BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10038 21. Wahlperiode 15.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 08.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Ein Jahr nach der versprochenen Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung – Was hat sich seitdem getan? Am 26. April 2016 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht, einen Kinderschänder, der sich als Sicherungsverwahrter in der JVA Fuhlsbüttel befand, unter Anordnung der Führungsaufsicht und Weisungen aus dem Justizvollzug zu entlassen, da die Fortdauer der Sicherungsverwahrung als unverhältnismäßig angesehen wurde. Die Entscheidung basierte auf dem Umstand, dass dem Untergebrachten entgegen einer gerichtlichen Anordnung und Frist in der Vollzugsanstalt keine ausreichende Betreuung in Form einer externen einzeltherapeutischen Behandlung angeboten worden ist. Da der auf Bewährung entlassene Sicherungsverwahrte bereits innerhalb kurzer Zeit mehrfach gegen die gerichtliche Weisung verstoßen hat, keinen Alkohol zu konsumieren, wurde die Bewährung widerrufen und der Kinderschänder festgenommen. Der Justizsenator ließ den Vorfall untersuchen; die Ergebnisse der Untersuchung wurden im „Ermittlungsbericht zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016“ festgehalten, der am 5. Juli 2016 veröffentlicht wurde. Fazit des Justizsenators war: „Die Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel wird neu ausgerichtet.“ Steffen kündigte ein neues Konzept für die Sicherungsverwahrung an und teilte mit, dass die Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel eine eigene Vollzugsleitung erhält, die sich ganz auf die die Sicherungsverwahrten konzentrieren kann. „Die eigene Vollzugsleitung bewirkt einen gesonderten Blick auf das Thema Sicherungsverwahrung . Hier gelten andere Anforderungen als im Umgang mit Strafgefangenen , und das soll die getrennte Struktur auch widerspiegeln.“ Darüber hinaus seien bereits seit der Entlassung des Sicherungsverwahrten im Mai 2016 Anstalt und Justizbehörde in einem regelmäßigen und intensiven Austausch über Vollzugs- und Behandlungspläne sowie richterliche Beschlüsse zu Sicherungsverwahrten. Schließlich wurde eine verstärkte therapeutische Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik Nord vereinbart. „Um genügend passende Therapieplätze zu gewährleisten, haben wir eine weitere Kooperation mit dem Asklepios Klinikum Nord vereinbart. Das Klinikum stellt dabei eigene Therapeuten zur Verfügung. Es ist dadurch auch möglich, dass Therapien in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden, wenn das nicht innerhalb der Haftanstalt geht. In einer Klinik kann ein Sicherungsverwahrter gut überwacht werden.“ (http://www.zeit.de/hamburg/ stadtleben/2016-07/elbvertiefung-hamburg-07-07-16.) Drucksache 21/10038 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Mittlerweile ist über ein Jahr vergangen; Zeit für eine Bilanz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ausgehend von dem Ermittlungsbericht zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016 wurden die Geschäftsabläufe, Verantwortlichkeiten und Berichtspflichten bei Sicherungsverwahrten und Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung mit dem Ziel geklärt, kritische Verfahren frühzeitig zu identifizieren und regelmäßig zu überprüfen. Zudem wurde das Therapiekonzept der Abteilung für Sicherungsverwahrte der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel inhaltlich weiterentwickelt. Das in der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg etablierte interne Controlling wurde durch ein umfassendes Informations- und Berichtswesen ergänzt. Kriterien zur aktuellen Klassifizierung des Vollzugsverlaufs und Identifizierung temporär besonders kritischer Verfahren wurden entwickelt. Die JVA Fuhlsbüttel und die Sozialtherapeutische Anstalt berichten monatlich an die Aufsichtsbehörde über Vorgaben gerichtlicher Beschlüsse, Anhörungen und Gutachten , die jeweils von der Anstalt dazu geplanten beziehungsweise eingeleiteten Maßnahmen und den Stand ihrer Umsetzung. Darüber hinaus übersenden die Anstalten Gerichtsbeschlüsse, die Sicherungsverwahrte oder Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherheitsverwahrung in Bezug auf Lockerungen, die Entlassungsvorbereitung oder Behandlungsmaßnahmen betreffen, umgehend unaufgefordert an die Aufsichtsbehörde. Die Unterlagen werden in der Aufsichtsabteilung der zuständigen Behörde ausgewertet . Sie sind Grundlage eines monatlich stattfindenden Jour fixe Sicherungsverwahrung zwischen der Aufsichtsbehörde und den Anstalten. Nach gerichtlichen Anordnungen unter Fristsetzung gelten erweiterte Informationspflichten . Die zuständige Justizvollzugsanstalt informiert die Aufsichtsbehörde, das Gericht und die Vollstreckungsbehörde zeitnah über die erfolgte Umsetzung der angeordneten Maßnahme. Zudem werden das Gericht – sowie die Staatsanwaltschaft und die Aufsichtsbehörde – von der Anstalt unverzüglich über alle insoweit erheblichen neuen Umstände unterrichtet, die eine fristgerechte Umsetzung gefährden. Im Weiteren wurde die Teilnahme eines instruierten Vertreters der zuständigen Justizvollzugsanstalt an den gerichtlichen Anhörungsterminen von Sicherungsverwahrten, von Gefangenen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie von Gefangenen mit einer angeordneten oder vorbehaltenen Sicherungsverwahrung sichergestellt. Eine besondere Terminladung vonseiten des Gerichts ist dafür nicht erforderlich. Die Anstalt informiert die Staatsanwaltschaft und die Aufsichtsbehörde über anstehende Anhörungstermine, um den Behörden Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. Zu Fragen der Verfahrens- und Vollzugsgestaltung in der Sicherungsverwahrung wurde zwischen der zuständigen Behörde, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft eine Gesprächsroutine vereinbart. Auf mögliche Problemlagen und Risikokonstellationen kann auch auf diesem Wege frühzeitig aufmerksam gemacht werden, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Durch die Schaffung eines neuen Dienstpostens „Vollzugsleitung Sicherungsverwahrung “ wurde die Stellung der Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel gestärkt und eine deutlichere Abgrenzung der Sicherungsverwahrung von anderen Vollzugsbereichen der Anstalt wurde ermöglicht. Die Aufgaben der Vollzugsleitung Sicherungsverwahrung wurden ausgeschrieben und im Ergebnis mit Wirkung zum 1. Dezember 2016 einer Psychologin der JVA Fuhlsbüttel übertragen. Seit dem 4. Januar 2017 werden die Aufgaben der Vollzugsleitung von der stellvertretenden Anstaltsleiterin wahrgenommen. Parallel wurde der Dienstposten im Januar 2017 erneut ausgeschrieben . Dieses Ausschreibungsverfahren hat keine geeigneten Bewerbungen hervorgebracht . In Reaktion darauf wurde die Struktur dahin gehend weiterentwickelt, dass neben der Vollzugsleitung ein Dienstposten für die therapeutische Leitung vorgesehen ist, der unmittelbar beim Anstaltsleiter angesiedelt wird. Dadurch wird die psychologische Betreuung der Sicherungsverwahrten weiter ausgebaut. Die Stellen- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10038 3 inhaberin der Vollzugsleitung Sicherungsverwahrung, die die Aufgaben nun längerfristig wahrnimmt, ist Volljuristin und seit mehreren Jahren in verschiedenen Bereichen des Justizvollzugs tätig. Das Therapiekonzept der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel wurde inhaltlich weiterentwickelt. Die Abstimmung des Konzepts wird voraussichtlich im September 2017 abgeschlossen sein. Zur Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten in Fällen mit externer Therapie wurde der Pool externer Therapeuten vergrößert. Therapeuten der Klinik für Forensische Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord- Ochsenzoll können auf Anfrage der JVA Fuhlsbüttel die einzeltherapeutische Behandlung von Sicherungsverwahrten im offenen oder geschlossenen Bereich des Klinikgeländes übernehmen. Darüber hinaus wurden neue Gruppentherapieangebote für die Untergebrachten in der JVA Fuhlsbüttel geschaffen. Im Bereich der baulichen Rahmenbedingungen wurden die Aufenthaltsbereiche der Abteilung therapiefreundlicher gestaltet. Weitere Behandlungsräume und ein zusätzlicher Besuchsraum, der auch für Gutachtertermine und Therapiegespräche genutzt werden kann, wurden eingerichtet. Zudem wurde ein Internetraum mit zwei PC- Arbeitsplätzen in Betrieb genommen, die den Untergebrachten zu bestimmten Öffnungszeiten mit Sicherungsauflagen zur Verfügung stehen. Die JVA Fuhlsbüttel wird von der Klinik für Forensische Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll im Umgang mit besonders schwierigen Sicherungsverwahrten beraten und – soweit erforderlich – fachlich unterstützt, nach Lösungen bei der Umsetzung gutachterlicher oder gerichtlicher Empfehlungen zu suchen. Dazu finden regelmäßige Fallbesprechungen in der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel statt. Darüber hinaus kann der Fachbeirat Sicherungsverwahrung regelmäßig beratend einbezogen werden. Der Direktor des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Eppendorf, der Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll sowie Vertreter der JVA Fuhlsbüttel, der Sozialtherapeutischen Anstalt und der Aufsichtsbehörde sind ständige Mitglieder des Fachbeirats. Die Empfehlungen des Ermittlungsberichts zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016 wurden umgesetzt. Die fachliche und organisatorische Weiterentwicklung des Konzepts für die Sicherungsverwahrung schreitet fort. Für den Oktober 2017 ist eine weitere Klausurtagung unter Beteiligung aller in der Abteilung tätigen Berufsgruppen vorgesehen, der konkrete Zielsetzungen und Aufgabenstellungen für die Umsetzung der Sicherungsverwahrung zum Inhalt hat. Die Diskussion in der JVA Fuhlsbüttel um ein Leitbild für die Abteilung werden fortgesetzt und der Informationsaustausch mit anderen Einrichtungen für Sicherungsverwahrte weiter intensiviert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Inwiefern wurde die Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel neu ausgerichtet? Bitte detailliert ausführen. a. Liegt das neue Konzept für die Sicherungsverwahrung vor? Falls ja, seit wann und was beinhaltet es konkret? Falls nein, weshalb nicht? b. Hat die Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel eine eigene Vollzugsleitung, die sich – wie vom Justizsenator angekündigt – ganz auf die Sicherungsverwahrten konzentrieren kann? Falls ja, seit wann, welchen beruflichen Hintergrund hat diese und wie beurteilt die zuständige Behörde die damit gemachten Erfahrungen ? Falls nein, weshalb seit einem Jahr noch immer nicht, wer nimmt die Aufgabe dann wahr und welche Planungen bestehen seitens der zuständigen Behörde? Drucksache 21/10038 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus wird derzeit eine schriftliche Zusammenfassung aller umgesetzten Maßnahmen zwischen der zuständigen Behörde und der JVA Fuhlsbüttel beziehungsweise den beteiligten Stellen abgestimmt. 2. Wie häufig haben seit Mai 2016 Besprechungen zwischen Anstalt und Justizbehörde über Vollzugs- und Behandlungspläne sowie richterliche Beschlüsse zu Sicherungsverwahrten stattgefunden? Im Bezugszeitraum haben zwischen der JVA Fuhlsbüttel und der zuständigen Behörde 16 derartige Besprechungen stattgefunden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie gestaltet sich die verstärkte therapeutische Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik Nord? Die Zusammenarbeit gestaltet sich positiv. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. a. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/5202 gab der Senat an, dass künftig in der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel regelmäßige Fallbesprechungen unter Beteiligung der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie durchgeführt werden. Wie viele dieser Fallbesprechungen haben in 2016 sowie im bislang in 2017 stattgefunden? Bisher haben drei Fallbesprechungen stattgefunden. Zwei weitere Fallbesprechungen in 2017 wurden verabredet. b. Sind durch die verstärkte Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik Nord ausreichend externe Therapiemöglichkeiten für die Sicherungsverwahrten vorhanden? Falls nein, welche Maßnahmen zur Schaffung weiterer Therapieplätze wurden ergriffen? Ja. 4. Wie viele Sicherungsverwahrte sind aktuell in externer therapeutischer Behandlung? Sechs. 5. Wie viele Personen befinden sich aktuell in der Abteilung für Sicherungsverwahrte in der JVA Fuhlsbüttel in Sicherungsverwahrung und wie viele Sicherungsverwahrte befinden sich aktuell in der Sozialtherapeutischen Anstalt? Zum 9. August 2017 sind in der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel 23 Sicherungsverwahrte untergebracht, davon befindet sich ein Sicherungsverwahrter aus medizinischen Gründen derzeit im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt . Im Zuständigkeitsbereich der Sozialtherapeutischen Anstalt befinden sich zum Stichtag fünf Sicherungsverwahrte. 6. Wie viele dieser Personen sind aufgrund des Staatsvertrages mit Schleswig-Holstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherungsverwahrung und der Therapieunterbringung aus Schleswig- Holstein untergebracht? Neun. 7. Welche Einnahmen sind der Freien und Hansestadt Hamburg für die Sicherungsverwahrung im Jahre 2016 sowie bislang im Jahr 2017 zugeflossen ? Der Justizvollzug erhielt 2016 eine Kostenerstattung für die Unterbringung für Sicherungsverwahrte aus Schleswig-Holstein in Höhe von 920.000 Euro. Im Jahr 2017 waren es im ersten Halbjahr 335.000 Euro. 8. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/4614 gab der Senat an, dass die Verhandlungen mit Schleswig-Holstein über die Vereinbarung eines neuen Tageshaftkostensatzes andauerten. Damals Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10038 5 zahlte Schleswig-Holstein einen Tageshaftkostensatz in Höhe von 250,00 Euro. Sind die Verhandlungen zwischenzeitlich abgeschlossen? a. Falls ja, seit wann wird welcher Tageshaftkostensatz von Schleswig- Holstein entrichtet? b. Falls nein, weshalb nicht? Für die Jahre 2016/2017 ist ein Tageshaftkostensatz in Höhe von 215 Euro mit Schleswig-Holstein neu verhandelt worden. 9. Bei wie vielen Sicherungsverwahrten wurde seit dem 1. Juni 2016 die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt? Bei einem Sicherungsverwahrten.