BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10048 21. Wahlperiode 15.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Niedmers (CDU) vom 09.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Zoll im Hamburger Hafen – Verzögerte Bearbeitungszeiten Anfang 2017 ist der Containerumschlag im Hamburger Hafen leicht gesunken . Die Umsetzungsverzögerung von wettbewerbsrelevanten Maßnahmen, wie etwa die Elbvertiefung oder die Entwicklung eines zukunftsfähigen Sedimentmanagements , erschweren die Konkurrenzsituation zu den Großhäfen Rotterdam und Antwerpen ungemein. Mit der Veröffentlichung einer aktuellen Umfrage des AGA Unternehmensverbands unter norddeutschen Groß- und Außenhändlern wird nun ein weiteres Problem aufgedeckt. Mehr als 80 Prozent der Betriebe geben an, unter langen Bearbeitungszeiten beim Zoll im Hamburger Hafen zu leiden. Aufgrund der daraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteile, erwägen fast 37 Prozent der befragten Firmen eine Verlagerung auf andere europäische Häfen. Außenhändler müssten in den meisten Fällen vier bis sechs Tage auf die Freigabe der Waren warten, 21 Prozent der Unternehmen nennen sogar eine Bearbeitungszeit von mehr als sechs Tagen. Laut AGA dauerte die notwendige Zollbearbeitung in der Vergangenheit nicht länger als zwei Tage. Folgen der Verzögerungen sind unter anderem deutlich längere Lagerzeiten, entsprechend höhere Containermieten sowie Mehraufwand durch Umdisponierungen beim Weitertransport. Für betroffene Handelsunternehmen fällt hiermit ein erheblicher Teil an zusätzlichen Kosten an. Knapp 20 Prozent der befragten Firmen veranschlagen die zusätzlichen Kosten auf mehr als 3 Prozent des Warenwerts. Die Ursache der langen Bearbeitungszeiten sei offenbar Personalknappheit beim Zoll. Um die Warenabfertigung im Hamburger Hafen zu beschleunigen, müssten die See- und Flughäfen, und dabei insbesondere auch das Hauptzollamt Hamburg Hafen, durch den Einsatz von Nachwuchskräften verstärkt werden. Beim Zollamt Waltershof, das die Kontrollen der Container vornimmt, seien derzeit rund 550 Beamte tätig. Die Wirtschaftsbehörde ließ dazu verlauten, sich über die Relevanz der Umsetzung angemessener Maßnahmen bewusst zu sein. Man stehe daher bereits in engem Kontakt mit der Hamburger Hafenwirtschaft und mit der Bundeszollverwaltung. Es ist an der Zeit, die Abfertigungen in Hamburg zu beschleunigen. Täglich arbeitet der Zoll an der Ware mit der BGV – Veterinär- und Einfuhramt – sowie der BWVI – Pflanzengesundheitskontrolle zusammen. Hinzu kommt eine Vielzahl an Behörden (zum Beispiel die Marktüberwachungsbehörde, das Amt für Arbeitsschutz), die einzuschalten sind, sofern sich Hinweise auf Verstöße (zum Beispiel Produktunsicherheit gemäß Artikel 29 VO (EG) Nummer 765/2008, Strahlenbelastung bei Teedosen aus Indien) zeigen. Bei Bedarf begeben sich diese Behörden in den Hafen. Aus diesem Grund hat der holländische Staat in Rotterdam die Idee „One-Stop-Shop“ umgesetzt. Alle für die Abfertigung relevanten Behörden sitzen in einem Gebäude. Die Abfertigung erfolgt Hand in Hand und zeitnah. Mithilfe der One-Stop-Shop- Drucksache 21/10048 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Strategie würde die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens durch die beschleunigte Abfertigung gesteigert werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zollrechtliche Abfertigung bei der Ein- und Ausfuhr von Waren im Hamburger Hafen liegt in der alleinigen Zuständigkeit des Bundes, hier der Bundeszollverwaltung, die dem Bundesfinanzministerium (BMF) unterstellt ist. Nach Angaben der Bundeszollverwaltung kommt es derzeit aufgrund des großen Importvolumens und der aktuellen Personalsituation beim Hauptzollamt Hamburg-Hafen – Zollamt Waltershof zu teilweise längeren Bearbeitungszeiten im Hamburger Hafen. Konkrete Verbesserungsmaßnahmen können allein durch die hierzu befugte Bundeszollverwaltung ergriffen und umgesetzt werden. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) steht als Ansprechpartnerin der Unternehmen im engen Kontakt mit der hiesigen Hafenwirtschaft und mit der Bundeszollverwaltung. Ihr kommt vornehmlich eine moderierende Rolle zu. Die von den Unternehmen geäußerten Sorgen nimmt der Hamburger Senat sehr ernst. Effiziente Zollabfertigungsverfahren sind ein grundlegendes Standortkriterium, durch das sich der Hamburger Hafen stets ausgezeichnet hat. Aus Sicht der BWVI stellen die derzeitigen Abfertigungsprobleme ernstzunehmende Wettbewerbsnachteile für den Hafen dar, die zügiges und entschlossenes Handeln der zuständigen Bundeszollverwaltung erfordern. Infolge der in dem Arbeitskreis Zoll und Hafen am 15. Juni 2017 vorgetragenen Beschwerden der Unternehmensverbände hat der Staatsrat der zuständigen BWVI in einem Schreiben vom 22. Juni 2017 gegenüber dem zuständigen Staatssekretär des BMF Maßnahmen des Bundes zur Verbesserung der derzeitigen Abfertigungssituation eingefordert. Unabhängig davon ist auch die weitere Digitalisierung der Arbeitsabläufe zwischen der Bundeszollverwaltung und den beteiligten Landesbehörden, insbesondere der Pflanzengesundheitskontrolle und der Veterinärabfertigung, zur Verbesserung der Abfertigung unabdingbar und wird intensiv entwickelt. Im Übrigen siehe Drs. 21/10032. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Generalzolldirektion wie folgt: 1. Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde die personelle Problematik bei den Hamburger Zollämtern schon vor der AGA-Umfrage bekannt gewesen? a. Wenn ja, seit wann? 2. Wann wurde mit welchen Akteuren der Hafenwirtschaft Kontakt aufgenommen ? 3. Wann und mit welchem Inhalt fanden Gespräche seitens der zuständigen Behörde und Akteuren der Hamburger Hafenwirtschaft sowie der Bundeszollverwaltung statt? Welche Ergebnisse resultierten daraus? Der Behörde wurde ein Schreiben mehrerer Verbände der Hafenwirtschaft an den Abteilungsdirektor der zuständigen Generalzolldirektion vom 9. August 2016 zugeleitet , in der die Verbände die Abfertigungsdauer kritisieren und diese auf Personalknappheit innerhalb des Hauptzollamts Hamburg-Hafen – Zollamt Waltershof zurückführen . Darüber haben sich die Verbände der Hafenwirtschaft, die Bundeszollverwaltung , die Handelskammer, die BWVI und betroffene Akteure am 6. Dezember 2016 nochmals ausgetauscht. In der Sitzung des Arbeitskreises Zoll und Hafen vom 15. Juni 2017 hat die Generalzolldirektion des Bundes verkündet, dass sie, um die Warenabfertigung im Hamburger Hafen zeitnah zu beschleunigen, bestrebt ist, die See- und Flughäfen und dabei insbesondere auch das Hauptzollamt Hamburg Hafen – Zollamt Waltershof kurzfristig durch den Einsatz von zusätzlichem Personal zu verstärken . Darüber hinaus unterstützen Beschäftigte anderer Zollämter bei der Bearbei- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10048 3 tung elektronischer Zollanmeldungen, um die Bearbeitungszeiten der Zollanmeldungen im Hamburger Hafen zu reduzieren. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Folgen der derzeitigen Situation des Zolls im Hamburger Hafen, insbesondere im Hinblick auf das Konkurrenzverhältnis zu anderen europäischen Häfen? Effiziente Zollabfertigungsverfahren sind ein grundlegendes Standortkriterium, durch das sich der Hamburger Hafen stets ausgezeichnet hat. Aus Sicht der BWVI ist daher ein zügiges und entschlossenes Handeln der zuständigen Bundeszollverwaltung erforderlich, damit keine Wettbewerbsnachteile für den Hamburger Hafen aus der derzeitigen Abfertigungssituation erfolgen. Von der Personalaufstockung des Hauptzollamts Hamburg-Hafen – Hamburg Waltershof, der vorrangig begegnet werden muss, erhofft sich die BWVI eine Entspannung der aktuellen Situation. 5. Firmen klagen darüber, dass im Hamburger Hafen häufiger als in Häfen von Antwerpen und Rotterdam zollspezifisch kontrolliert wird. Ist dem Senat das Problem bekannt? a. Wurde diese Problematik bereits mit der Zollverwaltung diskutiert? b. Wenn ja, welche Ergebnisse wurden erarbeitet? c. Wenn nein, warum nicht? Alle Zollkontrollen, auch die im Hamburger Hafen, basieren nach Unionsrecht auf einer Risikoanalyse. Diese Risikoauswahl wird um einen Zufallsaspekt ergänzt. Da bestimmten Waren höhere Risiken zugeordnet werden, werden diese im Vergleich zu Waren mit einer niedrigeren Risikobewertung grundsätzlich häufiger kontrolliert. 6. Welche Strategie verfolgt der Senat im Hinblick auf die massiven Probleme beim Hamburger Zoll? Siehe Vorbemerkung. 7. Nach Rücksprache mit österreichischen Wirtschaftsvertretern wurde mir mitgeteilt, dass in Österreich eine automatisierte Abfertigung in 95 Prozent aller Abfertigungen erfolgt. Die Abfertigung erfolgt in diesen Fällen innerhalb von zehn Minuten. Wurden derlei Ansätze bereits mit der Zollverwaltung erörtert? a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? b. Wenn nein, warum nicht? Die Zollverwaltung arbeitet seit Jahren IT-gestützt. Die Antragsbearbeitung und Erstellung von Zollbescheiden erfolgt elektronisch mit dem IT-Verfahren ATLAS. Die automatisierte Bescheiderstellung für Zollanmeldungen vor Gestellung im IT- Verfahren ATLAS wurde für die vereinfachten vorzeitigen Zollanmeldungen im August 2016 umgesetzt. Die angestrebte automatische Bescheiderstellung für Zollanmeldungen vor Gestellung für das Normalverfahren wird von der Generalzolldirektion weiter vorangetrieben. Weitere Vereinfachungen für eine schnellere Warenabfertigung werden zurzeit ebenfalls untersucht. 8. Verfolgt der Senat auch eine One-Stop-Shop-Strategie? a. Wenn ja, welche Planungen wurden bereits unternommen? Wann wurde sich diesbezüglich mit dem Zoll ausgetauscht? Wurde eine entsprechende Arbeitsgruppe bereits eingesetzt? Welche Ergebnisse wurden erzielt? b. Wenn nein, warum wird diese Strategie nicht verfolgt? Die für die Veterinärabfertigung zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) und die BWVI streben eine enge Kooperation mit dem Zoll an, um mögliche Synergieeffekte zu nutzen und die Abfertigungszeiten für die Wirtschaft zu ver- Drucksache 21/10048 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 kürzen. Zudem werden die BWVI und die BGV im Rahmen einer unter anderem One- Stop-Shop-Strategie eine stärkere Vernetzung mit der Bundesbehörde Zoll im IT- Bereich umsetzen, insbesondere angesichts der Umsetzung des neuen EU-Kontrollrechts und der damit verbundenen Einführung des Systems TRACES (TRAde Control and Expert System). Im Übrigen siehe Vorbemerkung.