BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10156 21. Wahlperiode 29.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt (CDU) vom 23.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) – Plant der Senat hier eine Umstrukturierung und Anpassung an den aktuellen Bedarf? Als in der zweiten Jahreshälfte 2015 täglich mehrere Hundert Flüchtlinge in Hamburg Schutz suchten, war es verständlich, dass die Behörden anfangs mit der extremen Situation überfordert waren. Angesichts der Entwicklungen forderte die CDU, der Senat möge, um das Chaos zu beenden, einen Flüchtlingskoordinator benennen (Drs. 21/1885). Dieser sollte an die Senatskanzlei angebunden und mit zentraler Entscheidungsgewalt ausgestattet werden sowie weitreichende Durchgriffsrechte erhalten und mit einem leistungsfähigen Krisenstab ausgerüstet werden. Kurz darauf verkündete der rot-grüne Senat: „Senat schafft Zentralen Koordinierungsstab“ und „Anselm Sprandel wird Leiter des Koordinierungsstabes“. Was auf den ersten Blick erfreulich klang, erwies sich jedoch schnell als Mogelpackung, denn der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) erhielt nie die für schnelle Entscheidungen notwendigen Kompetenzen. So blieb es bei der Aufteilung der Verantwortung für die Bereiche Erstunterkünfte und Folgeunterkünfte zwischen der Behörde für Inneres und Sport (BIS) und der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI). Sprandel war stets von der Gnade des Innensenators und der Sozialsenatorin abhängig. Es kam sogar vor, dass der ZKF-Leiter gegenüber der Presse anmerken musste, nicht immer über alle Informationen zu verfügen. Überhaupt tritt der ZKF mit seinen 70 Mitarbeitern/66 VZÄ (Stand Mitte August 2017) nur noch öffentlich in Erscheinung, wenn es gilt, die monatlichen Zugangszahlen der Flüchtlinge zu vermelden. Hinter den Kulissen arbeitet er den Behörden zu, wie die Drs. 21/6896 und 21/7289 deutlich machen. Der ZKF war und ist bis heute nur Dienstleister, nicht Entscheidungsträger. Die gute Idee, das Flüchtlingsthema zentral zu koordinieren und alle Kräfte zu bündeln, wurde vom Senat nie realisiert und die damit verbundenen Effizienzgewinne wurden nie erzielt. Es ist sogar das Gegenteil der Fall, denn die Abstimmung zwischen den verschiedenen Beteiligten verursacht Reibungsverluste . Allein fünf Mitarbeiter bilden im ZKF die Schnittstelle zwischen der BIS und der BASFI. Aber auch in den einzelnen Unterabteilungen besteht ständiger Abstimmungsbedarf mit den Mutterbehörden. Zudem sind alle Mitarbeiter des ZKF entweder bei der BIS oder der BASFI beschäftigt. Der ZKF verfügt auch über kein eigenes Budget, ist also finanziell von den Mutterbehörden abhängig. Da sich die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge im Jahr 2016 deutlich reduziert hat, befinden sich auch die Aufgaben des ZKF im Wandel. Lag der Fokus im Jahr 2015 noch bei der schnellen Beschaffung von Plätzen in Erstunterkünften, geht es inzwischen um den Ausbau der Folgeunterbringung und Integration. Daher ist es nur schlüssig, dass im Juli 2016 im Kon- Drucksache 21/10156 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sens mit den Initiatoren der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ (Drs. 21/5231) gefordert wurde, den ZKF in eine Zentrale Koordinierungsstelle Integration (ZKI) umzuwandeln. Allerdings haben die bereits erwähnten Anfragen der CDU ergeben, dass der Senat die Umsetzung dieses Punktes immer noch prüft. Vieles spricht dafür, dass die Mutterbehörden die mit einer Umwandlung des ZKF in einen ZKI verbundene Abgabe ihrer Kompetenzen nicht hinnehmen wollen. Allerdings will der Senat dies nicht offen bekennen. Doch obwohl nicht bekannt ist, wie die Zukunft des ZKF aussieht, hat der Senat für das ZKF Ende 2016 eine neue Immobilie angemietet. Diese bietet rund 100 Mitarbeitern Arbeitsplätze und kostet den Steuerzahler monatlich 35.100 Euro Miete bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Ziel der Einrichtung des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge (ZKF) war zu keinem Zeitpunkt eine einheitliche Entscheidungsinstanz, sondern die Arbeit der beteiligten Ämter und Behörden aufeinander abzustimmen und zu einer einheitlichen, schnell reagierenden und der Größe der Anforderung angemessenen Flüchtlingspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg zusammenzuführen. Die nötigen Entscheidungen hat der Koordinierungsstab selbst oder die alle betroffenen Behörden und Bezirksämter einbeziehende Lenkungsgruppe „Integration öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) und Zentrale Erstaufnahme (ZEA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung“ (siehe Drs. 20/12090, Drs. 21/1110, Drs. 21/7387 und Drs. 21/9389) getroffen. Dies betraf und betrifft nicht nur Fragen der Unterbringung, sondern auch solche der Integration, insbesondere der sogenannten Erstintegration, also Kinderbetreuung , Beschulung, Gesundheit, Wohnen, der Betreuung besonders schutzbedürftigen Personengruppen et cetera. Diese Koordinierungs- und Entscheidungsstrukturen haben sich sehr gut eingespielt, haben geholfen Reibungsverluste zu minimieren und hatten wesentlichen Anteil daran, dass Hamburg die mit den steigenden Zugangszahlen verbundenen Anforderungen gut gemeistert hat. Zu den vorrangigen Aufgaben des ZKF gehörte von Beginn an, den Unterbringungsbedarf gesamtstädtisch zu planen und die erforderlichen Erst- und Folgeunterkünfte durch die Akquise und Herrichtung von Grundstücken und Gebäuden für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Dies umfasst für die Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) auch die Sicherstellung des Betriebes in baulicher und technischer Hinsicht, die Abstimmung mit den Betreibern sowie den Notfallbetrieb , das heißt die Koordination von Maßnahmen bei Vorkommnissen, wie zum Beispiel Bränden oder besonders auffälligem Bewohnerverhalten. Der Lagedienst sorgt für umfängliche Informationen und Auswertungen, um Quantität und Qualität der Flüchtlingsunterbringung einschätzen zu können. Der Koordinierungsstab nimmt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der zahlreichen Verpflichtungen aus den sogenannten Bürgerverträgen ein. Im Unterschied zu diesen originären Durchführungsaufgaben wirkt der ZKF bei den Integrationsthemen vorrangig koordinierend mit. Er bringt insbesondere seine Expertise aus dem Betrieb der Einrichtungen und Gesprächen mit Vertretern der Zivilgesellschaft ein (zum Beispiel Kitaversorgung von Flüchtlingskindern), die von den fachlich zuständigen Stellen in geeigneter Weise verfolgt werden, kümmert sich um Anliegen und Prozesse, für die mehrere Stellen in der Stadt zuständig sind, zum Beispiel Flächen - und Genehmigungsthemen, oder bringt für die Problemlösung erforderliche Bereiche zusammen. Hierzu gehören auch schnelle Abstimmungswege der regelmäßig tagenden Lenkungsgruppe. Seine Arbeitsweise ist auf engen Austausch und Kooperation mit den zuständigen Stellen ausgerichtet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In der Drs. 21/9870 heißt es, dass der ZKF auf Basis der im Beschluss des Staatsrätekollegiums vom 25. April 2016 festgelegten Zielstruktur immer noch fortbestehen würde. Angesichts des Umstandes, dass in Drs. 21/5231 eine Umwandlung in eine Zentralen Koordinierungsstelle Integration avisiert worden war, der Bedarf sich zudem aufgrund der deutlich zurückgegangenen Flüchtlingszahlen geändert hat, stellt sich Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10156 3 die Frage: Plant der Senat derzeit Änderungen bei Struktur und Aufgaben des ZKF? Wenn ja, wie sehen diese Änderungen aus und zu wann sollen sie greifen ? Wenn nein, warum nicht, obwohl bereits im Juli 2016 Anpassungen zugesagt worden waren? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/7486. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 2. In der Drs. 21/9870 heißt es, dass im „Stabsbereich Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme (ZEA), übergreifende Aufgaben, Betrieb: 24,125 VZÄ“ tätig seien. In der Drs. 21/6896 mit Stand 30. November 2016 waren es noch 23,8 VZÄ. Wieso gibt es einen leichten Personalaufbau in diesem Bereich, obwohl sich die Zahl der Bewohner in EAs von knapp 9.000 Flüchtlingen Ende November 2016 auf 5.700 Flüchtlinge deutlich reduziert hat? Gemäß der Drs. 21/5400 hat der Stabsbereich ZKF 3 „Einrichtung der Zentralen Erstaufnahme (ZEA), übergreifende Aufgaben, Betrieb“ die Aufgaben Notfallbetrieb und Lagedienst übernommen. Die Besetzung der Stellen wurde erst im 1. Quartal dieses Jahres abgeschlossen. Zum in der Anfrage genannten Stichtag waren die Stellen daher noch nicht alle besetzt. 3. Im Stabsbereich Kapazitätsaufbau Folgeeinrichtungen, übergreifende Aufgaben hat sich hingegen die Zahl der VZÄ von 21,86 im November 2016 auf 18,36 reduziert, obwohl es immer noch viel zu wenige öffentlich -rechtliche Unterkünfte gibt. Wieso gibt es eine Personalreduzierung in diesem so wichtigen Bereich? Für die Herrichtung von EA und Folgeunterkünften waren zahlreiche Akquisen und Sondierungen von Flächen und Grundstücken erforderlich. Für ausgewählte Flächen mussten Abstimmungen mit den Genehmigungsbehörden durchgeführt werden. Hierfür war der ZKF im letzten Jahr auf mehr Personal angewiesen. Die Sondierung sowie die Aufnahme der freien Areale sind stark rückläufig. Zahlreiche Einrichtungen der Folgeunterkünfte sind im Bau, der von f & w fördern und wohnen AöR verantwortet wird. Insoweit konnte Personal reduziert werden. 4. In der Drs. 21/7486 heißt es, dass das Amt für Arbeit und Integration (AI) in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) die ministerielle Verantwortung für die Weiterentwicklung der Integrationspolitik des Senats habe, der ZKF nur für „ausgewählte Durchführungsaufgaben “ verantwortlich sei. Insgesamt entsteht immer wieder der Eindruck , dass der ZKF nur Dienstleister der Behörde für Inneres und Sport (BIS) und der BASFI sei, die diesen wiederum mit Personal und Budget versorgen. Hält der Senat die Eigenständigkeit des ZKF weiterhin für notwendig? Falls ja, warum? Falls nein, welche konkreten Planungen bestehen? Siehe Antwort zu 1. und Vorbemerkung.