BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10026 21. Wahlperiode 11.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 04.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Werden die Plätze in Hamburgs überfüllten Justizvollzugsanstalten immer knapper? Wie die Antworten des Senats auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen, zuletzt Drs. 21/7749, 21/8768, 21/9059 und 21/9773, zeigen, sind die Kapazitäten in Hamburgs Justizvollzugsanstalten seit Längerem überwiegend erschöpft. Saßen am 1. April 2015 noch 1.549 Menschen in Haft, so waren es am 1. April 2016 bereits 1.723, am 1. April 2017 1.877 und am 12. Juli 2017 sogar 1.900 Personen; dies ist ein Zuwachs von rund 22 Prozent in zwei Jahren. Trotzdem behauptete die Justizbehörde im April 2017 noch weiterhin steif und fest, es handele sich um saisonale Schwankungen. Obwohl sogar stillgelegte Bereiche reaktiviert wurden, um weitere Haftplatzkapazitäten zu schaffen, werden seit Monaten Ersatzfreiheitsstrafler gemeinsam mit Langstraflern in der JVA Fuhlsbüttel oder in der Sozialtherapeutischen Anstalt untergebracht, weil es keinen anderen Platz mehr für sie gibt. Im Vorfeld des G20-Gipfels wurden 65 Insassen vorübergehend in Justizvollzugsanstalten anderer Bundesländer untergebracht. Nach Angaben des Senats in der Drs. 21/9534 war vereinbart, dass die Haftplätze bis längstens 21. Juli 2017 zur Verfügung gestellt werden. Damit dürfte es in Hamburgs Gefängnissen nach der Rückkehr der zwischenzeitlich auswärtig untergebrachten Insassen noch enger werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie stellten sich Belegungsfähigkeit und tatsächliche Belegung in den einzelnen Justizvollzugsanstalten und der sozialtherapeutischen Anstalt zum 31. Juli 2017 dar? Bitte pro Justizvollzugsanstalt und getrennt nach Männer- und Frauenvollzug, Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung angeben. Stichtag: 31.07.2017 Anstalten Festgesetzte Belegungs - fähigkeit Tatsächliche Belegungs - fähigkeit Belegung (Gefg.- Bestand) ** Davon Untersuchungs - haft Davon Freiheitsstrafe Davon Jugendstrafe Davon Ersatzfreiheits - strafe Davon Sicherungsverwahrung * BW Frauen 100 100 61 24 35 0 2 0 * BW Männer 673 673 669 228 424 0 22 0 * FB 326 326 308 0 282 0 8 22 * GM Frauen 19 19 16 0 15 0 0 0 Drucksache 21/10026 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Stichtag: 31.07.2017 Anstalten Festgesetzte Belegungs - fähigkeit Tatsächliche Belegungs - fähigkeit Belegung (Gefg.- Bestand) ** Davon Untersuchungs - haft Davon Freiheitsstrafe Davon Jugendstrafe Davon Ersatzfreiheits - strafe Davon Sicherungsverwahrung * GM Männer 190 190 198 0 182 0 2 0 * HS 196 196 146 80 0 57 0 0 * SH 181 181 174 4 158 0 32 4 * UH Frauen 10 10 14 3 5 0 0 0 * UH Männer 413 316 339 270 47 0 26 0 * BW = Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder (geschlossener Vollzug), FB= JVA Fuhlsbüttel (geschlossener Vollzug), GM=JVA Glasmoor (offener Vollzug), HS OV= JVA Hahnöfersand (offener Vollzug), HS= JVA Hahnöfersand (geschlossener Vollzug), SH= Sozialtherapeutische Anstalt Hamburg (geschlossener Vollzug), UH=Untersuchungshaftanstalt (geschlossener Vollzug) ** Der Gefangenenbestand (Belegung) beinhaltet auch andere Haftarten sowie freigestellte und vorübergehend abwesende Insassen. Deshalb kann die Belegung im Einzelfall die tatsächliche Belegungsfähigkeit überschreiten. Des Weiteren ergeben die Haftarten Untersuchungshaft , Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung in der Tabelle bei den einzelnen Anstalten in der Addition nicht die Summe der Gesamtinhaftierten (Belegung/Gefg. Bestand). Zum einen werden bestimmte Haftarten wie Auslieferungshaft , Übersteller oder Polizeihaft in den „Davon-Spalten“ nicht dargestellt. Zum anderen ist in der statistischen Erfassung die Ersatzfreiheitsstrafe im Gefangenenbestand eine „Darunter-Größe“ und zahlenmäßig bereits bei den Freiheitsstrafen enthalten. Es erfolgt keine Differenzrechnung, die Ersatzfreiheitsstrafe wird also nicht in Abzug gebracht. Das bedeutet, dass die Ersatzfreiheitsstrafe in der vorliegenden Übersicht doppelt erfasst ist – einmal in einer eigenen Spalte und einmal als Teil der Spalte „Davon Freiheitsstrafe“. 2. Sind zwischenzeitlich alle Rückverlegungen der Insassen, die wegen des G20-Gipfels in Justizvollzugsanstalten anderer Bundesländer verlegt wurden, erfolgt? Falls nein, wie viele Insassen befinden sich noch aus welchen Gründen in jeweils welchen Justizvollzugsanstalten anderer Bundesländer? Ja. 3. Ist gewährleistet, dass noch ausreichend Haftplätze in Hamburgs Justizvollzugsanstalten vorhanden sind, um Untersuchungshaft-, Straf- und Ersatzfreiheitsstrafgefangene aufzunehmen? Falls nein, weshalb nicht und welche Maßnahmen ergreift die zuständige Behörde, um kurzfristig weitere Kapazitäten zu schaffen? Ja. 4. Im Dezember 2012 unterzeichnete die damalige Justizsenatorin die Tilgungsverordnung , mit der die Möglichkeit erleichtert wurde, Geldstrafen durch gemeinnützige Arbeit abzuarbeiten. Statt einen Tag im Gefängnis zu verbringen, kann der Täter seitdem fünf Stunden gemeinnützig arbeiten . In nachgewiesenen Härtefällen (zum Beispiel bei Alleinerziehenden, körperlicher Behinderung, langfristigen Erkrankungen, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Bildungs- oder Eingliederungsmaßnahmen) genügen drei Stunden gemeinnützige Arbeit. a. Wie hat sich die Anzahl der Geldstrafen und Tagessätze, die ganz oder teilweise durch gemeinnützige Arbeit getilgt wurden, seit dem Jahre 2013 jährlich entwickelt? Jahr Eingangszahlen* Davon ganz oder teilweise geleistet Anzahl getilgte Tagessätze 2013 1.640 603 22.606 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10026 3 Jahr Eingangszahlen* Davon ganz oder teilweise geleistet Anzahl getilgte Tagessätze 2014 1.458 602 21.407 2015 1.532 631 22.592 2016 1.067 477 18.455 Stand: 30.6.2017 576 168 8.076 * Bei den Eingangszahlen sind alle Auftragsarten enthalten. b. Wie hat sich die Abbruchquote seit dem Jahre 2013 jährlich entwickelt ? Jahr Abbruchquote wegen Ratenzahlung in % Abbruchquote/Keine GA geleistet in % 2013 12,76 30,42 2014 14,10 30,44 2015 12,41 29,93 2016 11,94 27,27 Stand: 30.6.2017 17,64 29,66 c. Wie hat sich die Anzahl der Anträge nach der Tilgungsverordnung seit dem Jahre 2013 jährlich entwickelt? Wie vielen Anträgen wurde jeweils stattgegeben? Ein Antrag ist nicht erforderlich. Zahlt der zu einer Geldstrafe Verurteilte diese nicht, so wird die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) angeordnet. Der Ladung zum Strafantritt der EFS ist ein Merkblatt beigefügt, in welchem auf die Möglichkeit hingewiesen wird, die Vollstreckung der EFS durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Der Verurteilte wendet sich in diesen Fällen an das Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe , vereinbart dort einen Beratungstermin und lässt sich einen Arbeitsplatz zuweisen, nachdem die Staatsanwaltschaft informiert wurde und eventuell Zuweisungsbeschränkungen ausgesprochen hat. Es wird daher regelmäßig kein förmlicher Antrag gestellt (dies kommt nur in wenigen Fällen vor, wenn sich der Verurteilte direkt an die Staatsanwaltschaft wendet); die Beifügung des Merkblatts stellt quasi eine konkludente Bewilligung dar. Aus diesem Grund und weil die Abwendung der ESF durch gemeinnützige Arbeit bereits jetzt grundsätzlich jedem zu einer Geldstrafe Verurteilten offensteht, werden auch keine Anträge abgelehnt. d. Wie beurteilt die zuständige Behörde insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an Ersatzfreiheitsstraflern und der engen Haftplatzkapazitäten das Projekt? Ist eine Ausweitung geplant? Falls nein, weshalb nicht? Bei der Vermeidung der Vollstreckung einer Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit handelt es sich nicht um ein Projekt. Die Aufgabe Gemeinnützige Arbeit (GA) wird in Hamburg vielmehr vom Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe (SG) im Bezirksamt Eimsbüttel wahrgenommen. Um das Instrument der Tilgung durch Leistung gemeinnütziger Arbeit wirksamer werden zu lassen, die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen öfter zu vermeiden und damit zugleich den Strafvollzug zu entlasten, hat die Justizbehörde unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft und des Fachamtes Straffälligen- und Gerichtshilfe die Tilgungsverordnung überarbeitet. Aus fachlicher Sicht wird das Instrument, die Vollstreckung einer Geldstrafe beziehungsweise die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen öfter zu vermeiden, als sehr positiv bewertet. Damit können die materiellen und sozialen Folgekosten, die mit einer Inhaftierung einhergehen (zum Beispiel der Verlust der Wohnung, des Arbeitsplatzes, Kosten der Inhaftierung), vermieden werden. Die Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit steht grundsätzlich jedem zu einer Geldstrafe Verurteilten offen. Erforderlichenfalls wird das Programm bedarfsgerecht angepasst. Drucksache 21/10026 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 5. Nach Angaben des Senats in der Drs. 21/1802 sollen die Sanierungsund Modernisierungsarbeiten im B-Flügel der Untersuchungshaftanstalt, die zum temporären Wegfall von 123 Haftplätzen führen, im Jahre 2018 abgeschlossen sein. a. Liegen die Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten im Zeitplan? Falls nein, weshalb nicht und zu welchen Verzögerungen kommt es? b. Wann wird der B-Flügel in der Untersuchungshaftanstalt voraussichtlich wieder in Betrieb genommen? Gemäß den aktualisierten Planungen soll der B-Flügel im März 2018 in Betrieb genommen werden. Gründe hierfür sind insbesondere die komplette Einstellung des Baustellenbetriebs in den Wochen des OSZE-Ministerratstreffens und des G20- Gipfels durch die örtliche Nähe zu den Messehallen, eine Verzögerung bei der Lieferung der Gefängnisschlösser sowie witterungsbedingte Verzögerungen. c. Stehen dann der UHA 123 Haftplätze mehr zur Verfügung? Falls nein, aus welchem Grund nicht und wie viele dann? Im Zuge der Grundsanierung des B-Flügels wurden von den ursprünglich 108 Haftplätzen insgesamt 15 Haftplätze entwidmet, um Pantrys zu vergrößern, zusätzliche Duschen zu errichten und zusätzlich benötigte Wirtschafts- und andere Nebenräume zu schaffen. Haftplätze, die in anderen Haftbereichen für die Dauer der Sanierungsarbeiten im B-Flügel entwidmet wurden, werden sukzessive wieder in Betrieb genommen werden.