BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10096 21. Wahlperiode 22.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 14.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Erscheinungspflicht von Zeugen/-innen bei polizeilichen Vorladungen Im Rahmen der Verabschiedung von Drs. 18/11277 von Bundestag und Bundesrat wurde unter anderem der § 163 Absatz 3 StPO in der Form geändert , dass unter anderem die Ladung von Zeugen/-innen von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (beispielsweise Polizeibediensteten) sowie die Aussagepflicht dieser bei Androhung eines Ordnungsgeldes (auf richterliche Anordnung sogar Ordnungshaft) verpflichtend sind, sofern diesen ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Hierbei regelt die Gesetzesänderung nicht, ob ein solcher Auftrag der Staatsanwaltschaft individuell erfolgen muss oder ob dieser von der Staatsanwaltschaft auch pauschal geleistet werden kann. Des Weiteren ist weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Bundestagsdrucksache erkennbar, inwieweit der vorgeladene Zeuge/die vorgeladene Zeugin Kenntnis davon erhält, dass der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt und somit bei Nichterscheinen ein Ordnungsgeld droht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwiefern wird in Hamburg ein solcher Auftrag der Staatsanwaltschaft individuell für jede einzelne Vorladung festgelegt oder kann dieser den Ermittlungspersonen auch pauschal gegeben werden? a. Wenn individuell, in welchen Fällen ist mit einem solchen Auftrag zu rechnen? b. Wenn pauschal, wieso kann ein solcher Auftrag pauschal erfolgen? c. Wenn pauschal, würde dies auch bedeuten, dass Polizeibedienstete bei einer Zeugenvernehmung vor Ort direkt eine solche Ladung aussprechen können und somit der/dem Betroffenen im Falle einer Aussageverweigerung die Verhängung eines Ordnungsgeldes droht? Das Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten. Aufträge im Sinne des § 163 Absatz 3 der Strafprozessordnung (StPO) n.F. wurden daher bisher nicht erteilt. Eine vom Einzelfall losgelöste pauschale Auftragserteilung wurde im Übrigen bisher nicht erwogen. 2. Wie wird die/der Betroffene darauf hingewiesen, dass der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt und ihm bei Nichterscheinen oder Aussageverweigerung ein Ordnungsgeld droht? a. Wie ist dies für die Zeugin/den Zeugen ersichtlich? Wird dies in der Vorladung erwähnt? b. Falls ja, mit welchem Wortlaut? Drucksache 21/10096 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 c. Falls nein, warum nicht? Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung werden die Vorladungsformulare für Zeugen entsprechend angepasst. Nähere Angaben sind dazu derzeit noch nicht möglich. 3. Kann eine solche Ladung mit Auftrag der Staatsanwaltschaft nur schriftlich erfolgen oder auch mündlich? Wenn mündlich, inwiefern geschieht eine Aufklärung der/des Betroffenen zu seinen Pflichten als Zeugin/ Zeuge? Grundsätzlich erfolgen Zeugenvorladungen schriftlich. In Ausnahmefällen können Zeugenvorladungen auch mündlich erfolgen. Der Zeuge wird in diesem Gespräch über seine Rechte und Pflichten aufgeklärt. Die geplante Gesetzesänderung wird daran nichts ändern. 4. Inwiefern wird bei einer solchen Ladung im Auftrage der Staatsanwaltschaft der/dem Betroffenen ausreichend Zeit eingeräumt, um sich rechtlichen Beistand zu organisieren? 5. Inwiefern wird bei der Vorladung Rücksicht auf die Lebensumstände der betroffenen Person genommen, sodass zum Beispiel keine kurzfristigen Ladungen an einen anderen Ort als den Aufenthaltsort der Person stattfinden ? Bei Vorladungen wird auf die berechtigten Interessen des Zeugen Rücksicht genommen . Auch insoweit ist durch die geplante Neufassung keine Änderung der Ladungspraxis zu erwarten. 6. Strafverteidiger/-innen befürchten in Kommentaren zum Gesetzesentwurf , dass das Gesetz systemwidrige – und rechtswidrige – Ermittlungsanreize bewirke. So ist aus Sicht dieser Kommentare zu befürchten, dass Menschen, bei denen aus Sicht der Ermittlungsbehörden bereits ein gewisser Tatverdacht besteht, um von der Erscheinungspflicht zu profitieren, zunächst als Zeugen/-innen vorgeladen werden. Inwiefern ist sichergestellt, dass sie von den Ermittlungspersonen nicht als Zeugen/- innen vorgeladen werden, um das Recht auf Aussageverweigerung nicht beziehungsweise nur erschwert wahrnehmen zu können? Die in Rede stehende Gesetzesänderung ist auf Zeugenvernehmungen beschränkt und bei Beschuldigten nicht anwendbar. Bei Zweifeln über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten sowie über die Frage der Anwendung der in §§ 51 und 70 StPO genannten Maßnahmen entscheidet die Staatsanwaltschaft beziehungsweise das Gericht im Falle der Festsetzung von Ordnungs- und Erzwingungshaft (vergleiche § 163 Absatz 4 Nummer 1 und 4 StPO n.F.).