parallele Sanktionierung des Abbruchs des Beschäftigungsverhältnisses und des Coachings ist nicht möglich. In diesem Fall ist eine Sanktion wegen Abbruch des Beschäftigungsverhältnisses zu prüfen. Die Zuweisung zum Coaching ist mit diesem Abbruch erledigt (§ 39 Absatz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) und auch die damit verbundene Teilnahmepflicht. Es fehlt somit an einer Rechtsgrundlage für eine weitere Sanktion . 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