BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10136 21. Wahlperiode 29.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Duwe und Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 21.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Luftqualität in Innenräumen Neben den derzeit intensiv diskutierten Anforderungen an die Qualität der Außenluft kann auch die Innenraumluft aufgrund von Schadbelastungen teilweise erheblich belastet sein. Dies ist umso bedeutender, als die meisten Menschen sich überwiegend in Innenräumen aufhalten, sei es zum Arbeiten oder während der Nachtstunden. Zum Schutz der Gesundheit wurden für unterschiedlichste Schadstoffe Richt- beziehungsweise Leitwerte festgelegt, die nicht überschritten werden sollen. Diese müssen selbstverständlich auch in öffentlichen Einrichtungen eingehalten werden. Angesichts der langen Expositionszeiträume ist die Bedeutung der chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Beschaffenheit der Innenraumluft von großer Bedeutung für die Gesundheit, gerade weil die Betroffenen wiederkehrend denselben Belastungen in denselben Räumen ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie bewertet der Senat die gesundheitlichen Risiken, die von belasteter Innenraumlauf ausgehen? Wie bewertet der Senat diese Risiken im Vergleich zu den Gesundheitsgefährdungen, die in Verbindung mit den Luftschadstoffen der Außenluft in Verbindung gebracht werden? Eine pauschale Antwort ist nicht möglich, da die gesundheitlichen Risiken jeweils von Art und Ausmaß der Schadstoffbelastung abhängen und diese wiederum insbesondere in Innenräumen von der individuellen Nutzung (zum Beispiel Lüftungsverhalten, Rauchen, Kaminnutzung, Wahl der Einrichtungsgegenstände im Hinblick auf ihr Emissionsverhalten ). Für die Außenluft werden Grenz- oder Zielwerte auf europäischer Ebene festgelegt und in der 39. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) in Deutschland umgesetzt. Für Innenräume1 leitet der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) Richtwerte I und II sowie Leitwerte ab. Im Hinblick auf Arbeitsplätze in Innenräumen wird zwischen Arbeitsplätzen mit oder ohne Umgang mit Gefahrstoffen unterschieden . Im ersten Fall gelten Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und/oder Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK); ansonsten gelten für Innenraumarbeitsplätze (zum Beispiel im Büro) ebenfalls die Richtwerte des AIR sowie die Arbeitsstättenverordnung , die während der Nutzungsdauer gesundheitlich zuträgliche Atemluft verlangt , deren Qualität (mindestens) der Außenluft entsprechen soll. 1 Definition: http://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionenarbeitsgruppen /ausschuss-fuer-innenraumrichtwerte-vormals-ad-hoc#textpart-2. Drucksache 21/10136 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen zur Quantifizierung der Gesundheitseffekte (beispielsweise Mortalität aufgrund aller oder einzelner Luftschadstoffe, Prävalenz und Inzidenz ausgewählter Erkrankungen ), die von belasteter Innenraumlauf ausgehen sind dem Senat bekannt? Was sind die Kernaussagen dieser Studien? In epidemiologischen Studien wird untersucht, ob zwischen bestimmten gesundheitlichen Effekten und einzelnen Parametern ein Zusammenhang abgeleitet werden kann, wie zum Beispiel in Studien zur Mortalitätsrate durch Passivrauchen (http://rdcu.be/uAWl). Weltweit wurde eine Vielzahl epidemiologischer Studien durchgeführt , die je nach Studiendesign unterschiedliche Ergebnisse lieferten. Eine Kernaussage ist daher nicht möglich. 3. Inwieweit gelten bei Innenräumen andere Grenzwerte für NOx und Feinstaub als am Straßenrand? Für Stickstoffdioxid (NO2) gibt es einen Außenluftgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) und die Innenraumrichtwerte I (Vorsorgewert) und II (Gefahrenwert ) von 6 und 60 µg/m³ (Wochenmittel). Erläuterungen hierzu sind unter anderem auf der Seite des Umweltbundesamtes zu finden: http://www.umweltbundesamt.de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft. Für NOx gibt es nur einen kritischen Wert zum Schutz der Vegetation von 30 µg/m³ (39. BImSchV). Für Feinstaubpartikel PM10 beträgt der über den Tag gemittelte Immissionsgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit am Straßenrand 50 µg/m3 bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr, der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert 40 µg/m³. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert am Straßenrand für PM2.5 25 µg/m³. Die WHO empfiehlt für die Außenluft Luftgüteleitwerte (Zielwerte) von 20 µg/m³ PM10 (Jahresmittel) beziehungsweise 10 µg/m³ PM2,5 (Jahresmittel) und Kurzzeitwerte von 50 µg/m³ PM10 (24 Stundenmittel) beziehungsweise 25 µg PM2,5 (24 Stundenmittel). Für Innenräume gibt es keinen Grenzwert für Feinstaub. 4. Hält der Senat diese anderen Grenzwerte für gerechtfertigt? Wenn nein: Wird er sich für eine Änderung einsetzen? Die zuständige Behörde hält die etablierten Bewertungsmaßstäbe für gerechtfertigt. 5. Werden Raumluftanalysen in Hamburg regelhaft oder nur anlassbezogen durchgeführt? Nach der Hamburger Passivraucherschutzverordnung (HmbPSchV) sollen die raumlufttechnischen (RLT)-Anlagen der in Gaststätten eingerichteten Raucherräume jährlich durch eine Feinstaub-Messung (PM2.5) überprüft werden. Sonstige Raumluft-Messungen erfolgen anlassbezogen. a. Welche Parameter werden bei solchen Raumluftanalysen betrachtet ? Die Auswahl der Parameter erfolgt anlassbezogen. b. Sofern Raumluftanalysen regelhaft durchgeführt werden: Bitte Turnus angeben. Entfällt. c. Sofern Raumluftanalysen lediglich anlassbezogen durchgeführt werden: Welche Anlässe sind dies und hält der Senat eine anlassbezogene Raumluftanalyse für ausreichend? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10136 3 Die Anlässe sind meistens Geruchsbeschwerden und in seltenen Fällen leichte gesundheitliche Beschwerden. Es hat sich gezeigt, dass anlassbezogene Untersuchungen ausreichend sind. Im Hinblick auf Arbeitsplätze ist anzumerken, dass es Aufgabe des jeweiligen Arbeitgebers ist, im Rahmen der Beurteilung der mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. In der Regel reichen die mit der Arbeitsstättenverordnung vorgegebenen Anforderungen an Lüftung und Raumabmessung aus, um gesundheitlich zuträgliche Atemluft in Arbeitsräumen zu gewährleisten. In Einzelfällen können zusätzlich Raumluftanalysen erforderlich sein. Hierüber liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor. 6. Wie viele Raumluftanalysen wurden in Hamburg im Jahre 2016 und im 1. Halbjahr 2017 durchgeführt? Sofern keine Daten zu privaten Gebäuden vorliegen, bitte Informationen für öffentliche Gebäude, Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg, Gebäude von öffentlichen Unternehmen , Schulen, Kindergärten et cetera angeben. Daten zu privaten Gebäuden liegen nicht vor. Untersuchungen der Innenraumluft im Zeitraum 2016/1. HJ 2017: Einrichtungen/öffentliche Gebäude Zahl der Raumluftanalysen Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH 113 f & w fördern und wohnen AöR – f&w 3 Elbe-Werkstätten GmbH 40 Landesbetrieb Erziehung und Beratung – LEB 2 Jugendfreizeitstätten (Hamburg Nord) 2 Vom Bezirksamt Mitte veranlasst 2 Im Geschäftsbereich der Justizbehörde 3 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 6 Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg 2 Technische Universität Hamburg-Harburg 15 Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation inklusive Landesbetriebe und zugehörige öffentliche Unternehmen 14 Finanzbehörde 4 Gebäude der Steuerverwaltung 1 Berufsbildende Schulen 3 Von Schulbau Hamburg und GMH | Gebäudemanagement Hamburg GmbH und der SAGA Unternehmensgruppe anlassbezogen durchgeführte Analysen Anzahl ist nicht statistisch erfasst und die Auswertung von Hundert beziehungsweise Tausend gebäudebezogenen Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich 7. Bei welchen der unter 4. genannten Raumluftanalysen wurden Überschreitungen der vom Umweltbundesamt (Ausschuss für Innenraumrichtwerte ) aufgestellten Richtwerte festgestellt? Für die in der Antwort zu 3. genannten Parameter (NOx und Feinstaub) wurden keine Richtwerte abgeleitet. Überschreitungen der Richtwerte für Stickstoffdioxid (NO2) sind in der BGV nicht bekannt. 8. Bei welchen der unter 3. genannten Raumluftanalysen wurden Überschreitungen der vom Umweltbundesamt (Ausschuss für Innenraumrichtwerte ) aufgestellten Leitwerte festgestellt? Drucksache 21/10136 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Für die in der Antwort zu 3. genannten Parameter wurden vom Ausschuss für Innenraumrichtwerte keine Leitwerte aufgestellt. Für Innenräume ohne Feinstaubquellen empfiehlt der AIR den Güteleitwert der WHO von 25 µg/m³ (24 Stundenmittelwert) als Orientierungswert. In früheren Untersuchungen, als das Rauchen noch nicht eingeschränkt war, wurden besonders hohe Überschreitungen in Diskotheken und Kneipen /Bars festgestellt. Aktuell ist in Hamburg nur eine Überschreitung bekannt. 9. Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn eine Überschreitung der Richt- beziehungsweise Leitwerte festgestellt wurde? Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte hat die zu ergreifenden Maßnahmen in einem Basispapier beschrieben: http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/ pdfs/Handreichung.pdf.