Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 2. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9906 19. Wahlperiode 06.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9495 – Bau von Ferienwohnungen im Außenbereich V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r § 35 Absatz 1 Nummer 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) soll der Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe Rechnung tragen. Viele Betriebe nutzen die Möglichkeiten des § 35 Absatz 1 Nummer 1 BauGB, um sich zum Zwecke der Einkommensdiversifizierung ein weiteres Standbein aufzubauen oder ihre landwirtschaftlichen Gebäude für außerlandwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Einige von ihnen verfolgen dafür das Konzept von „Urlaub auf dem Bauernhof“. Vorteile bietet dieses Konzept nicht nur den landwirtschaftlichen Betrieben selbst, sondern auch der regionalen Infrastruktur und den ländlichen Räumen. Eine Umnutzung der nicht mehr benötigten Gebäude kann einen Leerstand mit einhergehendem Verfall verhindern. Für Familien ist nach Ansicht der Fragesteller „Urlaub auf dem Bauernhof“ besonders attraktiv, da ländliche Gegenden äußerst erholsame Bedingungen bieten und der Umgang mit Tieren und Pflanzen besonders für Kinder einen hohen pädagogischen Wert besitzt. Auf Grund der einschränkenden Regelungen des § 35 BauGB sind dem Ausbau mit zusätzlichen Betten und Wohnungen jedoch enge Grenzen gezogen. Auslegungsmöglichkeiten hinsichtlich des „untergeordneten Teils der Betriebsfläche“ führen nach Ansicht der Fragesteller zudem zu Unklarheiten und schwer kalkulierbaren Risiken, die einen Betriebsleiter oftmals vom Aufbau des zusätzlichen Standbeines abhält. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Landwirtschaftliche Betriebe nutzen bei der Erweiterung der landwirtschaftlichen Urproduktion verschiedene weitere Aktivitäten, wie die Erzeugung erneuerbarer Energien, Forstwirtschaft, Arbeiten für andere landwirtschaftliche Betriebe, die Verarbeitung und Direktvermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Pensions -, Reitsportpferdehaltung, den Fremdenverkehr, Beherbergung, Freizeitaktivitäten , Arbeiten außerhalb der Landwirtschaft oder die Be- und Verarbeitung von Holz, um die Wertschöpfung des landwirtschaftlichen Unternehmens zu steigern und zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9906 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Das Tourismus-Segment „Urlaub auf dem Bauernhof“, wird im Rahmen von offiziellen Statistiken der Landwirtschaft bzw. des Tourismus nicht explizit erfasst. Landwirtschaftliche Betriebe, im Haupt- und Nebenerwerb, die Übernachtungen bzw. Beherbergungen anbieten, werden dem sogenannten Agrotourismus im engeren Sinne zugeordnet. Ein fest definiertes Konzept „Urlaub auf dem Bauernhof “ existiert hingegen nicht. 1. Welchen Beitrag leistet „Urlaub auf dem Bauernhof“ nach Schätzungen der Bundesregierung an den Gesamteinkünften von Steuerpflichtigen mit landwirtschaftlichen Einkommen? a) Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die landwirtschaftlichen Einkünfte durch „Urlaub auf dem Bauernhof“ in der Vergangenheit entwickelt (bitte um die letzten 30 Jahre darstellen)? Nach der Einkommensteuerstatistik erzielten im letzten ausgewerteten Berichtsjahr (2014) 514 392 Steuerpflichtige rd. 10,298 Mrd. Euro Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft. Angaben zu den Gesamteinkünften dieser Steuerpflichtigen oder eine Aufgliederung der Gesamteinkünfte dieser Steuerpflichtigen enthält die Einkommensteuerstatistik nicht. Aus dem Testbetriebsnetz Landwirtschaft des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft liegen zwar keine Daten zu Einkünften aus „Urlaub auf dem Bauernhof“ vor, jedoch Angaben zu Umsatzerlösen aus Fremdenverkehr, wenn diese Umsätze im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs erzielt wurden . Diese Umsätze machen jedoch im Durchschnitt aller Rechts- und Bewirtschaftungsformen weniger als 0,1 Prozent der Umsatzerlöse aus. Dieser niedrige Anteil ist dadurch bedingt, dass Einkünfte aus rechtlich selbständigen Gewerbebetrieben hier nicht erfasst werden. b) Wie viele landwirtschaftliche Betriebe und Eigentümer von Gehöften bieten nach Kenntnis der Bundesregierung „Urlaub auf dem Bauernhof“ im Außenbereich an (bitte nach Landkreis oder Bundesland und Betriebsform oder Eigentumsform aufschlüsseln)? Es liegen keine statistischen Angaben vor, insbesondere nicht für Angebote im Außenbereich. 2. Welchen Anteil an der regionalen Wertschöpfung hat „Urlaub auf dem Bauernhof “ nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Landkreisen aufschlüsseln )? Welche Regionen profitieren nach Kenntnis der Bundesregierung besonders durch „Urlaub auf dem Bauernhof“ (bitte nach Landkreisen aufschlüsseln)? Aus der Antwort zu Frage 1 wird bereits deutlich, dass quantitative Angaben zum Anteil an der regionalen Wertschöpfung, der auf „Urlaub auf dem Bauernhof“ entfällt, nicht ermittelt werden können. Auf Kreisebene werden Anteile der Wirtschaftszweige an der Wertschöpfung nur für aggregierte Wirtschaftssektoren ermittelt . Für die Studie „Urlaub auf dem Bauernhof – Analyse der Ist-Situation und des Marktpotentials im Agrotourismus“ erfolgte auch eine Auswertung von Internet- Portalen um das Angebotsvolumen abzuschätzen. Demnach befinden sich Anbieter von Agrotourismus, wovon Urlaub auf dem Bauernhof nur eine Teilmenge Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9906 darstellt, hauptsächlich in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Siehe hierzu www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/ LaendlicheRaeume/StudieAgrotourismus.pdf?__blob=publicationFile. 3. Wie interpretiert die Bundesregierung das Kriterium „untergeordneter oder übergeordneter Teil“ hinsichtlich des Konzeptes „Urlaub auf dem Bauernhof “? 4. Hält die Bundesregierung es unter Berücksichtigung des Strukturwandels in der Landwirtschaft für sinnvoll, dass das Vorhaben gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 1 BauGB nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen darf? Hält die Bundesregierung es für möglich, zukünftig Ausnahmeregelungen für kleinstrukturierte landwirtschaftliche Betriebe einzurichten, sodass das Vorhaben mehr als nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen darf? 5. Welche Kriterien müssen nach Definition der Bundesregierung erfüllt sein, damit Ferienwohnungen einem landwirtschaftlichen Betrieb gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 1 BauGB dienen? 7. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „räumlicher Zusammenhang “ gemäß § 35 Absatz 4 Nummer 1f BauGB hinsichtlich der Umnutzung von Gebäuden, die sich in der Nähe einer Hofstelle befinden? Hält die Bundesregierung die einheitliche Einschränkung für alle Hofstrukturen ausnahmslos in diesem Zusammenhang für sinnvoll? 8. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die aktuellen Regelungen des § 35 BauGB in Bezug auf Ferienwohnungen der Entwicklung landwirtschaftlicher Höfe gerecht werden? 10. Hält es die Bundesregierung grundsätzlich für möglich, auf Grundlage des § 35 BauGB auch andere Formen von Fremdenzimmern zu errichten, beispielsweise Pensionen, kleine Hotels, Hostels oder Jugendherbergen? Hält die Bundesregierung es für notwendig, dass auch solche Formen von Fremdenzimmern errichtet werden können, um beispielsweise Schulklassen eine Klassenfahrt auf einen Bauernhof zu ermöglichen? 11. Welche anderen Normen als die Vorschriften aus dem Baugesetzbuch sind aus der Sicht der Bundesregierung bei der Errichtung von Ferienwohnungen zu berücksichtigen? Die Fragen 3, 4, 5, 7, 8, 10 und 11 werden aufgrund ihres sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine Änderung des § 35 BauGB im Hinblick auf „Urlaub auf dem Bauernhof“ derzeit nicht angezeigt ist. Die in § 35 des Baugesetzbuches genannten Tatbestände stellen Ausnahmen von dem Grundsatz dar, dass bauliche Vorhaben auf der Grundlage einer planerischen Entscheidung der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft errichtet werden sollen. Die kommunale Planungshoheit dient unter anderem dazu, eine geordnete städtebauliche Entwicklung unter einem angemessenen Ausgleich aller betroffenen Belange sicher zu stellen. Der Außenbereich soll dagegen grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden. Dies macht es erforderlich, dass der Gesetzgeber die Vorschriften über die ausnahmeweise Zulässigkeit baulicher Vorhaben im Außenbereich restriktiv gestaltet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9906 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bundesregierung hält es weiterhin für sinnvoll, dass Vorhaben gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 1 BauGB nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen dürfen. Ein angemessener Außenbereichsschutz lässt sich grundsätzlich nur gewährleisten, wenn darüberhinausgehende Vorhaben im Allgemeinen auf einer planerischen Entscheidung der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft beruhen. Die baulichen Vorhaben müssen von der Art der Nutzung und dem konkreten Standort im Einzelfall u. a. sämtliche einschlägigen Vorschriften des jeweiligen Bauordnungsrechts der Länder sowie des Umweltrechts einhalten. Es wird darauf hingewiesen, dass der Bund für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Bauplanungsrechts und des Städtebaurechts zuständig ist. Die Ausführung des Bauplanungsrechts obliegt nach der Aufgabenverteilung des Grundgesetzes grundsätzlich den Ländern und Gemeinden. Im Streitfall haben die Gerichte zu entscheiden. 6. Wie interpretiert die Bundesregierung das Kriterium „Teilnahme der Besucher am Hofleben“ hinsichtlich des Konzeptes „Urlaub auf dem Bauernhof“? Insbesondere für Familien mit Kindern dürfte die Möglichkeit der Teilnahme am Hofleben und der Kontakt mit gehaltenen Nutztieren eine wichtige Motivation für Urlaub auf dem Bauernhof sein. Ein definiertes Konzept für „Urlaub auf dem Bauernhof“ mit entsprechenden Kriterien existiert hingegen nicht. 9. Wie schätzt die Bundesregierung die zukünftige Entwicklung des Konzepts „Urlaub auf dem Bauernhof“ ein? Anbieterseitig befindet sich der Agrotourismus – auch angesichts der touristischen Wettbewerbsschwäche des ländlichen Raums und einer insgesamt rückläufigen Zahl landwirtschaftlicher Betriebe – spätestens seit der Jahrtausendwende in einem Umbruch hin zur Phase eines Post- bzw. Qualitätswachstums. Damit verbunden ist eine Zweiteilung des Marktes in wenig marktaktive Kleinstanbieter und zunehmende Spezialisten sowie Qualitätsanbieter. Durchschnittliche Anbieter müssen sich stärker touristisch professionalisieren, um dauerhaft erfolgreich zu sein. 12. Hält die Bundesregierung die derzeitige Grenze von 25 Betten bei der Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) für hinreichend? a) Beabsichtigt die Bundesregierung, die GAK-Förderungen in Bezug auf die Bettenobergrenze an die durch den Strukturwandel bedingten neuen Herausforderungen anzupassen? b) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung diese Haltung? Im Zeitraum von 2011 bis 2013 hat knapp die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe (130 400) an Förderprogrammen für die ländliche Entwicklung teilgenommen . Darunter waren lediglich 700 Betriebe, die Projekte im Bereich Diversifizierung beantragt haben. Das entspricht einem Anteil von 0,5 Prozent an der Gesamtzahl der geförderten Betriebe. Hierbei ist zu beachten, dass Förderungen im Bereich Tourismus und Fremdenverkehr nicht gesondert erfasst wurden. Gleichzeitig variiert die Zusammensetzung der Finanzierung für tourismusspezifische Vorhaben unter den Programmregionen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9906 Die Bundesregierung prüft, gemeinsam mit den Fachreferenten der Länder für die einzelbetriebliche Investitionsförderung, in wie weit die derzeitige Förderung von Investitionen zur Diversifizierung im Rahmen der GAK und damit auch der Investitionen im Bereich „Urlaub auf dem Bauernhof“ eine Anpassung benötigt. 13. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” insofern anzupassen, dass neben Betrieben, die neu in das Geschäft der Ferienwohnungen einsteigen, auch Betriebe gefördert werden, die ihr touristisches Angebot erweitern möchten? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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