BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1001 21. Wahlperiode 14.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 07.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Rabes große Mathematikoffensive – Große Worte aber wenig dahinter? Wann kommt die vierte Mathestunde wirklich? Länderübergreifende Vergleiche, wie beispielsweise die Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) und die schulbehördlichen Lernstandserhebungen, haben immer wieder belegt, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler im Fach Mathematik relativ schlecht abschneiden. Als Reaktion hierauf ließ sich Schulsenator Thies Rabe im Herbst vergangenen Jahres dazu hinreißen, eine Unterrichtsverbesserung im Fach Mathematik zu versprechen, im Mai dieses Jahres wurde dieser Plan konkretisiert (http://www.welt.de/regionales/hamburg/article141604476/HamburgsSchueler -sollen-besser-in-Mathe-werden.html). Rabes Zusage folgend, sollen die fünften bis zehnten Klassen sowohl der Stadteilschulen als auch der Gymnasien zukünftig in den Genuss von mindestens vier Mathestunden pro Woche kommen, die in den fünften und sechsten Klassen vorzugsweise und in den Klassen 7 bis 10 verpflichtend von Lehrerinnen und Lehrern erteilt werden sollen, die das Fach tatsächlich studiert haben (Fachlehrer). Der Startschuss für diese „Matheoffensive“ sollte, jedenfalls für die Erhöhung der Stundenzahl und der Erteilung des Unterrichts durch Fachlehrer in den siebten – zehnten Klassen, nach Ankündigung des Schulsenators im Schuljahr 2015/2016 fallen. Nunmehr hört man allerdings aus Schulkreisen, dass dies nicht der Fall sein wird, sondern dass man sich bei dem Beginn der verpflichtenden Umsetzung der Pläne noch bis 2017/2018 gedulden müsse. Damit wären vermutlich zugleich auch die weiteren, von Rabe vollmundig angekündigten Qualitätsverbesserungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Steigerung der Qualifikation der Lehrkräfte durch bessere Fortbildungen und engere Kooperation der Mathematiklehrer untereinander, die Einrichtung von Mathematik-Fachleitungen an jeder Schule und die Organisation von zwei Landesfachkonferenzen pro Schuljahr, (mal wieder) auf die lange Bank geschoben. Wie es danach gelingen soll, dass bis Ende 2017 Erfolge erzielt und die Schüler sinnvoll für das dann anstehende Zentralabitur mit gemeinsamen Aufgabenpool aller Bundesländer vorbereitet sind, wie vom Schulsenator angekündigt, ist schlichtweg nicht vorstellbar. Zudem stellt sich die Frage , wo die zusätzliche Mathematikstunde pro Woche in den Stundentafeln untergebracht werden soll und bei welchen Fächern dafür Abstriche in Kauf genommen werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Qualitätsentwicklung des Mathematikunterrichts ist ein umfangreiches und langjähriges Vorhaben, für das der Senat bereits vor dem offiziellen Startschuss Maßnahmen ergriffen hat. Dazu gehört die Weiterentwicklung der Aufgabenkultur, die Förde- Drucksache 21/1001 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rung selbstständigen und selbstverantworteten Lernens, die gezielte Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lernschwächen sowie die Förderung mathematisch besonders Begabter, die regionale und hamburgweite Vernetzung von Mathematiklehrkräften und die Erprobung neuer Konzepte der Lehrerfortbildung. So wurden aufgrund einer Expertise zu wirksamer Lehrerfortbildung bereits vor zwei Jahren Begleiterinnen und Begleiter für schulische Unterrichtsentwicklungsprozesse im Bereich Mathematik in Zusammenarbeit mit dem deutschen Zentrum für Lehrerbildung Mathematik (DZLM) in Berlin ausgebildet und im laufenden Schuljahr die externe Begleitung von Schulen mit besonderem Handlungsbedarf erprobt. Über die vierte Mathematikstunde hinaus sind nun weitere umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Dazu gehören nicht nur die Senkung des fachfremd erteilten Mathematikunterrichts und die Stärkung der Fachleitungen, sondern auch die Entwicklung von beispielgebenden Klassenarbeiten sowie die Entwicklung von Handreichungen zur Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts. Die Einführung der vierten Mathematikstunde erfordert in einigen Schulen einen Schulkonferenzbeschluss einer neuen schulischen Stundentafel. Dies ist erst im Schuljahr 2015/2016 möglich. Die Umsetzung der Vorgabe zum Einsatz von Fachlehrkräften benötigt eine Übergangszeit , um einen einvernehmlichen Ausgleichsprozess zu ermöglichen und Zwangsversetzungen von Lehrkräften zu vermeiden. In Schulen, die bereits jetzt über eine ausreichende Zahl von Mathematik-Lehrkräften verfügen, werden die Fachlehrkräfte bereits im nächsten Schuljahr verbindlich für den Mathematikunterricht eingesetzt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ab wann greift die sogenannte Mathematikoffensive an Hamburgs Schulen tatsächlich, das heißt ab welchem Zeitpunkt werden die Stundentafeln der Zusage folgend angepasst und eine zusätzliche, vierte Mathestunde verpflichtend a) an den Stadtteilschulen und b) an den Gymnasien erteilt? Die Einführung der vierten Mathematikstunde in den Stadtteilschulen und Gymnasien wird verpflichtend spätestens zum Beginn des Schuljahres 2016/2017 erfolgen. Die Schulen sind aufgefordert, bereits im kommenden Schuljahr 2015/2016 dort, wo es möglich ist, die vierte Mathematikstunde einzuführen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 2. Findet die Einführung der zusätzlichen, vierten Mathestunde, den Plänen des Schulsenators folgend, gleichzeitig an Gymnasien und Stadtteilschulen statt? Falls nein, mit welcher Begründung? Ja. 3. Wie soll die zusätzliche, vierte Mathestunde in die Stundentafeln eingefügt werden, bei welchen Fächern werden zugunsten dieser Stunde Abstriche gemacht und warum? Bitte für STS und Gymnasium und für die jeweiligen Klassenstufen 5 – 10 gesondert ausweisen. Die vierte Mathematikstunde wird aus dem Stundenkontingent des Gestaltungsraums genommen. Über die konkrete Verteilung entscheiden die Schulen selbstständig. 4. Welchem Zweck dient die zusätzliche vierte Mathestunde: Geht es darum, mehr mathematische Inhalte zu vermitteln oder aber darum, mehr Zeit für die Vermittlung des bisherigen Stoffes zur Verfügung zu haben? Mit der Einführung der vierten Mathematikstunde steht den Schülerinnen und Schülern mehr Lernzeit für den Erwerb der in den Bildungsplänen verbindlich vorgesehenen mathematischen Kompetenzen zur Verfügung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1001 3 5. Wird danach neben der personellen und strukturellen Verbesserung gegebenenfalls auch an der inhaltlichen Verbesserung der Rahmen- und Bildungspläne Mathematik gearbeitet und wenn ja, wie sieht diese Verbesserung aus? Wenn nein, warum nicht? Die Rahmenpläne Mathematik für die Sekundarstufe I beinhalten die KMK-Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (jetzt: ersten allgemeinbildenden Schulabschluss ) und den mittleren Schulabschluss. Sie weisen sowohl allgemeine mathematische Anforderungen als auch inhaltsbezogene Anforderungen detailliert aus. Die Überlegungen der zuständigen Behörde sind noch nicht abgeschlossen. 6. Auf welche personellen Ressourcen plant der Schulsenator zur Umsetzung seiner „Fachlehreroffensive“ zurückzugreifen, sind diese bereits ganz und zu welchen Teilen an den Hamburger Schulen tätig und unterrichten derzeit zum Teil fachfremd oder müssen sie zusätzlich eingestellt werden? 7. Sofern Neueinstellungen von Fachlehrern notwendig sind: Wie viele zusätzliche Fachlehrer werden zu welchem Zeitpunkt, das heißt kurz-, mittel- und langfristig benötigt, um den Mehrbedarf abzudecken und sind diese zusätzlich benötigten Fachlehrkräfte am Arbeitsmarkt abrufbar? Falls nein, wie soll dieses Problem nach den Plänen der Schulbehörde gelöst werden? Die Zahl der den Hamburger Schulen zur Verfügung stehenden Mathematiklehrkräfte ist insgesamt ausreichend. 8. Auf welche personellen Ressourcen plant der Schulsenator zurückzugreifen , um an jeder Schule eine Mathematik-Fachleitung einzuführen, sind diese bereits (jedenfalls zum Teil und wenn ja, zu welchem?) an den Hamburger Schulen tätig oder müssen sie zusätzlich eingestellt werden? An allen Hamburger Schulen sind bereits Fachleitungen Mathematik tätig. Ein Ziel der Mathematikoffensive ist es, ihre Rolle an den Schulen zu stärken und den Einsatz von Fachlehrkräften Mathematik im Unterricht sicherzustellen. 9. Welche besonderen Qualifikationsmerkmale gelten für die zukünftigen Mathematik-Fachleitungen an den Hamburger Schulen? Fachleitungen Mathematik haben für das Fach Mathematik einen Studienabschluss und sind Mathematik-Lehrkräfte an Schulen, die sich durch die Kompetenz zur Initiierung und Umsetzung von Unterrichtsentwicklungsprozessen in Schulen auszeichnen. Dabei sind insbesondere ihre fachliche und fachdidaktische Expertise sowie ihre Fähigkeit zur Steuerung kollegialer Zusammenarbeit bedeutsam. 10. Welche zusätzlichen finanziellen Ressourcen sind notwendig, um die „Mathematikoffensive“ planmäßig umzusetzen und wie setzen sich diese zusammen? Bitte aufschlüsseln nach Zeitpunkt des Kostenanfalls (Schuljahr), Personalkosten Fachlehrer, Personalkosten Fachleitung, Verwaltung, Organisation, Austausch, Fortbildungskosten, Kosten für Landesfachkonferenzen et cetera. Für Fachlehrkräfte, Fachleitungen, Verwaltung, Organisation und Austausch fallen keine zusätzlichen Kosten an. Die Durchführung von Landesfachkonferenzen im Fach Mathematik in den Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien wird durch Umschichtung von Ressourcen in Höhe von 0,19 Lehrerstelle pro Schuljahr auf Dauer finanziert. Für zusätzliche Fortbildungen und die Erstellung von Handreichungen stehen für den Bereich der weiterführenden Schulen bis auf weiteres 2,3 Lehrerstellen zur Verfügung. Für das Schuljahr 2015/2016 ist zur Finanzierung von Fortbildnerinnen und Fortbildnern für die Qualifizierungsmaßnahme Grundschule ein Stellenanteil von 0,9 Lehrerstelle vorgesehen, für die folgenden Jahre sind 1,3 Lehrerstellen eingeplant. Die genannten Stellenanteile werden durch Umschichtung finanziert. Drucksache 21/1001 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. An welchem Vorbild orientiert sich die „Mathematikoffensive“ des Schulsenators und wie wird in den Bundesländern, die traditionell gut in Mathematik abschneiden, die Qualität des Mathematikunterrichts sichergestellt ? Bitte synoptische Gegenüberstellung. Es gibt kein Vorbild für die Hamburger Mathematikoffensive. Die Maßnahmen wurden auf der Grundlage eines Expertengesprächs mit namhaften Wissenschaftlern der empirischen Unterrichtsforschung und der Mathematikdidaktik unter Berücksichtigung der Qualitätssicherungsverfahren anderer Länder entwickelt. Im Übrigen handelt es sich bei den erfragten Daten in den übrigen Ländern um Angelegenheiten , die gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Senats und damit des parlamentarischen Fragerechts nach Artikel 25 HV liegen (Hamburgisches Verfassungsgericht , Urt. v. 06.11.2013 – HVerfG 6/12 –, juris Rn. 68). 12. Inwiefern wurde bei der Entscheidung, zunächst den siebten – zehnten Klassen den Fachlehrerunterricht verbindlich zu gewährleisten und mit den fünften und sechsten Klassen erst später nachzuziehen, berücksichtigt , dass gerade eine solide Grundlagenvermittlung in den niedrigen Klassen die Basis für späteres Mathematikverständnis darstellt? Aus welchen Gründen wurde gegebenenfalls dennoch entschieden, mit den siebten – zehnten Klassen zu starten? Siehe Vorbemerkung. Die Entscheidung, zunächst in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 den Mathematikunterricht durch Fachlehrkräfte verbindlich zu gewährleisten, erfolgte mit Blick auf die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die ab Jahrgangsstufe 9 anstehenden Abschlussprüfungen. 13. In der Prüfung zum mittleren Schulabschluss (MSA) im Fach Mathematik konnten von der Prüfungsleitung und den Fachprüfern der jeweiligen Schule bisher drei Aufgabenbereiche aus dem Aufgabenbereich II-V gewählt werden. Warum wird diese Wahlmöglichkeit in der MSA-Prüfung 2016 abgeschafft, obwohl die vierte Mathestunde regelhaft bis dahin nicht an allen Schulen erteilt wird und damit nicht verlässlich davon auszugehen ist, dass ausreichend Zeit zur fundierten Vermittlung sämtlichen prüfungsrelevanten Stoffes gegeben ist? Gemäß § 36 Absatz 3 Ziffer 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy) haben die Schulen ihre schuleigenen Stundentafeln grundsätzlich so zu gestalten, dass die Erfüllung der in den Bildungsplänen niedergelegten Anforderungen sichergestellt wird. Im Übrigen siehe Drs. 21/928. 14. Das Streichen dieser Wahlmöglichkeit der Prüfungsleitung und der Fachprüfer Mathematik benachteiligt Schülerinnen und Schüler und Schulen mit häufigem Unterrichtsausfall im Fach Mathematik gegenüber solchen, an denen kein oder weniger Mathematikunterricht ausfällt und kann so unter anderem auch den Übergang in die gymnasiale Oberstufe erschweren. Gilt diese neue Regelung auch bei den sogenannten schriftlichen Überprüfungen in den zehnten Klassen der Gymnasien? Falls nein, warum nicht? Auch in den schriftlichen Überprüfungen in den zehnten Klassen der Gymnasien gibt es ab dem Schuljahr 2015/2016 für die Prüfungsleitungen keine Wahlmöglichkeiten mehr. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 13.