BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10147 21. Wahlperiode 29.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 22.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel unter Beteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg Die bisherigen Einlassungen des Senats zum Entzug von Akkreditierungen stimmen mit öffentlich vorliegenden Informationen beziehungsweise mit Mitteilungen der Bundesregierung nicht immer überein. Laut Antwort des Senats auf Frage 4. in Drs. 21/9947 vom 01.08.2017 sollen der zuständigen Behörde zum genannten Zeitpunkt keine Erkenntnisse darüber vorgelegen haben, ob Geheimdienste Einfluss auf die Erstellung der Sperrliste genommen oder in sonstiger Form hierzu beigetragen haben. Auch sollen die zuständigen Dienststellen beziehungsweise die zuständige Behörde danach über die Hintergründe der Sperrlisten nichts gewusst haben. Gefragt, wann welche zuständigen Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg Kenntnis von einer Sperrliste erhalten habe, auf der Personen, insbesondere Journalisten, stünden, die trotz vorheriger Akkreditierung keinen Zutritt mehr zum Tagungsort des G20 erhalten sollten, antwortete der Senat, die Polizei habe am 7. Juli 2017 um 14.24 Uhr durch das BKA davon erfahren , der Präses und der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport hätten am Nachmittag des 7. Juli Kenntnis erhalten, dass einzelnen Journalisten die Akkreditierung durch das BKA entzogen worden ist. Demgegenüber behauptet die Bundesregierung auf eine Anfrage von Ulla Jelpke, Jan van Aken und anderen Abgeordneten (BT.-Drs. 18/13146), dass die Namensaufstellung auf der Sicherheitsüberprüfung gründet, die ausschließlich unter Zugriff auf Datenbanken und Informationsquellen des BKA mit zusätzlicher Anfrage bei den Verfassungsschutzbehörden und den Polizeibehörden der Länder erfolgte (Antwort auf Frage 24.). Auch sei neben dem BKA die Landespolizei Hamburg für das Vervielfältigen und Verteilen der Liste verantwortlich gewesen (Frage 25.). Die Landespolizei Hamburg wie angewiesen worden, elektronisch zugesandte Listen zu löschen; nach Kenntnis der Bundesregierung erstellte die Polizei Hamburg in ihrer Verantwortung eine eigene Namensaufstellung für die durch sie eingerichteten Kontrollstellen im Vorfeld des Medienzentrums (Frage 26.). Das BKA habe die Namensaufstellung an die Landespolizei Hamburg übersandt (Frage 28.). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Für die Veranstaltungsorte sowie für die Hotels, für die vom Bundeskriminalamt (BKA) Maßnahmen des Personen- beziehungsweise Objektschutzes veranlasst wurden, erfolgte eine Akkreditierung sämtlicher Journalisten und Service-Mitarbeiter. Für die Akkreditierung von Journalisten war das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) federführend zuständig, für die Akkreditierung der Service-Mitarbeiter Drucksache 21/10147 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 das BKA. Das BKA führte für eigene Bedarfe und für das BPA Personenüberprüfungen zum Zwecke des Personenschutzes unter Beteiligung weiterer Sicherheitsbehörden durch. In diesem Zusammenhang hat das BKA der Polizei Hamburg ab dem 22. Mai 2017 über 21.000 Personendaten übermittelt. Die Polizei Hamburg hat die entsprechenden Überprüfungen durchgeführt und deren Ergebnisse an das BKA gemeldet; Bewertungen der übermittelten Erkenntnisse erfolgten ausschließlich durch das BKA. Angaben zum Verfahren beziehungsweise zur Art der Erkenntnisse, die zum Ausschluss einzelner Personen während des G20-Gipfels oder eventuell schon im Vorhinein geführt haben, liegen der Polizei Hamburg nicht vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann haben das Bundeskriminalamt oder gegebenenfalls andere Bundesbehörden bei der Polizei Hamburg beziehungsweise beim LfV Hamburg im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel Informationen über Personen abgefragt? Abfragen im Sinne der Fragestellung sind bei der Polizei Hamburg nur durch das BKA erfolgt; im Übrigen siehe Vorbemerkung. Die über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Zentralstelle der Verfassungsschutzbehörden gesteuerten Anfragen des Bundeskriminalamtes (BKA) an das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg wurden im Zeitraum 30. Mai bis 7. Juli 2017 gestellt. a. Wie viele Anfragen betrafen Medienvertreterinnen und -vertreter? Die Polizei Hamburg hat vom BKA zu den übermittelten Personendaten keine Informationen im Sinne der Fragestellungen erhalten. Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen liegen in den abgefragten Datenbanken der Polizei Hamburg nicht vor, entsprechende Informationen sind daher an das BKA nicht übermittelt worden. Zur Gesamtzahl der Anfragen liegen dem LfV Hamburg keine Angaben vor, da im Rahmen des EDV-gestützten Massendatenverarbeitungsverfahrens nur tatsächliche oder vermeintliche Übereinstimmungen mit dem Datenbestand des LfV Hamburg ausgeworfen wurden. In diesem Sinne wurde das LfV Hamburg zu insgesamt 65 Trefferfällen angefragt, bei denen eine mögliche Identität mit vom LfV Hamburg im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem“ (NADIS) gespeicherten Personen vorlag und zu denen das LfV Hamburg Erkenntnisse gespeichert hatte. Neun Fälle betrafen Personen , die sich als Medienvertreter akkreditieren lassen wollten. Inwieweit die angefragten Personen tatsächlich als Journalistinnen und Journalisten tätig waren oder werden wollten, war durch das LfV nicht zu prüfen. b. In wie vielen Fällen haben Polizei und LfV Hamburg Informationen über Journalistinnen und Journalisten an das BKA oder gegebenenfalls an andere Bundesbehörden weitergegeben? Bitte nach Polizei und LfV aufschlüsseln. Das LfV Hamburg hat in fünf Fällen Informationen über das BfV an das BKA weitergegeben . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. a. c. In wie vielen Fällen haben Informationen von Polizei und LfV Hamburg dazu geführt, dass Betroffene auf die Sperrliste gesetzt wurden ? Bitte nach Polizei und LfV aufschlüsseln. Das Akkreditierungsverfahren sah keine direkte Rückmeldung an das LfV vor, zu welchen Folgerungen die durch das LfV übermittelten Daten führten. Das LfV erhielt erst im Nachgang, mit Benachrichtigung durch das BfV vom 12. Juli 2017 und 20. Juli 2017, davon Kenntnis, dass die Erkenntnisse des LfV in fünf Fällen zum Entzug der Akkreditierung geführt hätten und diese Personen damit auf der Sperrliste stünden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. d. Wann wurde die Abfrage durch das BKA oder gegebenenfalls andere Bundesbehörden der zuständigen Behördenleitung bekannt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10147 3 e. In welchen Koordinierungsgremien zwischen Bund und Land beziehungsweise Bundesländern war das Verfahren – Abfrage von Personen , Namensaufstellung et cetera – wann abgesprochen worden? Bei der Abfrage handelt es sich um ein routiniertes und seit Jahren übliches Verfahren im Kontext der Sicherheitslage bei Großveranstaltungen. Die Bearbeitung erfolgt selbstständig im Rahmen der Linienorganisation. Im Übrigen siehe Drs. 21/9947. Die Polizei Hamburg hat zusammen mit dem BKA im Vorlauf des G20-Gipfels Koordinierungsgespräche hinsichtlich Datenabfragen beziehungsweise Datenübermittlungen geführt; diese Gespräche fanden fortlaufend anlassbezogen statt. Welche Verfahren beziehungsweise Vorgänge zu welchem konkreten Zeitpunkt besprochen wurden, hat die Polizei Hamburg nicht dokumentiert. Das LfV Hamburg wurde mit Schreiben des BfV vom 10. Mai 2017 über den Beginn und die Modalitäten des Akkreditierungs- und Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahrens anlässlich des G20-Gipfels informiert. Das Verfahren wurde in Anlehnung an das bewährte Massendatenverfahren zum G7-Gipfel 2015 konzipiert. Über vorangegangene Koordinierungsgespräche zwischen den Bundesbehörden liegen dem LfV keine Informationen vor. 2. Wann hat das BKA die Namensaufstellung an die Landespolizei Hamburg übermittelt, wie es in der Antwort der Bundesregierung auf Frage 24. in der BT.-Drs. 18/13146 heißt? 3. Wann und mit welcher Begründung wurde die Polizei Hamburg durch das BKA angewiesen, elektronisch zugesandte Listen zu löschen? Wann erfolgte die Löschung? Das BKA hat der Polizei Hamburg am 7. Juli 2017 ab 14.24 Uhr insgesamt drei Listen mit Personendaten an Objektschutzkräfte der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel vor Ort übergeben beziehungsweise elektronisch an den Einsatzabschnitt (EA) Objektschutz der BAO Michel übermittelt. Es handelte sich um zwei Listen mit jeweils 82 sowie eine kurze Liste mit 35 Personeneinträgen . Bei der kürzeren Liste handelt es sich offensichtlich um eine Teilmenge der in den Listen mit 82 Personen genannten Personen. Das Bereitstellen der Listen durch das BKA an die Polizei Hamburg erfolgte nach den Eintragungen im Einsatzdokumentationssystem EPSweb ab folgenden Zeitpunkten: 7. Juli 2017, 14.24 Uhr: Übergabe einer Liste mit 82 Personen und der kurzen Liste als Ausdruck in Papierform; im Anschluss erfolgte durch das BKA weiterhin eine elektronische Übermittlung der beiden Listen. 7. Juli 2017, 15.32 Uhr: Übermittlung einer weiteren Liste mit 82 Personen per E- Mail durch das BKA an den EA Objektschutz der BAO Michel. Dem EA Objektschutz der BAO Michel hat das BKA am 7. Juli 2017 um 18.00 Uhr fernmündlich mitgeteilt, dass die Listen nicht mehr zu benutzen sind, da diese nicht nach der Verschlusssachenanweisung eingestuft wurden. Aufgrund der nach dem G20-Gipfel erfolgten medialen Berichterstattung zum Thema Akkreditierung und der frühzeitigen Ankündigung durch Mitglieder des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, im Rahmen der parlamentarischen Aufarbeitung der Ereignisse rund um den G20-Gipfel umfassende Aktenvorlagen zu fordern , hält die Polizei Hamburg die vom BKA elektronisch übersandten Listen unter Berücksichtigung von § 19 Absatz 2 Hamburgisches Datenschutzgesetz weiterhin vor. 4. Inwiefern war die Landespolizei Hamburg für die Vervielfältigung und Verteilung der Listen verantwortlich, wie es in der Antwort der Bundesregierung auf Frage 25. in der BT.-Drs. 18/13146 heißt? a. Wie viele Exemplare der Namensaufstellung hat die Polizei Hamburg vervielfältigt? b. An wen beziehungsweise an wie viele Personen in welcher Funktion und mit welcher Aufgabenstellung hat die Polizei Hamburg die Lis- Drucksache 21/10147 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ten mit den Namen von Journalistinnen und Journalisten verteilt, denen die Akkreditierung entzogen wurde? Innerhalb der BAO Michel der Polizei Hamburg erfolgte die Informationssteuerung über das Einsatzdokumentationssystem EPSweb an alle Befehlsstellen/Einsatzabschnitte der BAO Michel. Zugriff auf die Daten hatten alle Mitarbeiter des Führungsstabes der Polizei Hamburg und der Befehlsstellen der Einsatzabschnitte der BAO Michel. Ausdrucke/Kopien der Listen sind allen an den Durchlassstellen der Sicherheitszonen und den zu schützenden anderen Objekten mit Kontrollaufgaben betrauten Einsatzkräften ausgehändigt worden. Die Übergabe der Listen in Papierform an die an den Kontrollstellen eingesetzten Beamten der BAO Michel erfolgte zum Teil durch die Polizei Hamburg, zum Teil ohne Vorankündigung durch das BKA. Die Anzahl der Ausdrucke und der Umfang der Vervielfältigungen der drei Listen sind nicht bekannt und können auch nicht mehr nachvollzogen werden. Die Ermittlung der genauen Personenanzahl erfordert eine Durchsicht der Dienstpläne sämtlicher EA der BAO Michel und Abfragen bei den Polizeien der eingesetzten auswärtigen Kräfte. Dies ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 21/9947. c. Wie ist zu verstehen, dass die Polizei Hamburg laut Bundesregierung (Antwort auf Frage 26.) eine „eigene Namensaufstellung“ erstellt hat? Wie viele Personen waren aus welchen Gründen in dieser Namensaufstellung aufgeführt? Wie viele von ihnen waren Journalistinnen und Journalisten? Sämtliche der Polizei Hamburg zum Thema Akkreditierung bekannten Listen hat das BKA erstellt. 5. Laut Bundesregierung waren es nicht Beamte des Bundes, deren Listen mit gesperrten Journalistinnen und Journalisten offen eingesehen und zum Teil sogar gefilmt werden konnten (Antwort auf Frage 31.). Inwiefern trifft zu, dass Hamburger Polizeibedienstete den festgestellten datenschutzrechtlich verantwortungslosen Umgang mit den Listen zu verantworten haben? Die Aufklärung und rechtliche Bewertung des Sachverhaltes ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit personenbezogenen Daten zu den Grundpflichten eines jeden Polizeibeamten. 6. Wann wurden die Exemplare der Namensaufstellungen, die sich bei der Polizei Hamburg befanden, aufgrund welcher Anweisungen vernichtet? Das BKA informierte am 7. Juli 2017 gegen 18.00 Uhr die Befehlsstelle des EA Objektschutz der BAO Michel fernmündlich darüber, dass die ausgehändigten Listen nicht mehr zu benutzten und zu vernichten sind; im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3. Die Befehlsstelle des EA Objektschutz hat die Anweisung des BKA an die ihr unterstellten Unterabschnitte über EPSweb umgesetzt. Kräfte des BKA-Innenschutzes hatten im Übrigen Listen von den Kräften der BAO Michel vor Ort zum Teil bereits eingesammelt beziehungsweise die Einsatzkräfte der BAO Michel hatten die Listen nach Hinweis des BKA ordnungsgemäß vernichtet. Anlässlich der Beantwortung der Drs. 21/9947 hat die Polizei im EPSweb allein die Dokumentation zum 7. Juli 2017 betrachtet. Bei der weiteren Aufarbeitung des Gesamtsachverhaltes hat die Polizei drei Vorfälle am 8. Juli 2017 festgestellt, bei denen drei Personen zwischen 14.00 Uhr und 16.30 Uhr jeweils der Zutritt zur Sicherheitszone 2 der Messe durch Kräfte des EA Objektschutzes der BAO Michel nicht gestattet wurde. Der Führungsstab der BAO Michel hat am 8. Juli 2017 nach Kenntnis der Sachverhalte den EA Veranstaltungsort umgehend angewiesen, die Listen zu vernichten. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10147 5 Der Sachverhalt befindet sich in der Klärung, weitere Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor.