BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10035 21. Wahlperiode 05.09.17 Große Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann, Stephan Jersch, Norbert Hackbusch, Deniz Celik, Sabine Boeddinghaus, Martin Dolzer, Zaklin Nastic, Cansu Özdemir, Christiane Schneider, Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 08.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Einführung emissionsfreier Busse Der Senat plant, ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse zu beschaffen. War zunächst der Wasserstoffantrieb augenscheinlich das bevorzugte Antriebskonzept (die Planungen des neuen Busbetriebshofes „Gleisdreieck“ waren hierfür ausgelegt), so scheinen im Moment Busse bevorzugt zu werden, die nachts auf den Betriebshöfen geladen werden. Einige mögliche Systeme, wie der klassische Oberleitungsbus (in größerem Umfang in Betrieb zum Beispiel in Solingen, Zürich und Moskau) oder Hybrid -Oberleitungsbus beziehungsweise In-Motion-Charger (geplante Einführung unter anderem in Amsterdam), wurden vor der anstehenden Systementscheidung nicht oder nicht ausreichend betrachtet. Insbesondere die beiden letztgenannten Systeme böten zusätzlichen Nutzen durch die Bereitstellung einer Leitungsinfrastruktur für andere Systeme der Elektromobilität, wie zum Beispiel Ladestationen für Elektroautos. Im Rahmen des „Nationalen Forums Diesel“ am 2. August 2017 wurde von einigen Ministerpräsidenten/-innen (darunter auch der Erste Bürgermeister Hamburgs) und den relevanten Bundesministerien eine Erklärung verabschiedet , in der auch Fördermaßnahmen zugunsten des elektrischen Busverkehr im Rahmen eines mit 500 Millionen Euro dotierten Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ vorgesehen sind. Dies voraus geschickt fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) wie folgt: Zu den bisher von VHH und HOCHBAHN beschafften Bussen mit elektrischem Antrieb: 1. Was haben die verschiedenen innovativen Busse von HOCHBAHN und VHH jeweils gekostet? Die bis zum heutigen Tage bereits beschafften innovativen Busse sind Prototypen. Die Kosten für diese Fahrzeuge lassen keinerlei Rückschlüsse auf die zu erwartenden Kosten für die zukünftige Beschaffung von Serienfahrzeugen zu und unterliegen dem Geschäftsgeheimnis. Hierzu siehe auch Drs. 21/3404, 21/4582 und 21/4877. Drucksache 21/10035 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie hoch war die jeweilige Förderung durch den Bund? Die Förderquoten ergeben sich jeweils aus den Förderprogrammen der Bundesministerien . Bei den Brennstoffzellenhybridbussen beziehungsweise den Batteriebussen mit Brennstoffzellen als Range-Extender liegt die Förderquote bei 48 Prozent des Beschaffungspreises. Bei den Diesel-Hybridbussen, den Plug-In-Hybridbussen und den Batteriebussen liegt die Förderquote bei 40 Prozent auf die Differenzkosten zu einem Dieselbus. 3. Wie viele Kilometer können rein emissionsfrei fahrende Busse mit Range -Extender, der Gelegenheitslader von Solaris bei der HOCHBAHN und der Gelegenheitslader von Van Hool bei der VHH fahren, bis sie nachladen/-tanken müssen? Die Reichweite der genannten Fahrzeuge, bei denen es sich um Prototypen handelt, hängt von zahlreichen Randbedingungen ab, zum Beispiel Außentemperatur, Fahrgastanzahl , Fahrtstrecke oder Verkehrssituation. Sie variiert bei der HOCHBAHN für die Gelegenheitslader von Solaris derzeit zwischen circa (circa) 30 und 70 km. Für den Batteriebus mit Brennstoffzelle als Range-Extender von Solaris variieren die Reichweiten derzeit circa zwischen 180 und 300 km. Die bei der VHH im Fahrgasttestbetrieb befindlichen batterieelektrischen längeren Gelenkbusse des Herstellers VanHool besitzen eine maximale Reichweite von derzeit 120 km. Im Übrigen siehe Antwort zu den Fragen 1. und 5. a) und b). Zu den zukünftig zu beschaffenden Bussen: 4. Werden auch Übergangslösungen zur Reduktion des Stickstoffausstoßes der Busse in Betracht gezogen, zum Beispiel Erdgasbusse? Falls ja, welche? Falls nein, weshalb nicht? Die Hochbahn und die VHH beschaffen nur noch Busse mit Dieselmotoren, die der Abgasnorm Euro VI genügen. Die Hochbahn wird ab dem Jahr 2020 ausschließlich emissionsfrei angetriebene Fahrzeuge beschaffen. Vor diesem Hintergrund ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, für die kurze Übergangsphase von zwei Jahren eine weitere Technologie mit eigener Versorgungsinfrastruktur einzuführen. Für die VHH gilt dies für die vorrangig in Hamburg einzusetzenden Busse. Die VHH hat in ihrem Verkehr in Neumünster über viele Jahre Erdgasbusse eingesetzt . Der Einsatz dieser Busse hat sich nicht bewährt. Insbesondere sind die folgenden Nachteile von Erdgasbussen transparent geworden: - Höhere Instandhaltungskosten - Geringere Verfügbarkeit der Busse (höhere Schadensanfälligkeit) - Geringe Verfügbarkeit der Erdgastankstellen - Höhere Betriebskosten durch in Summe höhere Energiekosten - Höherer CO2-Ausstoß Nach dem Verkauf des Betriebshofes in Neumünster an die Stadtwerke Neumünster zum 31. Dezember 2015 haben die Stadtwerke Neumünster den Betrieb von Erdgasbussen in Neumünster eingestellt und Dieselbusse mit Euro VI beschafft. 5. Bisher gibt es in Hamburg noch keine Übernachtlader (also Busse, die nur nachts auf dem Betriebshof aufgeladen werden). a) Kommen diese auch für Hamburg in Betracht? Was kosten diese als Gelenkbus? b) Wie viele Kilometer können die Busse eingesetzt werden, bis sie wieder nachladen müssen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10035 3 Das E-Bus-2020-Konzept der VHH sieht vor, künftig ausschließlich Busse mit Übernachtladung zu beschaffen. Die VHH beschafft gegenwärtig zehn dieser Busse von dem Hersteller Sileo. Über die Einzelpreise dieser Busse wurden mit dem Hersteller Stillschweigen vereinbart. Die Reichweite im Realbetrieb ist vom Hersteller mit 250 km angegeben und zugesichert. Die HOCHBAHN wird noch in diesem Jahr die ersten E-Busse als Übernachtlader ausschreiben. Über Kosten und Reichweite kann noch keine konkrete Aussage getroffen werden, da seitens der Bushersteller bisher keine Angebote vorliegen. 6. Wie viel Prozent des Wasserstoffs werden für den Antrieb der Brennstoffzellenbusse genutzt und wie viel geht (zum Beispiel für Abwärme = Wasserdampf) verloren? Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen liegt nach Kenntnis der HOCHBAHN bei bis zu 60 Prozent. Er ist abhängig von den Rahmenbedingungen des Betriebs der Brennstoffzelle . 7. Wie ist die CO2-Bilanz der Brennstoffzellenbusse im Betrieb unter Berücksichtigung des Strommixes, der zur Wasserstofferzeugung benötigt wird? a) Wie stellt sich im Vergleich die CO2-Bilanz der aktuellen Dieselbusse dar? Im Jahr 2016 wurde der Wasserstoff für die Busse der HOCHBAHN überwiegend mit Strom aus erneuerbaren Energien per Elektrolyse vor Ort erzeugt. Ergänzend wurde Wasserstoff angeliefert, der als Beiprodukt bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse in der Region anfällt. Daraus ergeben sich durchschnittliche CO2-Emissionen von 459 g/Km für die eingesetzten Brennstoffzellenhybridbusse (12 m) über die gesamte Wirkungskette (Well to Wheel). Die entsprechenden Kohlendioxidemissionen eines Vergleichsbusses (Euro VI) liegen durchschnittlich bei 1.122 g/Km. Weitere Schadstoffe wie Stickoxid oder Ruß fallen bei Brennstoffzellenbussen systembedingt nicht an. 8. Wie emissionsfrei beziehungsweise -arm soll die Heizung der zu beschaffenden Busse arbeiten? a) Sollen weiterhin ölbetriebene Zusatzheizungen zum Einsatz kommen oder werden auch Alternativen (elektrische Heizung, Wärmepumpe , Erdgas; eventuell mit der Möglichkeit, langfristig auf Wasserstoff umzustellen) geprüft? Bitte die jeweilige Begründung angeben. Das Heizkonzept der ersten Generation der zu beschaffenden emissionsfrei angetriebenen Busse der HOCHBAHN wird voraussichtlich bis zu einer bestimmten Außentemperatur durch den Einsatz einer Wärmepumpe emissionsfrei sein. Da der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe bei sehr niedrigen Außentemperaturen sinkt, wird das elektrische Heizen nach derzeitigem Stand der Technik unwirtschaftlich. Es bleibt jedoch das Ziel, mit der Weiterentwicklung der Batterietechnik auch die Heizung bei den kommenden Fahrzeuggenerationen vollständig elektrisch zu betreiben. Die VHH setzt derzeit ölbetriebene Zusatzheizungen ein. Es besteht die Möglichkeit, diese Zusatzheizungen nicht nur mit Heizöl, sondern auch zum Beispiel mit Bioethanol zu betreiben. Ein Betrieb mit gasförmigen Brennstoffen empfiehlt sich aufgrund der geringen Energiedichte dieser Brennstoffe nicht. Die beiden im Testbetrieb befindlichen Fahrzeuge des Herstellers VanHool sowie ein Fahrzeug des Herstellers Rampini sind mit elektrischen Heizungen ausgestattet. Die Auswertung der Energieverbräuche zeigt, dass ein genereller Einsatz von elektrischen Heizungen die Reichweite von batterieelektrischen Bussen erheblich reduzieren würde. Für die Zukunft prüft auch die VHH den Einsatz von Wärmepumpen beziehungsweise einen vollständigen elektrischen Betrieb der Heizung. Drucksache 21/10035 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 9. Können alle emissionsfreien Busse so viele Fahrgäste aufnehmen wie die momentanen Dieselbusse oder gehen Sitz- beziehungsweise Stehplätze verloren? Bei unterschiedlichen Kapazitäten bitte nach Modellen getrennt angeben. Die Fahrzeuge, die durch die Verkehrsunternehmen beschafft werden, erfüllen – unabhängig vom Antriebssystem – die Qualitätsvorgaben des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) hinsichtlich der maximalen Besetzung. 10. Bei Gelegenheitslader-Bussen, die an den Endhaltestellen ihre Batterien aufladen, kann davon ausgegangen werden, dass mehr Fahrzeuge als Verspätungspuffer vorgehalten werden müssen. a) Wie groß dürfte der Fahrzeugmehrbedarf in Prozent beziehungsweise je Linie ausfallen? Ob das Konzept des Gelegenheitsladens bei der HOCHBAHN dauerhaft weiter verfolgt wird, ist insbesondere davon abhängig, ob und zu welchen Rahmenbedingungen die Industrie entsprechende Fahrzeuge am Markt anbieten wird. Erst auf Basis verfügbarer , serienreifer Fahrzeuge kann qualifiziert beurteilt werden, zu welchen Bedingungen das Konzept des Gelegenheitsladens umgesetzt werden kann. Die gegenwärtigen Tests bei der VHH mit den Fahrzeugen des Herstellers VanHool zeigen, dass die Gelegenheitsladung deutlich höhere betriebliche Herausforderungen beinhaltet als der Einsatz von Übernachtladern. Die VHH strebt derzeit das System der Übernachtladung an. b) Ist über Systeme nachgedacht worden, bei denen die Fahrzeuge während der Fahrt nachladen (In-Motion-Charging)? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, weshalb nicht? Der Aufbau eines Oberleitungsbus-Systems (O-Bus-Systems), welches In-Motion- Charging ermöglicht, erfordert eine Oberleitung für einen Großteil des Liniennetzes. Dies bedeutet einen sehr hohen Infrastrukturaufwand. Hieraus ergeben sich aus Sicht der HOCHBAHN und VHH deutliche Nachteile im Hinblick auf: - die erforderliche Neuordnung des Straßenraums, - die Stadtbildverträglichkeit, - eine deutlich eingeschränkte Flexibilität des Busbetriebs (Baustellen, Umleitungen et cetera), - zusätzlichen Wartungsaufwand durch Oberleitung sowie Unterwerke und - die Nutzbarkeit der öffentlichen Wege für Großraumtransporte. Vor diesem Hintergrund wurde diese Technologie nicht weiter berücksichtigt. Nach Ansicht von Experten/-innen ist die Technologie des Nachladens während der Fahrt (In-Motion-Charging) die einzige serienreife Technologie für leistungsfähige elektrische Bussysteme: 11. Wurde die Beschaffung von entsprechenden Fahrzeugen (und der dazu passenden Infrastruktur) in Betracht gezogen? Falls ja, was sprach dagegen, diese Technologie zu testen? Falls nein, warum nicht? 12. Wurde diese Technologie auf einer vergleichsweise kurzen, aber stark belasteten Buslinie in Hamburg den Bürgern/-innen vorgestellt und wurden ihnen die Vorzüge verdeutlicht? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, weshalb nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10035 5 Siehe Antwort zu 10. b). 13. Wurde die Möglichkeit untersucht, dass die Gelegenheitslader in Oberleitungsbereichen (zum Beispiel auf Busbahnhöfen) ebenfalls über die Oberleitung aufladen, ansonsten aber auf Strecken ohne Oberleitung eingesetzt werden? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, weshalb nicht? Die Busumsteigeanlagen der HOCHBAHN verfügen derzeit über keine Oberleitungsinfrastruktur . Für den Aufbau eines Systems zum Gelegenheitsladen bevorzugt die HOCHBAHN den Einsatz von Lademasten (Pantographen). Im Übrigen siehe Antwort zu 10. b). 14. Was spricht aus Sicht der Verkehrsunternehmen dafür, a) sich auf ein System zu konzentrieren oder b) in Abhängigkeit der Erfordernisse auf den jeweiligen Linien auf verschiedene (möglichst kombinierbare) Systeme zu setzen? Im Fokus steht der sichere Elektrobusbetrieb ab dem Jahr 2020 in Hamburg. Die technische Weiterentwicklung der Elektromobilität unterliegt derzeit sehr kurzen Innovationszyklen . Vor diesem Hintergrund werden die städtischen Verkehrsunternehmen die Elektrifizierung der Busflotte unter der Maßgabe vorantreiben, technologische Festlegungen so früh wie nötig, aber so spät wie möglich zu treffen. So soll sichergestellt werden, dass möglichst flexibel auf Innovationen reagiert werden kann. Zur Infrastruktur: 15. Können unter den Lademasten von HOCHBAHN und VHH auch Busse der jeweils anderen Verkehrsunternehmen nachladen? Nein. Es handelt sich um eigenständige Pilotprojekte der jeweiligen Verkehrsunternehmen . Allerdings wurde im Rahmen des HOCHBAHN-Pilotprojektes die Ladung von Bussen verschiedener Hersteller (Volvo und Solaris) an derselben Ladeinfrastruktur erfolgreich umgesetzt. Da das Konzept der VHH künftig keine Nachladung per Pantograf vorsieht, ist die Mitnutzung der Ladeinfrastruktur der Hochbahn nicht erforderlich. 16. Bestehende Busanlagen wie in Wandsbek, am ZOB oder in Altona sind stark ausgelastet. Wie viele Ladesäulen für Gelegenheitslader sollen dort jeweils installiert werden und wie viele Busabstellplätze würden dadurch jeweils wegfallen? a) Sollten Plätze wegfallen: Wie soll dieser Verlust ausgeglichen werden ? Das aktuelle Konzept der VHH sieht künftig nur noch Übernachtladung auf dem Betriebshof vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. a). 17. Welche Kosten fallen an für die Nachrüstung von Starkstromleitungen zu bestehenden Betriebshöfen, auf denen die Busse über Nacht geladen werden sollen? Hierzu sind noch keine abschließenden Aussagen möglich, da die jeweiligen Kosten eines Netzanschlusses von verschiedenen Faktoren abhängen. Maßgeblich sind die benötigte Anschlussleistung, die Entfernung zu dem nächstgelegenen Netzanschlusspunkt des Netzbetreibers und auch die leistungsabhängige Spannungsebene des Netzanschlusses. 18. Inwieweit kann die bestehende Infrastruktur auf den Betriebshöfen genutzt werden, um Gelegenheitslader über Nacht für die Einsetzfahrt am nächsten Tag zu laden? Drucksache 21/10035 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Dies ist abhängig von der benötigten Leistung, die mit jedem weiteren elektrifizierten Fahrzeug steigt. Die Rampini Midibusse wurden als erste E-Fahrzeuge der VHH noch an die bestehende Infrastruktur angeschlossen. Abhängig von den Kapazitäten der jeweiligen Batterien ist ab circa fünf E-Bussen davon auszugehen, dass ein Niederspannungsanschluss bei der VHH mit 600kVA nicht mehr ausreichend ist. Über die vorhandenen Netzanschlüsse und Ladegeräte der Busbetriebshöfe können die bereits vorhandenen Gelegenheitslader der HOCHBAHN über Nacht geladen werden. 19. Was hält der Senat von der Idee, eine „Infrastruktur Elektromobilität“ für Fahrzeuge mit „In-Motion-Charging“ an hochfrequentierten Buslinien aufzubauen, die auch Schnellladestationen für Elektroautos entlang der elektrifizierten Streckenabschnitte ermöglicht? Die gemeinsame Nutzung von betrieblich notwendiger Ladeinfrastruktur mit dem Individualverkehr ist aufgrund von zusätzlichen Störeinflüssen sehr kritisch zu sehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. b). 20. Muss für die Errichtung von Oberleitungsanlagen zwingend ein Planfeststellungsverfahren und/oder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden? § 41 Absatz 1 PBefG (Personenbeförderungsgesetz) verweist hinsichtlich der Errichtung von Bau- und Betriebsanlagen für den O-Bus-Verkehr auf die entsprechende Anwendung der für den Bau von Straßenbahnanlagen geltenden planungsrechtlichen Vorschriften (§§ 28 bis 30 und §§ 32, 36 und 37 PBefG). Wenn für die Errichtung von Oberleitungsanlagen für O-Bus-Verkehre nach den Umständen des Einzelfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kommt anstelle der Planfeststellung auch eine Plangenehmigung nach Maßgabe des § 28 Absatz 1a PBefG in Betracht. 21. Welche Überlegungen bestehen im Sinne des Klimaschutzes, die Energie für die Busse aus neuen umweltfreundlichen Stromerzeugungsanlagen (zum Beispiel von Solaranlagen oder mittels Kraft-Wärme-Kopplung zum Beispiel aus stationären Brennstoffzellen) zu gewinnen? Für die Ladung der Busse soll grundsätzlich Ökostrom verwendet werden. Finanzierung: 22. Emissionsfreie Busse haben höhere Anschaffungskosten, sind dafür aber langlebiger. a) Wie soll der zusätzliche Finanzbedarf für den Zeitraum der Fahrzeugbeschaffung in den 20er Jahren gedeckt werden? Ergänzend zu den Finanzierungsplänen der Verkehrsunternehmen werden aktuell Förderprogramme für die Beschaffung von E-Bussen vorbereitet. So betreibt das Bundesministerium für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit ein Verfahren zur Notifizierung eines entsprechenden Förderprogramms bei der Europäischen Kommission. Wie lange die Laufzeit dieses Förderprogramms angelegt ist, ist aktuell noch nicht bekannt und Bestandteil der Bewertung durch die Kommission. b) Sind auch Kredite von der IFB in Betracht gezogen worden, um den Investitionsbedarf zu decken? Falls nein, weshalb nicht? Grundsätzlich sind Kredite der Hamburgischen Investitions- und Förderbank AöR (IFB Hamburg) eine Option zur Deckung des Investitionsbedarfes. Im Herbst des Jahres 2016 wurde von der für den Verkehr zuständigen EU-Kommissarin eine Förderinitiative für E-Busse angekündigt, bei der Fördermittel der Europäischen Union (EU) mit Krediten der IFB Hamburg verknüpft werden sollen. Dazu wurde ein Netzwerk interessierter Regionen gebildet, dem auch Hamburg angehört. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10035 7 23. Am 17.01.2017 war im Bericht „‚Neue Evolutionsstufe bei der Hochbahn“ in der „tageszeitung“ (taz) zu lesen, dass die HOCHBAHN „etwa 45 Millionen “ jährlich für 120 neue Busse ausgeben möchte. a) Ist es möglich, emissionsfreie Busse für 375.000 Euro pro Stück zu beschaffen? Falls nein, von welchem Stückpreis geht der Senat aus? Der Betrag von 45 Millionen Euro bezog sich auf die Beschaffung von Dieselbussen (Solo- und Gelenkbusse) bis einschließlich des Jahres 2019. Hieraus lassen sich keine Schlüsse auf die Beschaffungskosten von E-Bussen ziehen. Über die Kosten von E-Bussen kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden, da bisher seitens der Bushersteller keine Angebote vorliegen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 24. Wenn in den Jahren 2017 bis 2019 jährlich 120 statt der üblichen 70 bis 80 Busse beschafft werden, könnten bis zu 150 Busse mehr als üblich zur HOCHBAHN kommen. Ist auf den Betriebshöfen dafür ausreichend Platz? Ja. 25. Müssen aufgrund der Mehrbeschaffung ältere Busse vor Erreichen ihrer eigentlich vorgesehenen Lebensdauer abgegeben werden? Die Busse werden durchschnittlich elf bis 14 Jahre im Liniendienst eingesetzt. Die aktuellen Beschaffungsplanungen erfordern keine vorzeitigen Ausmusterungen. 26. Sollen in den Jahren 2020/2021 keine neuen Busse beschafft werden, weil die Beschaffungsziele dieser Jahre bereits in den Jahren zuvor mit Dieselbussen gedeckt wurden? Nein. Für den genannten Zeitraum ist die Beschaffung von Bussen mit emissionsfreiem Antrieb vorgesehen. 27. Im oben erwähnten Zeitungsartikel („tageszeitung“ vom 17.1.2017) wird der Vorstandsvorsitzende der HOCHBAHN, Herrn Falk, zitiert, dass ab 2020 binnen sieben Jahren der gesamte Busbestand ausgetauscht sein soll. Ist es zutreffend, dass basierend auf dieser Aussage die 120 im Jahr 2019 beschafften Busse bereits nach acht Jahren abgegeben werden ? Falls nein, was passiert mit diesen Bussen? Die 120 im Jahr 2018 beschafften Busse werden nicht bereits nach acht Jahren abgegeben . Im Übrigen siehe Antwort zu 25. 28. Da die Busse momentan nach zwölf Jahren abgeschrieben werden: Wie hoch sind die finanziellen Auswirkungen durch die frühzeitige Abgabe? Die Busse beider Unternehmen werden nicht über zwölf Jahre, sondern analog zur handelsrechtlichen Abschreibungsdauer über zehn Jahre abgeschrieben. Im Übrigen siehe Antwort zu 25. 29. Um wie viel Prozent werden sich die jährlichen Gesamt-Betriebskosten (ohne Personalkosten) ab 2020 vom Betrieb mit Dieselbussen unterscheiden (bezogen auf eine beispielhaft komplett auf emissionsfreie Busse umgestellte Linie)? Die HOCHBAHN wird noch dieses Jahr die ersten E-Busse ausschreiben. Über Betriebskosten kann derzeit noch keine seriöse Aussage getroffen werden, da seitens der Bushersteller bisher keine Angebote vorliegen. Die VHH erklärt, dass die Gesamtbetriebskosten neben den Abschreibungen maßgeblich von den Kosten für Instandsetzungen und Energie bestimmt werden. Für die Instandsetzung von Elektrobussen liegen der VHH noch keine langfristigen Erfahrungswerte vor. Durch den Einsatz von Elektro- statt Verbrennungsmotoren ist davon Drucksache 21/10035 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 auszugehen, dass die Instandsetzungskosten sinken. Zur Entwicklung von Dieselpreisen und der wesentlichen Preisbestandteile der Stromkosten wie EEG-Umlage und Netzentgelte können nur spekulativ Angaben erfolgen. 30. Momentan verbringen die Fahrer/-innen ihre Pausen in der Regel auf den Fahrzeugen, wodurch mehr Fahrzeuge benötigt werden als für den Fahrgastbetrieb erforderlich sind. Wird diese Regelung vor dem Hintergrund der steigenden Kosten für emissionsfreie Busse noch aufrechterhalten ? Falls nein, wo sollen die Pausen dann verbracht werden? Der Fahrzeugbedarf der HOCHBAHN bemisst sich an der maximalen Zahl gleichzeitig stattfindender Fahrgastfahrten. Dies betrifft in der Regel das Zeitfenster zwischen circa 7.30 Uhr bis 8.00 Uhr, in dem grundsätzlich keine Pausen gewährt werden. Im weiteren Tagesverlauf stehen diese Fahrzeuge dann zur Pausengewährung zur Verfügung , ohne einen zusätzlichen Fahrzeugbedarf zu erzeugen. Eine Anpassung der Pausenregelung ist vor diesem Hintergrund nicht vorgesehen. Die VHH prüft gegenwärtig, ob und wie ein „fliegender“ Fahrzeugwechsel erfolgen kann, mit der Folge, dass die Pausen in geeigneten Sozialräumen verbracht werden könnten. 31. Hat man sich mit den Kosten für den Aufbau eines Oberleitungssystems an vielbefahrenen Buslinien zum Nachladen während der Fahrt auseinandergesetzt (sowohl Fahrzeug- als auch Infrastrukturkosten)? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, weshalb nicht? Siehe Antwort zu 10. b). 32. Wie viel würden im Schnitt ein Kilometer Oberleitung und ein Hybrid- Oberleitungs-Gelenkbus kosten? Ein allgemeiner Durchschnittswert ist nicht bekannt. Die Kosten für die Installation einer Oberleitung für einen O-Bus hängen maßgeblich von den straßenbaulichen Rahmenbedingungen sowie den elektrotechnischen Anschlussbedingungen ab. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. b). Busverkehr allgemein: 33. Müsste das bestehende Busnetz nicht im Zuge der Umstellung auf emissionsfreie Busse grundlegend untersucht und in Abstimmung auf die Ladeinfrastruktur neu geordnet werden? Falls nein, weshalb nicht? Im Rahmen der vollständigen Elektrifizierung wird das Busnetz der Unternehmen auf Optimierungsmöglichkeiten in Bezug auf die Anforderungen durch eine E-Bus-Flotte hin geprüft. 34. Da in der Vergangenheit immer wieder neue Technologien im Harburger Busverkehr getestet wurden und ein weiterer Schnellbahnanschluss für Harburg und die Elbinseln in absehbarer Zeit nicht realisiert werden soll: Wäre es nicht wünschenswert, die emissionsfreien Busse zunächst verstärkt im Bereich Harburg einzuführen? Die HOCHBAHN bereitet derzeit die vollständige Umstellung ihres Linienbusverkehrs auf rein elektrischen Betrieb vor. Ab dem Jahr 2020 werden dann ausschließlich lokal emissionsfrei angetriebene Fahrzeuge beschafft. Nach Abschluss dieses Prozesses, werden dann alle Linien der HOCHBAHN, somit auch in Harburg, vollständig elektrisch angetrieben. Ein maßgeblicher Baustein bei der Elektrifizierung ist die Umrüstung der Betriebshöfe der HOCHBAHN, damit diese eine rein elektrisch angetriebene Busflotte versorgen und laden können. Derzeit wird ein Umrüstungskonzept für alle acht Betriebshöfe der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10035 9 HOCHBAHN und ihrer Tochterunternehmen erarbeitet, um die erforderlichen bautechnischen Maßnahmen unter laufendem Betrieb durchführen zu können (siehe auch Drs. 21/9934). Der Einsatz emissionsfrei betriebener Busse wird auch Anforderungen der Luftreinhaltung gemäß Luftreinhalteplan berücksichtigen. Daher können aktuell keine Aussagen dazu getroffen werden, wo Busse wann genau mit emissionsfreien Antrieben eingesetzt werden. a) Wie viele Ladepunkte wären dabei zur Umstellung auf Gelegenheitslader aller über den Harburger ZOB führenden Linien notwendig ? Siehe Antwort zu 10. a). b) Wäre es sinnvoll, gerade diese Linien auf ein In-Motion-Charging- System umzustellen und dabei auch das Liniennetz neu zu ordnen? Siehe Antwort zu 10. b). Zum Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“: 35. Am 02. August 2017 fand in Berlin der „Diesel-Gipfel“, offiziell „Nationales Forum Diesel“, statt. Bundesregierung, Länder und die Automobilindustrie waren beteiligt, aber keine Umweltschutz- und ökologische Verkehrsverbände . Unter anderem wurde dort die Auflage eines gemeinsamen „Fonds: Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ beschlossen, an dem sich die drei deutschen Automobilhersteller entsprechend ihrer Marktanteile am Industrieanteil beteiligen werden. a) Bis wann sollen die 500 Millionen Euro, die der Fonds umfassen soll, bereitgestellt werden? b) Wie hoch sollen jeweils die Anteile des Bundes, der Länder und der Automobilhersteller sein? c) Wie hoch wird der von Hamburg zu finanzierende Anteil sein? Aus welchem Einzelplan und welcher Produktgruppe wird dieser Anteil gegebenenfalls finanziert? Die bisherigen Ergebnisse des „Nationalen Forums Diesel“ können folgendem Link entnommen werden: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/nationales-forumdiesel .html Die vom Nationalen Forum eingerichteten Arbeitsgruppen nehmen aktuell ihre Arbeit auf. Ergebnisse liegen noch nicht vor. 36. In der Erklärung des „Nationalen Forums Diesel“ vom 02. August 2017, die auch vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz unterzeichnet wurde, heißt es: „Die Förderung von Hybrid-Oberleitungsbussen sowie von Erdgasbussen (CNG) wird fortgeführt und intensiviert.“ In Hamburg wurden diese beiden Systeme bisher nicht getestet. a) Welche Auswirkungen haben diese neuen Fördermöglichkeiten auf die Planungen für die Busflotte? Keine. Im Übrigen siehe Antworten zu 4. und 10. b). b) Wird es nun auch in Hamburg eine Förderung von Hybrid-Oberleitungsbussen geben? Falls ja, in welcher Form? Falls nein, weshalb nicht? Siehe Antwort zu 10. b). Drucksache 21/10035 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 10 c) Werden aufgrund der neuesten Erkenntnisse zur Belastung der Umwelt durch die manipulierten Dieselmotoren die Bestellung von Dieselbussen rückgängig gemacht? Falls nein, weshalb nicht? Falls ja, wie viele Dieselbusse werden noch angeschafft? Nein. Bislang gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass in den eingesetzten Dieselbussen unzulässige Hard- oder Software verwendet wurde. d) Bezieht sich die 80-prozentige Förderung der Mehrkosten von elektrischen und erdgasbetriebenen Bussen auf die Anschaffungskosten der Fahrzeuge oder auch auf die notwendige Infrastruktur zum elektrischen Laden beziehungsweise Betanken mit Erdgas? Hierzu können noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Über die Förderhöhe liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.