BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10039 21. Wahlperiode 15.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 08.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Opferschutz in Hamburg – Wie ist der aktuelle Stand? (III) Immer mehr Menschen werden Opfer von Gewalttaten. In Hamburg ist die Gesamtzahlt von 2014 auf 2015 um 3961 auf 243.959 Fälle angestiegen. Die Opfer benötigen bestmögliche Betreuung, aber dafür gibt es zu wenige Fortbildungen im Bereich Opferschutz in Hamburg.1 In Hamburg fehlt immer noch ein umfassender Opferschutzbericht.2 Damit können sich die Akteure bisher kein umfangreiches Bild über die Bedürfnisse von Opfern machen. Während in anderen Bundesländern, wie etwa Schleswig -Holstein, Hunderte Einzelfallbetrachtungen vorliegen, wurde in Hamburg in 2016 gerade einmal über acht Fälle berichtet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die dargestellten Bezugsgrößen sind unzutreffend. Bei den 243.959 Fällen handelt es sich um die Anzahl der Straftaten in 2015 insgesamt, nicht um Taten der Gewaltkriminalität . Nicht für alle Taten gibt es Opfer, die Schutzbedürfnisse im Sinne der Fragestellung haben. Die Gewaltkriminalität war 2015 im Vergleich zu 2014 um 88 (1,0 Prozent) auf 8.815 Fälle leicht gestiegen; in 2016 sind die Taten insgesamt und auch die Taten der Gewaltkriminalität zurückgegangen: Die Gewaltkriminalität ist 2016 im Vergleich zu 2015 um 210 (−2,4 Prozent) auf 8.605 Fälle gesunken. Siehe auch http://www.hamburg.de/contentblob/5367864/ 0ed74d82b0ac529d41b3fa66105ea8f7/data/2016-03-07-bis-pm-dl-gesfssg-pks- 2015.pdf und http://www.hamburg.de/contentblob/8347980/ 5888ba3ce46f87175e3a3aae9e9f6b05/data/2017-02-08-bis-pm-dljahrbuch.pdf. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie lange werden die Planungen zu einem Opferschutzbericht andauern ? Wann plant der Senat eine Veröffentlichung des Berichts? Siehe Drs. 21/7706. 2. Wie viele konkrete Berichte erfolgten durch die Gerichtshilfe in 2017 bis zum August 2017? Im Jahr 2017 bearbeitete das Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe bis zum Stichtag 08.08.2017 vier Aufträge zur Erstellung eines Opferberichts gemäß § 160 StPO. 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/7706 vom 03.02.2017. 2 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/6000 vom 23.09.2016. Drucksache 21/10039 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele qualifizierte Mitarbeiter/-innen der Fachberatungsstellen und wie viele Mitarbeiter/-innen der Justizbehörde sind seit Inkrafttreten am 1. Januar 2017 für die psychosoziale Prozessbegleitung zuständig? a. Werden dazu Mitarbeiter/-innen zusätzlich eingestellt werden? Wenn ja, wo, wie viele und in welchem Zeitraum? b. Welche Maßnahmen plant die Justizbehörde in welchem Zeitraum für die psychosoziale Prozessbegleitung umzusetzen? c. Wird es gegebenenfalls Weiterbildungen geben? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter haben gemäß § 3 Absatz 5 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren in eigener Verantwortung ihre regelmäßige Fortbildung sicherzustellen. Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter, die bei staatlichen Stellen oder freien Trägern angestellt sind, können auf die dort angebotenen Möglichkeiten zur Weiterbildung zurückgreifen. Im Übrigen stehen die von den Ländern anerkannten Aus- und Weiterbildungsangebote grundsätzlich jedem offen. Im Übrigen siehe Drs. 21/9071 und Drs. 21/7706. 4. Wie viele Betroffene haben prozentual Angebote der Opferhilfe bisher im Jahr 2017 in Anspruch genommen? Im ersten Halbjahr 2017 wurden insgesamt 1.712 Ratsuchende durch die Opferberatungsstellen und 36 Personen durch die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel (KOOFRA e.V.) betreut. 540 Personen (Frauen und Kinder) wurden in der „24/7“ (Koordinierungs - und Servicestelle der Hamburger Frauenhäuser) sowie dem zugehörigen „Back-Up“ (Aufnahmeplätze im 1. & 3. Hamburger Frauenhaus für Personen, die aus Platz- oder Sicherheitsgründen nicht in die 24/7 können) aufgenommen und 377 Personen lebten in den Hamburger Frauenhäusern (darunter Personen, die zuvor in der 24/7 betreut wurden). Im Übrigen siehe Drs. 20/10994. 5. In welchem Umfang wurde in 2017 bis zum August 2017 von der Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs Gebrauch gemacht? Im Rahmen von Jugendstrafverfahren wurden in Hamburg seit Jahresbeginn bis zum Stichtag 30.06.2017 insgesamt 67 Verfahren (mit 70 Tätern) zum Täter-Opfer- Ausgleich (TOA) durchgeführt. Die TOA-Dienststelle der Staatsanwaltschaft Hamburg bearbeitete seit Jahresbeginn bis zum Stichtag 08.08.2017 folgende Verfahren gegen erwachsene Beschuldigte: Zeitraum Verfahren Beschuldigte Geschädigte 2017 (bis 08.08.17) 331 362 385 Nicht alle dieser Verfahren sind zum Stichtag bereits abgeschlossen. 6. Wie viele Anträge wurden nach dem Opferentschädigungsgesetz bisher in 2017 beim Hamburger Versorgungsamt gestellt und über wie viele Anträge wurde bis August 2017 gesamt entschieden? a. Wie viele davon wurden bewilligt beziehungsweise abgelehnt oder auf sonstige Weise erledigt (bitte auch in Prozent angeben)? b. Wie hoch ist die aktuelle Bearbeitungszeit eines Antrags? 2017 wurde bis zum Stichtag 31.07.2017 folgende Anzahl von Anträgen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gestellt und entschieden: Status Anzahl Prozent Gestellte Anträge 240 - Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10039 3 Status Anzahl Prozent Erledigte Anträge 263 - davon: - bewilligt 91 34,6 - abgelehnt 111 42,2 - auf sonstige Weise erledigt 61 23,2 Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrags nach dem OEG beträgt rund 15 Monate. Sie ist stark von der Beteiligung Dritter abhängig. Es sind regelmäßig die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, die ärztlichen Befundberichte sowie Informationen der Krankenkassen und gegebenenfalls der Berufsgenossenschaften einzuholen . Darüber hinaus können auch eigene Ermittlungen notwendig sein, beispielsweise die Beschaffung von Zeugenaussagen. 7. Welche Opferhilfeeinrichtungen fördert der Senat seit 2017 bis zu dem Zeitraum 2020 finanziell? Bitte die geförderte Einrichtung und Höhe der finanziellen beziehungsweise geplanten Förderung angeben. Welche Beratungsstellen existieren darunter für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und wie sind diese personell und finanziell ausgestattet? Folgende Einrichtungen erhalten in 2017 eine Zuwendung, deren Höhe infolge nachträglicher Änderungen von den Angaben aus Drs. 21/7706 abweicht: Einrichtung Bewilligte Zuwendung 2017 Allerleirauh – Beratung bei sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend 205.932,44 € Dolle Deerns e.V. – Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt 142.893,77 € BIFF Harburg 91.122,80 € Im Übrigen siehe Drs. 21/7706. 8. Wie viele Plätze in Hamburger Frauenhäusern stehen derzeit zur Verfügung ? a. Wie viele Anfragen von Frauen gibt es derzeit auf einen Platz? b. Wie lange bleiben die Frauen im Durchschnitt in den Frauenhäusern ? c. Wie viele Frauen sind mit Kindern und wie viele Frauen sind ohne Kinder untergebracht? d. Wie ist die Drogenberatung personell und räumlich ausgestattet (bitte je Frauenhaus darstellen)? Die Anfragen von Frauen pro Platz werden in der Statistik der Frauenhäuser nicht erfasst. In Hamburg wird jede schutzsuchende Frau zunächst in der 24/7 aufgenommen und von dort in ein passendes Hilfesystem weitervermittelt. Im Jahr 2016 blieben die Frauen und Kinder durchschnittlich 104 Tage in den Hamburger Frauenhäusern. Diese Zahl wurde erstmals unter Berücksichtigung der Umzüge zwischen den Einrichtungen berechnet und ist insofern nicht mit den Vorjahreswerten vergleichbar. Die Drogenberatung ist kein eigener Bestandteil der Frauenhausarbeit. Frauen mit erheblicher Suchtproblematik können in den Frauenhäusern nicht aufgenommen werden , um das Zusammenleben in der Wohngemeinschaft nicht zu gefährden. Siehe auch das Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege (Drs. 20/10994). Im Übrigen siehe Drs. 21/9910 sowie Drs. 21/5214. 9. Welche Maßnahmen hat der Senat bisher im Jahr 2017 ergriffen, um auf die Hilfe für Opfer von Gewalttaten in der Öffentlichkeit aufmerksam zu machen? Welche Maßnahmen sind in 2018 geplant? Wie im Konzept des Senats (Drs. 20/10994) festgelegt, organisiert die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) regelmäßig Öffentlichkeitskampag- Drucksache 21/10039 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 nen zum Opferschutz. Nach der Kampagne von 2015 mit dem Schwerpunkt „sexualisierte Gewalt“ wird aktuell die zweite hamburgweite Kampagne zum Thema „häusliche Gewalt“ vorbereitet. Hierfür hat die BASFI im Juli 2017 gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Einrichtungen der Opferhilfe und einer beauftragten Werbeagentur einen Workshop durchgeführt, bei dem die grundlegenden Leitgedanken der Kampagne erarbeitet wurden. Die Kampagne soll im November 2017 anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen starten. Die Polizei Hamburg hat im Rahmen des Opferschutztages mit dem Schwerpunktthema „Hasskriminalität“ am 27. Februar 2017 mit diversen Fachvorträgen und Workshops neben dem Polizeivollzug die Fachöffentlichkeit sowie auch die allgemeine Öffentlichkeit erreicht. Für das kommende Jahr plant die Polizei den Opferschutztag am 24. April 2018; ein Schwerpunktthema ist derzeit noch nicht bekannt. Die bestehenden Angebote der Öffentlichkeitsarbeit werden auch in 2017 und 2018 kontinuierlich fortgesetzt. Die Planungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen. Anlassbezogen wird bei Auftreten von neuen Phänomenen problemangemessen reagiert . Im Übrigen siehe Drs. 21/8625 und Drs. 21/7706. 10. Welche Weiterbildungsangebote gibt es für Amtsträger der Strafverfolgungsorgane , um sie für die Opferbelange zu sensibilisieren? Bitte Anzahl der diesbezüglichen Weiterbildungen sowie den Umfang der Inanspruchnahme der Angebote nennen. Wenn nein, warum nicht? 2017 bis zum Stichtag 09.08.2017 hat die Akademie der Polizei in der Fortbildung folgende Lehrgänge angeboten, in denen das Thema Opferschutz konkret vermittelt wird: Lehrgangsbezeichnung Anzahl der Lehrgänge Erweiterung fachliche Kompetenz - Schutzpolizei 3 Beziehungsgewalt 2 Einschreiten bei Beziehungsgewalt 1 Fortbildung für die Tätigkeit - Besonderer Fußstreifendienst 1 An diesen Fortbildungslehrgängen nahmen insgesamt 100 Polizeibeamtinnen und -beamte teil. Die Durchführung einzelner Lehrgänge sowie die Anzahl der Teilnehmenden stehen 2017 in starker Abhängigkeit zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Einsatzes zum diesjährigen G20-Gipfeltreffen. Die Justizbehörde hat bislang im Jahr 2017 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte folgende landesinterne Fortbildungen angeboten, die auch das Thema Opferschutz behandeln: Bezeichnung der Veranstaltung Anzahl der Teilnehmenden der Staatsanwaltschaft Mit Kindern über schwierige Themen sprechen 0 Opferschutz im Strafverfahren 27 Hassrede im Internet 2 Befragung von Aussagepersonen vor Gericht 3 Darüber hinaus können die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die Angebote der Deutschen Richterakademie (DRA) nutzen. Folgende Veranstaltungen mit Bezug zum Opferschutz wurden und werden 2017 von der DRA angeboten: Bezeichnung der Veranstaltung Anzahl der Teilnehmenden der Staatsanwaltschaft Die Hauptverhandlung in Strafsachen 1 Kommunikationsanalyse und Selbsterfahrung im Strafprozess 0 Gewalt in der Familie – Familien- und strafrechtliche Aspekte 0 Strafzumessung, Opferschutz und Adhäsion noch offen: Termin im Oktober 2017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10039 5 Bezeichnung der Veranstaltung Anzahl der Teilnehmenden der Staatsanwaltschaft Ermittlungstechnik, Ermittlungstaktik noch offen: Termin im November 2017 Zudem haben die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die Gelegenheit, an Fortbildungen des Verbundes norddeutscher Bundesländer teilzunehmen. Dieser bietet in 2017 viermal die Veranstaltung „Das staatsanwaltliche Dezernat“ an, bei dem auch der Opferschutz behandelt wird. Teilgenommen haben hieran in 2017 bisher zwei Bedienstete. Zwei Veranstaltungen stehen in 2017 noch aus. Für 2018 sind weitere Fortbildungen seitens der Justizbehörde geplant, die das Thema Opferschutz behandeln. Daneben werden bei festgestellten Bedarfen entsprechende Fortbildungen auch zu Opferschutzfragen als sogenannte Inhouse-Veranstaltungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt. So werden entsprechende Veranstaltungen regelmäßig im Rahmen des Assessorenprogramms (interne Fortbildungsmaßnahme der Hamburger Staatsanwaltschaften für Berufsanfänger und gegebenenfalls weitere Interessierte) angeboten. Explizit in diesem Zusammenhang hat die Fortbildungsveranstaltung „Opferschutz im Strafverfahren und Täter-Opfer-Ausgleich“ am 1. März 2017 mit 26 Teilnehmenden stattgefunden. Auch im Rahmen allgemeinerer Fortbildungsveranstaltungen werden Opferschutzgesichtspunkte angesprochen, so beispielsweise Aspekte zur Akteneinsicht im Zusammenhang mit Geschädigten in der Fortbildungsveranstaltung für Assessoren „Effektive Sacharbeit im staatsanwaltschaftlichen Dezernat“ am 5. April 2017 mit 27 Teilnehmenden. Im Übrigen siehe Drs. 21/7706 und Drs. 21/6000.