BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10173 21. Wahlperiode 01.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 24.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Mangelberuf Erzieher Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt regelmäßig gemäß § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Beschäftigungsverordnung fest, bei welchen Berufen die Besetzung offener Stellen mit ausländischen Bewerberinnen oder Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch unter gewissen Voraussetzungen verantwortbar ist. Diese Berufe werden umgangssprachlich auch Mangelberufe genannt. Ein Beruf, der nicht auf der Positivliste der BA ist, ist der Erzieher. Hamburg braucht nach Angaben des Senates in den nächsten Jahren jedoch 2.000 zusätzliche Erzieher beziehungsweise bis 2021 500 Erzieher pro Jahr.1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Fachkräfteengpassanalyse im Rahmen der Arbeitsmarktberichterstattung obliegt nach den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesagentur für Arbeit (BA, vergleiche §§ 280 fortfolgende des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Dies gilt sowohl für die bundesweiten Einstufungen der Berufe als auch für regionale Einstufungen (ein oder mehrere Bundesländer). Es gibt insofern keine gesetzliche Grundlage, auf der der Senat eine andere Einstufung vornehmen könnte. Die Fachkräfteengpassanalyse wird halbjährlich durch die BA durchgeführt. Inhaltlich hat die Einstufung als Engpassberuf auch Auswirkungen auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Aufenthaltsgesetz für Zuwanderinnen und Zuwanderer. Sie bildet die fachliche Grundlage für die Erstellung der „Positivliste“ gemäß § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Beschäftigungsverordnung (https://www.arbeitsagentur.de/web/content/ DE/BuergerinnenUndBuerger/ArbeitundBeruf/ArbeitsJobsuche/ArbeitinDeutschland/ Arbeitsmarktzulassung/Detail/index.htm?dfContentId=L6019022DSTBAI779131). Die BA identifiziert Berufe mit Mangel an Angebot von Arbeitskräften anhand zweier empirischer Kriterien auf Basis von Daten ihres Arbeitsmarktmonitors. Von einem Mangel wird ausgegangen, wenn zum einen in einer Region die Vakanzzeit offener Stellen dieser Berufsgruppe über dem Bundesdurchschnitt liegt. Zum anderen wird die Arbeitslosen-Stellen-Relation herangezogen. Beträgt das Verhältnis der Zahl der Arbeitslosen, die nach einer Stelle in dem betreffenden Berufsfeld suchen, zu der Zahl der gemeldeten offenen Stellen weniger als 3:1, so ist dieses Kriterium für Arbeitskräftemangel erfüllt. Von einem Arbeitskräftemangel wird ausgegangen, wenn beide Kriterien erfüllt sind. Die Engpassanalyse erfolgt unter dem Fokus bundesweiter Engpässe, ergänzt um eine regionale Betrachtung auf Ebene der Bundesländer. 1 http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/8914322/fachkraeftenachwuchs-kitas/. Drucksache 21/10173 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Derzeit stellt die BA nach diesen Kriterien noch keinen flächendeckenden Fachkräfteengpass für den Beruf Erzieherin/Erzieher fest. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Beiträgen der Agentur für Arbeit Hamburg wie folgt: 1. Vertritt der Senat die Ansicht, dass der Beruf Erzieher für Hamburg ein Mangelberuf nach den Maßstäben der BA ist? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Gleichwohl hat der Senat Maßnahmen ergriffen, um die steigenden Bedarfe in Hamburg decken zu können und dieses Vorhaben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration am 6.6.2017 der Öffentlichkeit vorgestellt (https://hibb.hamburg.de/2017/06/06/hamburg-sichertfachkraeftenachwuchs -fuer-kitas/). 2. Gibt es die Möglichkeit für die Länder, Berufe zusätzlich zu denen der BA zu Mangelberufen zu erklären? Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage? Wenn ja, für welche Berufe hat Hamburg von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht beziehungsweise dies geplant? Wenn nein, sieht der Senat an dieser Stelle Handlungsbedarf? Siehe Vorbemerkung. 3. Welche weiteren Schritte unternimmt der Senat, um die Attraktivität des Berufs des Erziehers/der Erzieherin zu steigern und damit den Mangel mit eigenen Mitteln zu mindern beziehungsweise abzustellen? Das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) hat im laufenden Jahr umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin attraktiver zu machen und die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen im sozialpädagogischen Berufsfeld zu erhöhen: Grundsätzlich stellen die staatlichen Berufsschulen so viele Plätze für die Ausbildung zum Sozialpädagogischen Assistenten/zur Sozialpädagogischen Assistentin (SPA) und zum Erzieher/zur Erzieherin zur Verfügung, dass alle Bewerber einen Platz bekommen. Die Zugangsvoraussetzungen wurden sowohl für Abiturientinnen und Abiturienten als auch für Interessierte mit erstem Schulabschluss erweitert. Abiturientinnen und Abiturienten können bereits mit einem viermonatigen Praktikum die Erzieherausbildung beginnen. Schülerinnen und Schüler mit dem erweiterten ersten Schulabschluss nach zehn Schuljahren können eine um sechs Monate verlängerte Ausbildung zum SPA beginnen und gegebenenfalls den mittleren Schulabschluss (MSA) erreichen. Die Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsgängen (Fachschule, Fachoberschule , Berufliches Gymnasium, Fachschule für Heilerziehungspflege und Berufsfachschule für Sozialpädagogische Assistenz) wurde erhöht. Die sehr lange Ausbildungszeit wurde moderat verkürzt. Alle SPA-Absolventen können ab August 2017 ohne Notenschwelle in die verkürzte zweijährige Erzieherausbildung wechseln. Die Ausbildungsangebote wurden um eine staatliche Fachschule für Heilerziehungspflege ergänzt. Die berufsbegleitende Ausbildung wurde den Bedarfen der Absolventinnen und Absolventen angepasst. Es wurden vier zeitlich unterschiedlich strukturierte Ausbildungsvarianten geschaffen, sodass die Vereinbarkeit von Beruf und Ausbildung und gegebenenfalls auch Familie besser gewährleistet ist. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10173 3 Alle Ausbildungsformate wurden nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (AFBG) förderfähig umstrukturiert. Für Menschen, die bereits über eine andere Ausbildung verfügen und in den Erzieherberuf umsteigen wollen, wurde in Kooperation mit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und den Trägern der Jugendhilfe ein über Bildungsgutscheine finanziertes Umschulungsformat eingerichtet. Die Umschulung dauert 2,5 Jahre und ermöglicht eine über die Agentur für Arbeit finanzierte Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher. Für Menschen mit Migrationshintergrund wurden spezielle Zugangsmöglichkeiten (zum Beispiel Prüfungen bei Verlust der Zeugnisse) und Ausbildungsformate (zum Beispiel Erzieherausbildung für Einwanderer und Einwanderinnen, berufsbegleitende SPA-Ausbildung für Migranten) geschaffen. Durch modularisierte Anpassungsqualifizierungen für Migranten und Migrantinnen mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen, deren Angebot flexibel an den Bedarf angepasst wird, finden zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund Zugang zum Sozialpädagogischen Berufsfeld. Bis zu 100 Prüfungen jährlich für Externe, die von den Schulen organisiert, abgenommen und intensiv begleitet werden, ermöglichen es, berufserfahrenen Kolleginnen und Kollegen ihre beruflichen Kompetenzen im Rahmen einer Prüfung unter Beweis zu stellen und sich auf diesem Wege zu Fachkräften weiterzuentwickeln . Mithilfe einer Öffentlichkeitskampagne, die voraussichtlich im Herbst 2017 starten wird, sollen noch mehr Menschen für pädagogische Berufe gewonnen werden.