BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10044 21. Wahlperiode 15.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 09.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Sicherung von Kontinuität und Qualität in der Wissenschaft: Wie ist es um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hamburgs Hochschulen bestellt? Der wissenschaftliche Nachwuchs ist das tragende Element unseres Wissenschaftssystems . Von seiner Entwicklung hängen Qualität und Kontinuität der Wissenschaft maßgeblich ab. Zunehmend stehen deshalb Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsperspektiven an den Hochschulen im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Regelungen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation an den Hochschulen. In diesen Kontext bettet sich der Prozess zum Hamburger „Code of Conduct“ (CoC) ein. Die Umsetzung soll laut rot-grünem Koalitionsvertrag gemeinsam mit den Hochschulen, Verbänden und Gewerkschaften erfolgen. Demnach sollen in der laufenden 21. Legislaturperiode vereinbarungsgemäß regelmäßig „Arbeitsgruppen zur prekären Beschäftigung “ tagen und fortwährend über ihre Ergebnisse berichten. Aufgrund der bestehenden Situation an Hamburgs Hochschulen gab es in dieser Legislaturperiode bereits mehrere Anfragen und Anträge der Bürgerschaft , um Sachstand und Umsetzung des CoC an den Hochschulen in Erfahrung zu bringen. Zuletzt beschloss die Bürgerschaft im Juni 2016, dass der Senat über die Entwicklung der Gespräche zur Umsetzung des Code of Conduct (CoC) berichten möge. Daraufhin folgte eine schriftliche Mitteilung vom 3.1.2017 (Drs. 21/7386). Bedauerlicherweise geht der Senat in seinen Ausführungen auf einige wesentliche Punkte nicht ein beziehungsweise führt hierzu nur sehr oberflächlich aus. Aus einer aktuellen gemeinsamen Pressemitteilung vom Deutschen Hochschulverband , GEW, ver.di, der Mittelbauvertretung „Konferenz des Akademischen Personals“, den Personalräten der TUHH sowie des WIPR der UHH (vergleiche PM vom 19.07.2017) geht hervor, dass die Behörde die Umsetzung des CoC abbrechen will, obwohl in jeder Hinsicht der Nachweis fehlt, dass tatsächlich Verbesserungen erreicht worden sind. Vielmehr scheint dringender Handlungsbedarf erforderlich, um weitere Anpassungen von Strukturen und Prozessen in den Handlungsfeldern des CoC zu erreichen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Arbeitsgruppe (AG) „Code of Conduct“ ist erstmals im März 2013 unter Moderation der zuständigen Behörde zusammengekommen. Die AG hatte das Ziel, gemeinsam mit den staatlichen Hamburger Hochschulen, Regelungen und Leitlinien zu erarbeiten , die die Beschäftigungssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Hamburg verbessern. In vier Jahren und 12 Sitzungen wurde der Prozess des „Code of Drucksache 21/10044 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Conduct“ erfolgreich entwickelt, in Teilen bereits umgesetzt und begleitet. Diese Entwicklung erlaubt es, die Arbeit des CoC in ein neues Format zu überführen, in dem die weitere Entwicklung und operative Gestaltung des CoC regelmäßig nachgehalten wird. Die zuständige Behörde beabsichtigt die Fortsetzung dieses Prozesses des CoC. Im Übrigen siehe Drs. 21/7368. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In seinen Ausführungen (vergleiche Drs. 21/7386) erklärt der Senat, dass er im Jahre 2017 eine Analyse über Menge und Umfang der Lehrbeauftragungen unter Angabe der Hochschulen vornehmen wird. Wurde diese Analyse durchgeführt? Falls nein, warum nicht? Wenn ja, wann wurde diese durchgeführt? Was hat die Analyse für diesen Bereich ergeben? Wer war/ist für die Durchführung der Analyse verantwortlich ? Die geplante Analyse zu den Lehrbeauftragten ist in Vorbereitung. Bislang liegen noch keine Daten zur Analyse vor. Zu dem in der AG verabredeten umfangreichen Datenkatalog wurde bislang mit den Hochschulen und den Interessensverbänden die konkrete Umsetzung der notwendigen einheitlichen Erfassung der in der Senatsmitteilung vom Januar genannten Daten erarbeitet. Auf dieser Grundlage werden die Hochschulen nunmehr zum jeweiligen Stichtag am 01.12. für das abgelaufene Jahr der zuständigen Behörde berichten. 2. Wurden die angekündigten regelmäßigen Treffen der Arbeitsgruppen im Jahre 2017 fortgesetzt? Was wurde in der laut Senatsmitteilung für April 2017 anberaumten Sitzung der AG besprochen? Es haben zwei Treffen stattgefunden, eines am 5. April 2017 und ein weiteres am 12. Juli 2017. Die AG befasst sich mit der Erarbeitung eines Rahmens für faire Arbeitsbedingungen und soll gemeinsam mit den Hochschulen Regelungen und Leitlinien erarbeiten . Thema der Sitzung im April war die Situation der Lehrbeauftragten. Thema der Sitzung im Juli war die Überleitung der Arbeitsweise der AG in ein Reporting und Monitoring. 3. Wurden von der Arbeitsgruppe – wie vorgesehen – erste Erfahrungen mit dem geänderten WisszeitvG erörtert? Wurde dabei auch die Situation der Lehrbeauftragten näher untersucht? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Eine Erörterung des geänderten WisszeitvG unter Beteiligung der staatlichen Hamburger Hochschulen und der zuständigen Behörde ist für Ende des Jahres 2017 geplant. 4. Der Senat führt in seiner letzten Mitteilung aus, dass „die von der UHH intern implementierten Strukturen und Prozesse unsachgemäßen Befristungen entgegenwirken.“ Wie genau sehen diese internen Strukturen der Universitäten aus? Wie gehen die Universitäten mit sachgrundlosen Befristungen um? Die staatlichen Hamburger Hochschulen haben hierzu das Folgende mitgeteilt: UHH In der Beantwortung der Drs. 21/4841 wurde bereits ausgeführt, dass an der Universität Hamburg bei allen befristeten Beschäftigungen eine Einzelfallprüfung erfolgt. Wie in der Mitteilung des Senats ausgeführt, wurden an der Universität Hamburg Musterausschreibungstexte sowie Qualifizierungsbögen für Qualifizierungsstellen entwickelt, die eine Vereinheitlichung der Praxis herbeiführen und gegenüber dem Personalrat für das wissenschaftliche Personal eine hohe Transparenz gewährleisten (Drs. 21/7386). Sachgrundlose Befristungen werden nur im Ausnahmefall vorgenom- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10044 3 men, wenn ausnahmsweise aus strukturellen Gründen keine unbefristete Beschäftigung möglich ist. TUHH Im Hinblick auf die Umsetzung des Code of Conduct stehen das Personalreferat der TUHH, das Präsidium und der Kanzler in einem Arbeitskontakt, dessen Intensität die Arbeitskontakte in den anderen Aufgabenfeldern der Personalverwaltung übersteigt. Die Umsetzung der Vorgaben des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes steht dabei in einem besonderen Fokus; das gilt auch für sachgrundlose Befristungen. HfMT Der HfMT liegen keine Informationen über die an der UHH implementierten Strukturen und Prozesse vor. Sie hat aufgrund ihrer Größe für sich bislang keine Notwendigkeit gesehen, im CoC- Kontext gesonderte Strukturen oder Prozesse zu schaffen. Die absolute Mehrzahl der an der HfMT vereinbarten befristeten Beschäftigungen erfolgt auf Basis relevanter Sachgründe (z.B. befristete Projektlaufzeiten und Mittelverfügbarkeiten, Vertretungen etc.). Sachgrundlose Befristungen kommen insofern nur selten und dann in der Regel i.Z. mit kurzfristig anfallenden Aufgaben zum Tragen (z.B. ergänzende Aushilfstätigkeiten bei Arbeitsspitzen). HAW Bereits in den vergangenen wurden befristete Arbeitsverhältnisse in Absprache mit dem Personalrat nur dann geschlossen, wenn ein sog. Sachgrund vorlag. Seit Vereinbarung des Code of Conduct sind an der HAW jedoch keine Arbeitsverträge ohne Sachgrund mehr eingegangen worden. HFBK Die HFBK vereinbart grds. keine befristeten Arbeitsverhältnisse ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes. HCU Die HCU arbeitet nicht mit sachgrundlosen Befristungen. Bereits vor dem in Hamburg erarbeiteten und umgesetzten CoC hat die HCU die Stellenstrukturen geprüft und stufenweise angepasst. 5. Warum gibt es an der Universität Hamburg nach eigenen Ausführungen unter Verweis auf die „Heterogenität der Gruppe“ noch 20 sachgrundlose Befristungen nach dem TzbfG? Warum wurden diese befristeten Stellen nach Ausführungen des Senats noch nicht in unbefristete Stellen umgewandelt ? Sachgrundlose Befristungen werden nach Auskunft der UHH nur im Ausnahmefall eingesetzt. Die erwähnten 20 sachgrundlosen Befristungen entsprachen einer Quote von 3,7 Prozent. Im Übrigen siehe Drs. 21/7386 und Antwort zu 4. 6. In den bisherigen Stellungnahmen hat der Senat die zentrale Frage unzureichend beantwortet: Welche Möglichkeiten gibt es für die Beschäftigten , im Falle einer Verletzung durch die beteiligte Hochschule die Erfüllung einzufordern? Wie gedenkt der Senat Rechtssicherheit für die Betroffenen zu gewährleisten? Was tut der Senat, um künftigem Missbrauch zu verhindern? Welche Maßnahmen können und sollten umgehend implementiert werden, um die sanktionslose Rechtspraxis der Hochschulträger bei unsachgemäßen Befristungen der Arbeitsverträge zu vermeiden? Siehe Drs. 21/7368. Im Übrigen gilt, dass die Hochschulen wie alle Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet sind, gesetz- und rechtmäßig zu handeln. Insoweit können Beschäftigte regulär Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten suchen. Aufgrund des mit den Hochschulen initiierten dauerhaften Dialogs zum CoC, der künftig auch Berichtspflichten an die zuständige Behörde umfasst, wird auf die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen ein besonderes Augenmerk liegen. 7. Wie sehen die Ergebnisse der Evaluation der Entwicklung sachgrundloser Befristungen (Anzahl, Anteil) an den beteiligten Hochschulen aus? Diese lagen bei der letzten Anfrage im Juni 2016 (Drs. 21/4841) noch nicht vor. Warum verzögert sich die Umsetzung der CoC-Richtlinie immer wieder? Drucksache 21/10044 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Es handelt sich bei dem CoC nicht um eine Richtlinie, sondern um eine Vereinbarung zwischen den Hochschulen, das heißt um einen längerfristigen Prozess. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. und die Drs. 21/4841, 20/10837 und 21/7386. 8. Auf die Frage nach der Anzahl der bisher erfolgten Entfristungen von Stellen mit Daueraufgaben (Drs. 21/4841) verweist der Senat lediglich auf die Einhaltung der angegebenen Befristungsgründe bei jedem (neuen ) Einstellungsvorgang. Es gäbe daher keine regelhaften Entfristungen von Stellen. Warum erfolgt bei der festgestellten Wahrnehmung von Daueraufgaben keine Entfristung von Stellen? Die staatlichen Hamburger Hochschulen sind im Rahmen der rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der damit einhergehenden Möglichkeit der Entfristung zuständig und haben hierzu das Folgende mitgeteilt: UHH Pauschale fachliche Definitionen der sogenannten Daueraufgaben sind, wie ausgeführt, aufgrund der Heterogenität der Gruppe nicht möglich (siehe Drs. 21/7386). TUHH An der TUHH ist eine regelhafte Entfristung von Stellen nicht vorgesehen . Es wird in jedem Fall mit Blick auf die Art der Aufgabe und den zeitlichen Horizont der Aufgabenwahrnehmung geprüft, ob eine Stelle befristet oder unbefristet besetzt wird. HfMT Siehe Drs. 21/4841. HAW Befristete Arbeitsverträge, die zur Ausübung von Aufgaben auf befristetet eingerichteten Stellen geschlossen werden, enden grundsätzlich mit dem Befristungsdatum. Sollte im Einzelfall eine Daueraufgabe aus der vormals befristeten Stelle erwachsen, so wird diese Stelle in einem routinemäßigen Verfahren ggf. neu bewertet und unbefristet ausgeschrieben. Hierzu haben Dienststelle und Personalrat eine Dienstvereinbarung geschlossen. HFBK Jedes Stellenbesetzungsverfahren unterliegt einer individuellen Prüfung. Für die dauerhafte Wahrnehmung von Aufgaben werden grundsätzlich Dauerarbeitsverhältnisse begründet. HCU An der HCU wurden insgesamt elf ehemalige Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter nach dem Auslaufen der Verträge, und Prüfung hinsichtlich der Notwendigkeit im Rahmen von Daueraufgaben , in unbefristete Stellen umgewandelt. 9. Bereits in ihrem Schreiben an die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft zu Drs. 21/1309 (9.3.2016) forderte Wissenschaftssenatorin Fegebank die Aufhebung der Tarifsperre zur Sicherung der Tarifautonomie . Was hat die Senatorin bislang unternommen, um die eigene Forderung umzusetzen? Warum ist die Tarifsperre immer noch nicht aus dem Gesetz gestrichen worden? Der Senat hat sich im Rahmen der jüngsten Novellierung des bundesweit gültigen Wissenschaftszeitvertragsgesetzes erneut für die Aufhebung der Tarifsperre eingesetzt (siehe Drs. 21/7386 und 21/1309). Ein entsprechender Antrag Hamburgs und weiterer Länder wurde jedoch in der Gegenäußerung der Bundesregierung abgelehnt. Nach Auffassung der Bundesregierung trägt die bisherige gesetzliche Regelung den unterschiedlichen Interessen angemessen Rechnung (siehe BT.-Drs. 18/6489). Eine Evaluation des neuen WissZeitVG ist für 2020 vorgesehen. Eine Anpassung des Gesetzes wird voraussichtlich nach Vorliegen der Evaluierungsergebnisse geprüft.