BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10208 21. Wahlperiode 05.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein, Michael Kruse und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 28.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Akkreditierungsentzug und Sperrliste für 32 Journalisten während des G20-Gipfels (III) Mit den Drs. 21/9947 und 21/10042 hatte der Senat erste Fragen zum Entzug der Akkreditierung von Journalisten während des G20-Gipfels beantwortet . Zudem wurde zu diesem Thema eine Anfrage aus dem Bundestag zwischenzeitlich durch die Bundesregierung beantwortet.1 In den genannten Anfragen äußern sich Hamburger Senat und Bundesregierung teilweise widersprüchlich zum Sachverhalt. So schreibt der Senat in Drs. 21/9947 beispielsweise, dass „die Polizei (…) am 7. Juli 2017 um 14.24 durch direkte Kontaktaufnahme der Innenschutzwache des Bundeskriminalamtes (BKA) zu den vor Ort im Rahmen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel tätigen Polizeikräften Kenntnis erlangt (hat).“ Auch Präses und Staatsrat der Innenbehörde sollen hiervon erst am Nachmittag des Gipfel-Freitags Kenntnis erlangt haben. Ferner schreibt der Senat: „Die Übergabe der Listen in Papierform durch das BKA an die eingesetzten Kräfte der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel erfolgte ohne Vorankündigung direkt an die an den Kontrollstellen eingesetzten Beamten.“2 Demgegenüber schreibt die Bundesregierung in BT.-Drs. 18/13345, das „Bundeskriminalamt bzw. die Landespolizei Hamburg“ seien für Vervielfältigung und Verteilung der Liste verantwortlich gewesen. „Nach Kenntnis der Bundesregierung erstellte die Polizei Hamburg in ihrer Verantwortung eine eigene Namensaufstellung für die durch die Landespolizei eingerichteten Kontrollstellen im Vorfeld des Medienzentrums (sogenannten Sicherheitszone 2). (…) Die Verteilung durch das Bundeskriminalamt erfolgte insbesondere an seine Sicherheitskräfte an den Veranstaltungsorten des G20-Gipfels, an denen Akkreditierungsausweise nicht elektronisch gelesen werden konnten . Das betraf vor allem Hotels, in denen Staatsgäste untergebracht waren. Die Namensaufstellung wurde darüber hinaus durch das Bundeskriminalamt an die Landespolizei Hamburg übersandt, deren Polizeibeamte für die Kontrollstellen zum Schutz der Sicherheitszone 2 zuständig waren.“3 1 Vergleiche BT.-Drs. 18/13345. 2 Vergleiche Senatsantworten zu Fragen 2. und 5. in Drs. 21/9947. 3 Vergleiche Antworten der Bundesregierung zu Fragen 25. bis 28. in BT-Drs. 18/13345. Drucksache 21/10208 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aus entsprechenden Fotoaufnahmen, Tweets und Medienberichten ist klar ersichtlich, dass bereits am Morgen des Gipfel-Freitags der Zugang zum Medienzentrum mithilfe entsprechender Papierlisten überprüft wurde.4 Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf die Anfrage aus dem Bundestag überdies aus, dass das BKA die Sperrliste „sowohl an des Presse- und Informationsamt der Bundesregierung als auch die Landespolizei Hamburg übermittelt“ habe. Die Landespolizei Hamburg sei angewiesen worden, „elektronisch zugesandte Listen zu löschen.“5 Hieraus und anlässlich diverser Medienberichte ergeben sich weitere Nachfragen . Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Das Bundeskriminalamt (BKA) wurde hinsichtlich eines Beitrages zur Beantwortung der Anfrage angefragt und hat mitgeteilt, dass es ausschließlich der parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterliegt und sich daher außer Stande sieht, Parlamentarische Anfragen der Hamburgischen Bürgerschaft zu beantworten. Für die Veranstaltungsorte sowie für die Hotels, für die vom BKA Maßnahmen des Personen- beziehungsweise Objektschutzes veranlasst wurden, erfolgte eine Akkreditierung sämtlicher Journalisten und Service-Mitarbeiter. Für die Akkreditierung von Journalisten war das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) federführend zuständig, für die Akkreditierung der Service-Mitarbeiter das BKA. Das BKA führte für eigene Bedarfe und für das BPA Personenüberprüfungen zum Zwecke des Personenschutzes unter Beteiligung weiterer Sicherheitsbehörden durch. In diesem Zusammenhang hat das BKA der Polizei Hamburg ab dem 22. Mai 2017 über 21.000 Personendaten übermittelt. Die Polizei Hamburg hat die entsprechenden Überprüfungen durchgeführt und deren Ergebnisse an das BKA gemeldet; Bewertungen der übermittelten Erkenntnisse erfolgten ausschließlich durch das BKA. Angaben zum Verfahren beziehungsweise zur Art der Erkenntnisse, die zum Ausschluss einzelner Personen während des G20-Gipfels oder eventuell schon im Vorhinein geführt haben, liegen der Polizei Hamburg grundsätzlich nicht vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Fällen der auf der Sperrliste aufgeführten 82 Personen wurden durch Hamburger Dienststellen Erkenntnisse an das Bundeskriminalamt (BKA) zwecks Durchführung der Sicherheitsüberprüfung zugeliefert ? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung liegen der Polizei Hamburg nicht vor. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht aller ab dem 22. Mai 2017 vom BKA an die Polizei Hamburg übermittelten Personendaten erforderlich. Der Abgleich von über 21.000 Personendatensätzen mit den vom BKA am 7. Juli 2017 in der Liste übermittelten 82 Personendaten ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Liste mit den genannten 82 Personen liegt dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg nicht vor. Das LfV hat in insgesamt 25 Fällen Informationen über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) an das BKA weitergegeben. Davon waren nach heutiger Kenntnis in fünf Fällen Journalistinnen und Journalisten betroffen. Die Bewertung der übermittelten Erkenntnisse erfolgte ausschließlich durch das BKA. Inwieweit Personen dieser 25 Fälle in der Liste enthalten sind, kann vonseiten des LfV nicht beurteilt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/10147. 4 Vergleiche zum Beispiel https://twitter.com/martinkaul/status/883376314492882945. 5 Vergleiche Antworten der Bundesregierung zu Fragen 24. und 26. in BT.-Drs. 18/13345. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10208 3 2. Wann genau wurde die Sperrliste durch das BKA erstmalig an die Hamburger Polizei geschickt? Wann genau ging die Löschanweisung des BKA bei der Hamburger Polizei ein? Wann wurde die Liste gelöscht? 3. Welchen Umfang hatte die von der Bundesregierung in BT.-Drs. 18/13345 angeführte „eigene Namensaufstellung“ der Hamburger Polizei , mit deren Hilfe der Zugang zum Medienzentrum kontrolliert wurde? Wann genau wurde diese Liste erstellt? Siehe Drs. 21/10147. Andere Erkenntnisse liegen der Polizei auch in Kenntnis der angeführten Antwort der Bundesregierung nicht vor. 4. Wie erklärt es sich angesichts der eingangs erwähnten, auch fotografisch dokumentierten Quellenlage, dass bereits am Morgen des Gipfel- Freitags mit – gemäß Aussage der Bundesregierung – durch die Hamburger Polizei erstellten Namenslisten der Zugang zum Medienzentrum kontrolliert wurde, der Senat jedoch in Drs. 21/9947 schreibt, die Polizei habe erst am Freitagnachmittag erstmals von dieser Sperrliste Kenntnis erlangt? Wo wurden die Sperrlisten jeweils vom BKA, wo von der Polizei Hamburg erstellt und verteilt? Zur Herkunft und Aushändigung der Listen des BKA siehe Drs. 21/10147; anders lautende Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Polizei nicht vor. Im Übrigen ist der benannte „Twitter-Tweet“ nach den Erkenntnissen der Polizei am 7. Juli 2017 um 19.25 Uhr veröffentlicht worden. 5. Wer traf wann genau und aus welchen Gründen die Entscheidung, die Sperrlisten wieder einzusammeln und am Gipfel-Samstag nicht mehr zu kontrollieren? Inwieweit geschah dies auf Anweisung welcher Bundesdienststellen ? Wann genau wurden diese Anweisungen ausgegeben beziehungsweise trafen erstmals bei Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Hamburger Einsatzleitung ein? Siehe Drs. 21/10147. 6. Wie wurde sichergestellt, dass die auf der Sperrliste genannten 82 Personen auch am Gipfel-Samstag keinen Zugang zu den Veranstaltungsorten erhielten? Inwieweit hatte sich ansonsten quasi innerhalb einiger Stunden die Bewertung der Sicherheitslage und des Gefährdungspotenzials , das von diesen 82 Personen ausging, so weit verändert, dass sie theoretisch wieder Zugang hätten erhalten können? 7. Auf welche konkrete Weise wurde der Zutritt zum Medienzentrum elektronisch überwacht? Inwieweit kann auf Basis dieser elektronischen Zugangsüberwachung sicher ausgeschlossen werden, dass alle der auf der Sperrliste aufgeführten 82 Personen auch am Gipfel-Samstag keinen Zugang zum Medienzentrum und anderen Sicherheitsbereichen wie zum Beispiel den Delegationshotels hatten beziehungsweise dort nicht mehr erschienen sind, da ja keine „manuelle Überprüfung“ anhand von Sperrlisten mehr erfolgte? Siehe Vorbemerkung; im Übrigen siehe Drs. 21/10147. 8. Lagen – auch der von der Freien und Hansestadt Hamburg gestellten Einsatzleitung beziehungsweise dem Führungsstab der BAO Michel – Anschlagsdrohungen oder Hinweise über einen bevorstehenden Anschlag auf Leib und Leben von Menschen innerhalb der Sicherheitsbereiche vor? Wenn ja, seit wann genau? Inwieweit handelte es sich bei den entsprechend Verdächtigen um wie viele Personen von der Sperrliste, denen nachträglich die Akkreditierung entzogen wurde? Die Gefahr terroristischer Gewalttaten im Bundesgebiet ist vor dem Hintergrund der weltweiten Entwicklungen im Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus anhal- Drucksache 21/10208 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 tend hoch. Sie kann sich jederzeit in Form von Gewalttaten und Anschlägen konkretisieren . Konkrete Erkenntnisse über Anschlagsvorhaben im Sinne der Fragestellung lagen der Polizei nicht vor. 9. Besteht der Vorbereitungs- beziehungsweise Führungsstab der BAO Michel noch wie ursprünglich geplant bis zum Dezember 2017 zu Nachbereitungszwecken fort?6 a. Inwieweit wird er vor dem Hintergrund der Einrichtung eines Sonderausschusses der Bürgerschaft noch darüber hinaus fortbestehen ? b. Wann hat er sich bislang mit welchen Teilaspekten und Themen der Nachbereitung des G20-Gipfels befasst? Inwieweit war auch der Umgang mit der Sperrliste darunter? Welche Ergebnisse wurden dabei erzielt beziehungsweise welche Erkenntnisse gewonnen? c. Bis jeweils wann wird er sich nach derzeitigem Plan noch mit jeweils welchen weiteren Teilaspekten und Themen zur Nachbereitung des G20-Gipfels befassen? Der mit der Nachbereitung des G20-Einsatzes betraute Stab hat am 10. Juli 2017 seine Arbeit aufgenommen; ein Datum für das Beenden der Arbeit des Stabes ist nicht festgelegt. Der aktuelle Schwerpunkt besteht in der Aufbereitung von Unterlagen für den Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft und in der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen. Insbesondere die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen führt zur Befassung mit wechselnden Themenstellungen, darunter auch dem Akkreditierungsverfahren . Alle Themenbereiche der Nachbereitung werden parallel bearbeitet. Konkrete Zeitschienen zu einzelnen Teilaspekten sind nicht festgelegt. 6 Vergleiche http://www.polizei.hamburg/contentblob/9088678/ fb8ed88e248daf6d0af58e158cd0b348/data/hpj-ausgabe-03-2017-do.pdf, Seite 23.