BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10065 21. Wahlperiode 18.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 10.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Schilleroper: Wer unterstützt Investorin bei möglicher Umgehung des Baurechts und des Denkmalschutzes? Am 26.7.2017 lud das Bezirksamt Hamburg-Mitte zu einer Informationsveranstaltung über die Planungen zur Schilleroper ein. Rund 200 interessierte Besucher/-innen waren gekommen. Anders als erwartet, war die Investorin selbst nicht vertreten. Vielmehr übernahm der Leiter des Bezirksamtes Hamburg -Mitte, Falko Droßmann, „aus Gründen“ die Vorstellung der Ideen der Investorin. Dieses Vorgehen löste erhebliche Irritationen aus. Mehrere Redner /-innen kritisierten die Unklarheit der Rolle des Bezirksamtsleiters. Für noch mehr Empörung sorgte der Inhalt der Planungen. Mit einem zehnstöckigen Wohngebäude geht die Investorin weit über das hinaus, was nach dem Bebauungsplan überhaupt genehmigungsfähig ist. Dabei muss der Investorin und ihrem Architekten klar sein, was rechtlich zulässig ist. Laut Senatsantwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/8691, Nummer 2, hat es diverse Gespräche gegeben: „Vertreter des Denkmalschutzamtes, des Bezirksamtes Hamburg-Mitte sowie der Oberbaudirektor haben sich in mehreren Gesprächen mit Vertretern des Eigentümers am 10. Dezember 2014, 13. März 2015, 10. August 2015, 3. September 2015, 10. Februar 2016, 6. September 2016, 14. Dezember 2016 und 15. März 2017 u.a. über unterschiedliche Planungsüberlegungen des Eigentümers, das Erhaltungsinteresse und die Grundlagen des Denkmalschutzes ausgetauscht.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Der Dreh- und Angelpunkt der Weiterentwicklung der Schilleroper und des Geländes drum herum ist der Denkmalschutz. Weshalb wurde die Denkmalschutzbehörde nicht vom Bezirksamt als offizielle Vertreterin auf das Podium eingeladen? Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat die Leitung des zuständigen Bezirksamtes am 4. Juli 2017 aufgefordert, kurzfristig eine Informationsveranstaltung zum Thema durchzuführen, um die Bevölkerung über den aktuellen Stand der Planungen der Eigentümerin zu informieren. In der Veranstaltung wurde ein Entwurf zum Bebauungskonzept vorgestellt. Die umfassende Prüfung des Konzepts erfolgt erst nach der Diskussion in der Veranstaltung. Dies betrifft auch die denkmalfachlichen Aspekte. 2. Hat das Bezirksamt bei den „Planungsüberlegungen des Eigentümers“ auf die Bestimmungen des Bebauungsplans hingewiesen? Falls ja, was wurde der Eigentümerin oder ihren Vertretern/-innen hinsichtlich der maximal zulässigen Höhe von Bauten im B-Planbereich mitgeteilt? Drucksache 21/10065 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Falls nein, weshalb nicht? Die Eigentümerin wurde frühzeitig und umfassend auf das geltende Planungsrecht und die hier festgesetzten maximalen Gebäudehöhen seitens des zuständigen Bezirksamtes hingewiesen. 3. Welche gegebenenfalls alternativen Ideen hat das Bezirksamt in den diversen Gesprächen hinsichtlich der Nutzung, der Grundrisse und/oder der Gebäudehöhen eingebracht? 4. Für welche Ideen der Eigentümerin wurden durch das Bezirksamt oder andere Fachbehörden Kompromissvorschläge entwickelt und wie sahen/ sehen die gegebenenfalls aus? Das Bezirksamt hat die Entwicklung des Objektes in einer Vielzahl von Terminen mit den wechselnden Eigentümern in den vergangenen Jahren wiederholt konstruktiv unterstützt und in den Gesprächen insbesondere auch die Bedarfe aus dem Stadtteil an Räumen für Kultur, Kleingewerbe und an unterschiedlichen Wohnformen mit Blick auf die besondere Lage im Stadtteil St. Pauli erläutert. 5. Unter welchen Bedingungen wurden der Eigentümerin Kompromisse oder Zugeständnisse in Aussicht gestellt? Weder seitens des Bezirksamtes Hamburg-Mitte noch seitens anderer Behörden wurden Kompromisse oder Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Die rechtssichere Zustimmung etwa zu möglichen Befreiungen vom geltenden Planungsrecht kann nur in einem formalen Genehmigungsverfahren (etwa Bauvorbescheidsverfahren gemäß § 63 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO)) erfolgen. Dieser Sachverhalt wurde seitens des Bezirksamtes in allen Gesprächen betont. 6. Welche Gebäudehöhe und welche Anzahl von Stockwerken sind nach dem geltenden B-Plan zulässig? Der geltende Bebauungsplan St. Pauli 42 setzt für das Flurstück 1051 differenzierte überbaubare Flächen fest. Für die leicht nach Norden zu translozierende Rotunde der Schilleroper wird eine maximale Gebäudehöhe von 10 beziehungsweise 24 m festgesetzt . Auf dem südlichen Grundstücksteil wird eine maximale Gebäudehöhe von 21,4 m festgesetzt. Eine Geschossigkeit ist nicht festgesetzt. 7. § 31(2) Baugesetzbuch regelt die Möglichkeit für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. a. Was ist bei der Schiller-Oper konkret unter den „Grundzügen der Planung“ zu verstehen (Nutzung, Gebäudehöhe, ...)? b. Welche „Gründe des Wohls der Allgemeinheit“ können hier konkret für eine Befreiung geltend gemacht werden? c. Welche maximale Abweichung von der Gebäudehöhe und anderen Festsetzungen ist hier möglich? Die Spielräume für Befreiungen nach § 31 (2) BauGB etwa hinsichtlich Nutzung und/oder Gebäudehöhen können nur im Falle einer konkret beantragten Planung (Bauvorbescheids- oder Bauantrag gem. HBauO) ermittelt werden. Gleiches gilt für die Betroffenheit der Grundzüge der Planung. 8. Einen Besucher der Informationsveranstaltung interessierte, weshalb die Adresse der Eigentümerin, deren Firma nach Aussagen des Bezirksamtsleiters nur aus ihr, einem Mitarbeiter und einer Bürokraft bestehe, identisch sei mit der eines großen Immobilienunternehmens. Der Bezirksamtsleiter sagte eine Prüfung zu. a. Welche Erkenntnisse hat der Senat mittlerweile über die Verflechtung der derzeitigen Eigentümerin mit Immobilienunternehmen oder anderen Firmen? Keine. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10065 3 b. Geht der Senat davon aus, dass es sich hier um eine Privateigentümerin handelt, die als (zukünftige) Bestandshalterin Wohnungen bauen will? Falls ja, auf welcher Grundlage ist der Senat zu dieser Einschätzung gekommen? Ja, dies wurde in Gesprächen des zuständigen Bezirksamts von der Eigentümerin mehrfach so erklärt. Weitere Überprüfungen können erst nach Vorlage eines Abrissbeziehungsweise Bauantrags vorgenommen werden. 9. Laut Bezirksamtsleiter haben sich „alle darauf geeinigt, ein drittes Gutachten zum Denkmalschutz“ über die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Bereich ABH, erstellen zu lassen. a. Weshalb soll ein weiteres Gutachten erstellt werden? b. Wer hat eine weiteres Gutachten vorgeschlagen oder eingefordert? c. Wer hat sich auf dieses Gutachten geeinigt? d. Wer trägt die Kosten für das Gutachten? e. Was wird untersucht beziehungsweise begutachtet und wie lautet der genaue Auftrag des Gutachtens? f. Wird es während der Gutachtenbearbeitung und vor der Veröffentlichung Gespräche der Gutachter/-innen mit den beteiligten Dienststellen und der Eigentümerin geben? Falls ja, mit welchem Ziel und welcher Einflussnahme? g. Sind an die verschiedenen möglichen Ergebnisse des Gutachtens mündliche Zusagen geknüpft beziehungsweise dazu Absprachen getroffen worden? Wenn ja, welche? h. Wann ist mit der Fertigstellung des Gutachtens zu rechnen? i. Wird das Gutachten in seiner Ursprungsform der Öffentlichkeit vorgestellt ? Falls ja, wann? Falls nein, weshalb nicht? j. Wird das Gutachten im Transparenzportal veröffentlicht? Falls nein, weshalb nicht? k. Wird das Ergebnis des Gutachtens die alleinige Entscheidungsgrundlage für Abriss oder Erhalt sein? Falls ja, mit welcher Begründung? Falls nein, was wird noch zur Entscheidungsgrundlage gemacht? Nach Vorlage eines Gutachtens der Eigentümerin, das die technische Möglichkeit der Erhaltung des Denkmals Schilleroper infrage stellt, hat die für den Denkmalschutz zuständige Behörde mit Unterstützung eines Gutachters dargelegt, dass die Schlussfolgerungen des ersten Gutachtens nicht zutreffend sind. In einem Gespräch zwischen der Eigentümerin, dem zuständigen Bezirksamt und der zuständigen Behörde am 21. Juni 2017 wurde dazu der Gedanke entwickelt, hinsichtlich der streitigen Standfestigkeit des Stahlgerüsts zusätzlichen technischen Sachverstand durch eine Stellungnahme des Amtes für Bauordnung und Hochbau der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen einzubeziehen. Die Kosten trägt die zuständige Behörde. Eine Beauftragung ist noch nicht erfolgt. Alleinige Entscheidungsgrundlage kann eine solche Stellungnahme jedoch keinesfalls sein, da es nur um technische Aspekte geht. Weitere Aspekte sind insbesondere der verbleibende Denkmalwert, abhängig von der zu erhaltenden Substanz und von deren Drucksache 21/10065 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Integration in ein Bebauungskonzept für das Gesamtgrundstück, und die Wirtschaftlichkeit einer denkmalgerechten Gesamtlösung.