BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10175 21. Wahlperiode 01.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 24.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Türkischer Konsulatsunterricht in Hamburg – Was tut der Senat? An 58 staatlichen Schulen fand in Hamburg im Schuljahr 2016/2017 ein türkischer Konsulatsunterricht statt für 851 Schüler. Sie wurden in ihrer Muttersprache und in Heimatkunde unterrichtet. Der Unterricht wird durch Lehrer des türkischen Staats erteilt und von der Stadt Hamburg kofinanziert. Die Lehrer unterstehen nicht der Schulleitung und ihr Unterricht wird nicht von der staatlichen Schulaufsicht erfasst. Im April 2017 teilte der Senat dazu mit, „den Vertretern der zuständigen Behörde (steht) ein Hospitationsrecht zu. Derzeit werden von der Bildungsbehörde Hospitationsbesuche im türkischen Konsulatsunterricht vorbereitet. Sofern im Rahmen dieser Besuche ein Handlungsbedarf festgestellt wird, werden Gespräche mit dem türkischen Generalkonsulat geführt und entsprechende Änderungen eingeleitet.“ Zudem steht der zuständigen Behörde das Recht zu, die Klassenbücher einzusehen (Anfrage der FDP-Fraktion, Drs. 21/8647). Die FDP-Fraktion beantragte daher, dieses Hospitationsrecht unverzüglich wahrzunehmen und den Konsulatsunterricht durch regulären Türkischunterricht zu ersetzen, sollte nicht gewährleistet werden können, dass er unter staatlicher Kontrolle stattfindet (Drs. 21/8887). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Konsulatsunterricht geht auf die „Richtlinie 77/486/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern“ zurück, wonach die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen“ treffen, um für diese Kinder „die Unterweisung in der Muttersprache und der heimatlichen Landeskunde zu fördern“. Seit 1990 wurde die Verantwortung für diesen muttersprachlichen Ergänzungsunterricht den Konsulaten der ehemaligen Anwerbeländer, unter anderem der Türkei, übertragen . Durch einen jährlichen Zuwendungsvertrag mit dem türkischen Konsulat sichert sich die zuständige Behörde das Recht, Rahmenbedingungen für den Konsulatsunterricht zu definieren und im Unterricht zu hospitieren (siehe Drs. 21/8647). Die zuständige Behörde hat in den vergangenen Jahren regelmäßig Gespräche mit dem türkischen Generalkonsulat geführt und konnte mit ihm in allen Konfliktfällen ein Einvernehmen herstellen. Im Schuljahr 2016/2017 haben Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Behörde im Zeitraum zwischen dem 25. April und dem 20. Juni 2017 ein- bis zweistündige Hospitationen in insgesamt zehn Klassen des türkischen Konsulatsunterrichts an sieben Grundschulen (Aueschule Finkenwerder, Elbinselschule, Ganztagsschule Fährstraße , Grundschule Osterbrook, Grundschule Stübenhofer Weg, Schule Molkenbuhrstraße , Schule Rotenhäuser Damm) und drei Stadtteilschulen (Erich Kästner Schule, Stadtteilschule Finkenwerder, Stadtteilschule Wilhelmsburg) durchgeführt, um zu überprüfen, ob der in der Öffentlichkeit erhobene Verdacht, der Konsulatsunterricht Drucksache 21/10175 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 werde als ein Instrument politischer Beeinflussung durch die gegenwärtige türkische Regierung missbraucht, zutrifft. Im Zuge der Hospitationen wurden Gespräche mit den Konsulatslehrkräften und mit einigen Schulleitungen geführt. Die Unterrichtsinhalte bezogen sich im April stark auf die Feier des von Atatürk institutionalisierten „Internationalen Kinderfests“ am 23. April und die Person Atatürks als Staatsgründer der Türkei, im Übrigen war der Unterricht auf Sprach- und Sachthemen ohne politischen Bezug ausgerichtet. Insoweit hat sich der Verdacht einer unzulässigen politischen Beeinflussung durch den Konsulatsunterricht nicht erhärtet. In einem Fall hat sich eine Schulleitung einer Grundschule – unabhängig von den Hospitationen – mit einer Beschwerde über einen inhaltlich und pädagogisch unangemessenen Unterricht der türkischen Konsulatslehrkraft (Zeigen eines Kriegsfilms über die Schlacht um die Dardanellen im 1. Weltkrieg, der die Grundschulkinder verstört hat) an die zuständigen Behörde gewandt. In einem schnell anberaumten Gespräch zwischen einem Vertreter der zuständigen Behörde, der Schulleitung, der Konsulatslehrkraft und Verantwortlichen des türkischen Generalkonsulats konnte ein Einvernehmen über die Unangemessenheit des Unterrichts und den sofortigen Austausch der Konsulatslehrkraft hergestellt werden. Das Generalkonsulat hat daraufhin in einem Schreiben an alle Konsulatslehrkräfte das Verwenden dieses Films und ähnlicher Filme mit Gewaltszenen im Konsulatsunterricht untersagt. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der drei Kompetenzbereiche, die für den Sprachunterricht durch die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz vorgesehen sind, konnte bei den Unterrichtshospitationen eine Förderung interkultureller und methodischer Kompetenzen nicht und eine Förderung funktional kommunikativer Kompetenzen nur in Ansätzen beobachtet werden. Dennoch schien die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler gern an dem Unterricht teilzunehmen. Insgesamt zeigten sich als Nachteile eines außerhalb der staatlichen Bildungspläne und Schulaufsicht organisierten Unterrichtsangebots die mangelnde Einbindung in den Regelbetrieb der Schulen und die fehlende Anerkennung der Schülerleistungen im Hinblick auf ihre Schullaufbahn. Deshalb plant die zuständige Behörde, die vorhandenen eigenen Türkischangebote im Rahmen des Schulunterrichts auf Basis der Hamburger Bildungspläne in der Sekundarstufe als Wahlpflichtfach beziehungsweise im Wahlpflichtbereich und in der Grundschule im Rahmen des zusätzlichen herkunftssprachlichen Unterrichts auszubauen . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. An welchen Schulen hat sich seit Drs. 21/8647 der türkische Konsulatsunterricht geändert? Bitte jeweils genau erläutern und begründen. Siehe Vorbemerkung. 2. Gibt es Schulen, an denen der Konsulatsunterricht im vergangenen Schuljahr während des regulären Schulunterrichts stattfand? Wenn ja, bitte den Umfang darstellen und begründen. Nein. 3. Hat die zuständige Behörde in den Jahren 2007 – 2016 ihr Hospitationsrecht im türkischen Konsulatsunterricht wahrgenommen oder das Recht, die Klassenbücher einzusehen? Wenn ja, bitte die Häufigkeit angeben. Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 4. Hat die zuständige Behörde seit der Ankündigung im April 2017 ihr Hospitationsrecht im türkischen Konsulatsunterricht wahrgenommen oder das Recht, die Klassenbücher einzusehen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10175 3 a. Wenn ja, bitte den Umfang angeben (Anzahl der Schulen und Klassen ) sowie die Ergebnisse einzeln darstellen. Ja, siehe Vorbemerkung. b. Wenn nein, warum nicht? Entfällt. 5. Wurden bezüglich des Konsulatsunterrichts Gespräche mit dem türkischen Konsulat geführt? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Ja, siehe Vorbemerkung. 6. Beabsichtigt der Senat eine Änderung für den türkischen Konsulatsunterricht ? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Grundsätzlich ist der Konsulatsunterricht kein schulisches Angebot der für Bildung zuständigen Behörde, sondern vergleichbar mit einem privaten Freizeitangebot. Insofern hat die Behörde auf den Konsulatsunterricht keineswegs den gleichen Einfluss wie auf den schulischen Unterricht. So lange deshalb keine Rechtsverstöße des türkischen Konsulatsunterrichts vorliegen, kann die zuständige Behörde keine Änderung für den türkischen Konsulatsunterricht erwirken. Sie wird auch in Zukunft das ihr durch den Zuwendungsvertrag mit dem türkischen Generalkonsulat zustehende Hospitationsrecht im Konsulatsunterricht wahrnehmen und auf das Generalkonsulat einwirken, um Mängel abzustellen. 7. Welche Ausbildungskapazitäten für Türkischlehrer gibt es in Hamburg? Sind diese seit 2010 geändert worden? Bitte begründen. Die Ausbildungskapazitäten für Türkischlehrerinnen und -lehrer Universität Hamburg (UHH) sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Es gibt an der UHH seit dem Wintersemester 2014/2015 keine Neuzulassungen im Bachelor Türkisch/Lehramt. Im Master Türkisch/Lehramt werden weiterhin Studienanfängerplätze angeboten, um den Bachelorabsolventen an der UHH ein Masterstudium zu ermöglichen (siehe auch Drs. 20/11926 und 20/12216). Studienanfängerplätze gemäß der jeweiligen Kapazitätsberichte der Universität Hamburg Schulform Abschluss W iS e 20 10 /1 1 W iS e 20 11 /1 2 W iS e 20 12 /1 3 W iS e 20 13 /1 4 W iS e 20 14 /1 5 W iS e 20 15 /1 6 W iS e 20 16 /1 7 Lehramt der Primarund Sekundarstufe I Bachelor 11 11 15 15 0 0 0 Lehramt der Primarund Sekundarstufe I Master 1 0 11 16 15 8 5 Lehramt an Gymnasien Bachelor 6 6 5 0 0 0 0 Lehramt an Gymnasien Master 2 0 7 0 5 3 1 Lehramt an Beruflichen Schulen Bachelor 2 2 3 0 0 0 0 Lehramt an Beruflichen Schulen Master 1 0 0 0 4 1 1 Lehramt an Sonderschulen Bachelor 1 1 1 0 0 0 0 Lehramt an Sonderschulen Master 1 0 0 0 4 1 1 Drucksache 21/10175 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Studienanfängerplätze (nicht tatsächliche Studienanfänger) im Unterrichtsfach Türkisch Lehramt an der UHH Die Anzahl der Türkischlehrkräfte im Vorbereitungsdienst an Hamburger Schulen seit 2010 ist der folgenden Übersicht zu entnehmen. Die Zahl der maximalen Ausbildungsplätze für die einzelnen Fächer orientiert sich an den schulischen Bedarfen und der Ausbildungskapazität am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Daher kann die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu jedem Einstellungstermin variieren. Vor jedem Einstellungstermin wird im „Amtlichen Anzeiger“ die jeweilige Platzzahl veröffentlicht. Die Zulassungsstelle in der BSB entscheidet zu jedem Einstellungstermin, wie viele Referendare ausgebildet werden sollen. Einstellungsjahr Anzahl Fachzulassungen Türkisch 2010 7 2011 10 2012 7 2013 4 2014 8 2015 6 2016 8 2017 6 8. Von welchen anderen Ländern als der Türkei findet Konsulatsunterricht in Hamburg statt? Auf jeweils welcher rechtlichen Grundlage? Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht seitens der Konsulate Kroatiens, Portugals, Serbiens und Spaniens findet auf Basis eines Zuwendungsvertrags mit der zuständigen Behörde statt. 9. An welchen Schulen findet dieser Unterricht jeweils statt? 10. Wie viele Lehrer führen diesen Unterricht jeweils durch? Bitte nach Schulen aufschlüsseln. 11. Wie viele Schüler nehmen an diesem Unterricht jeweils teil? Bitte nach Schulen aufschlüsseln. Siehe Anlage. 12. Gibt es vergleichbare Hospitations- und Klassenbuch-Einsicht-Rechte auch für den Konsulatsunterricht anderer Länder? Wenn nein, warum nicht? Ja. 13. Wie viele Kinder werden voraussichtlich ab dem neuen Schuljahr Konsulatsunterricht besuchen? Bitte nach Herkunftsland aufschlüsseln. Angaben der Konsulate für das neue Schuljahr 2017/2018 liegen noch nicht vor. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre ist eher von rückläufigen Teilnahmezahlen auszugehen. Konsulat Unterrichtsort Anzahl teilnehmender Schülerinnen und Schüler* Anzahl der unterrichtenden Lehrkräfte Kroatien Franz-von-Assissi-Schule 34 4 Grundschule Poppenbüttel 14 3 Katholische Bonifatiusschule 9 2 Staatliche Gewerbeschule Energietechnik, G 10 12 3 Portugal Gymnasium Klosterschule 12 1 Helmut-Schmidt-Gymnasium 10 1 Katholische Bonifatiusschule 5 1 Katholische Schule Altona 23 2 Katholische Schule Harburg 23 1 Schule Surenland 45 1 Serbien ** 60 1 Spanien Goethe-Schule-Harburg 9 1 Schule Lutterothstraße 24 1 Schule Wielandstraße 83 1 Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht durch Konsulate im Schuljahr 2016/17 *) nur Anzahl teilnehmender Schülerinnen und Schüler aus Hamburger staatlichen Schulen **) Die einzelnen Unterrichtsorte sind vom serbischen Generalkonsulat innerhalb der für die Beantwortung einer Schrifltichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht genannt worden. Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand August 2017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10175 5 Anlage 10175ska_Text 10175ska_Anlage