BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10256 21. Wahlperiode 08.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 31.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Schutz vor Gefährdung psychischer Belastungen in Hamburger Krankenhäusern sowie Ursachen und Folgen von psychischen Belastungen bei Krankenhauspflegepersonal Nach Angaben von ver.di fehlen in Hamburger Krankenhäusern 4.200 Stellen (Stand 2016). Immer mehr Menschen entwickeln psychische Erkrankungen . Arbeitsverdichtungen, ständige Erreichbarkeit durch die neuen Medien beziehungsweise pausenlose Arbeit sind zum Beispiel Ursachen dafür. Psychische Erkrankungen sind 2015 der dritthäufigste Grund für Krankschreibungen (vergleiche DAK-Report 2016). Epidemiologisch gehören psychische Erkrankungen zu den häufigsten Erkrankungen. Aus einer Onlinebefragung von 240 Pflegekräften von DocCheck im Auftrag von Asklepios Kliniken geht hervor, dass mehr als die Hälfte von Pflegekräften in Kliniken, ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen aufgrund von Stress häufig oder regelmäßig körperliche Beschwerden und ein Drittel psychische Symptome zeigen. Als Stressauslöser werden zu viel Bürokratie, Dokumentation, Arbeitsverdichtung und zu wenig Zeit pro Patient/-in genannt. 18 Prozent des Klinikpersonals haben psychische Beschwerden. Gemäß der Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit ist eine psychische Belastung als „Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf die Beschäftigten zukommen und psychisch auf sie einwirken.“ zu verstehen. „Sie führen bei den Beschäftigten zu physischen und psychischen Beanspruchungen und können Einfluss auf ihre Gesundheit, ihr Leistungsvermögen und ihr Wohlbefinden haben“.1 Auch in diesem Kontext ist die Gefährdungsbeurteilung ein wichtiges Instrument zur Ermittlung psychischer Belastungsfaktoren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist an Hamburger Krankenhäusern die Entwicklung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der dort angestellten Pflegekräfte seit 2012? Bitte auflisten nach Anzahl der Fehltage pro Pflegekraft und Jahr sowie Anzahl der Fehltage pro Pflegekraft, Jahr und Krankenhaus. Nach Kenntnis der zuständigen Behörde liegen die Fehlzeiten in Krankenhäusern jährlich durchschnittlich zwischen fünf bis 14,75 Tagen in 2012 und 5,8 bis 16,42 Tagen in 2016. Die Darstellung der Anzahl der Fehltage pro Pflegekraft über einen Zeitraum von 5,5 Jahren bei circa 15.000 beschäftigten Pflegekräften in Hamburger 1 http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2013/0301-0400/315- 13(B).pdf?__blob=publicationFile&v=3. Drucksache 21/10256 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Krankenhäusern mit dann circa 90.000 Einzelangaben ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie viele an Hamburger Krankenhäusern angestellte Pflegekräfte haben nach drei Jahren Anstellung an Hamburger Krankenhäusern einen Berufswechsel oder eine Umschulung vorgenommen? Bitte auflisten nach Jahr, Anzahl der angestellten Pflegekräfte, Anzahl der Berufswechsel , Anzahl der Umschulungen. Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Informationen vor. 3. Wie viele an Hamburger Krankenhäusern angestellte Pflegekräfte haben seit 2012 eine Frühverrentung in Anspruch genommen? Bitte auflisten nach Anzahl der Frühverrentungen, Anzahl der Pflegekräfte, Jahr und Alter der in Frührente gehenden Pflegekraft. Dazu liegen der zuständigen Behörde aus vier Plankrankenhäusern folgende Informationen vor: 2012 2013 2014 2015 2016 2017 3 Mitarbeiter Innen zwischen 45 und 64 J. 3 Mitarbeiter Innen zwischen 58 und 61 J. 3 Mitarbeiter Innen zwischen 50 und 65 J. 6 Mitarbeiter Innen zwischen 57 und 63. J. 5 Mitarbeiter Innen zwischen 61 und 64 J. 2 Mitarbeiter Innen (63 J.) 4. Wer oder was kontrolliert die Umsetzung von § 3 – 8 der Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit? Bei dieser Verordnung handelt es sich um einen vom Bundesrat am 3. Mai 2013 beschlossenen Entwurf (BR.-Drs. 315/13 (Beschluss)). Die Bundesregierung hat diese bisher noch nicht erlassen. 5. Im Hamburger Handlungskonzept zur Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen lautet es, dass das Amt für Arbeitsschutz einen Schwerpunkt auf die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen und menschengerechte Gestaltung von Arbeit legt. Inwiefern werden Systemkontrollen durch das Amt für Arbeitsschutz in Hamburger Krankenhäusern seit einschließlich 2015 durchgeführt, wenn es in Drs. 21/7352 lautet, das Amt für Arbeitsschutz kontrolliere (alleinig) die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den Asklepios Kliniken? Bitte auflisten nach Gesamtanzahl aller Überprüfungen in allen Krankenhäusern und Jahr sowie nach einer Anzahl der Überprüfungen, Name des Krankenhauses und Jahr. Wenn nein, warum nicht? Das Amt für Arbeitsschutz in der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) überprüft im Rahmen von Systemkontrollen nicht nur die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, sondern auch andere Rechtsvorschriften, wie etwa das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) mit darauf gestützten Verordnungen und das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Dabei werden insbesondere die Arbeitsschutzorganisation und die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung überprüft. In großen Krankenhäusern wird die Systemkontrolle alle sechs Jahre wiederholt. Darüber hinaus führt das Amt für Arbeitsschutz anlassbezogene Überprüfungen durch. Tabelle 1: Überprüfungen in Hamburger Krankenhäusern 2015 bis 2017 Krankenhäuser 2015 2016 2017* Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg gGmbH 1 2 1 AKK Altonaer Kinderkrankenhaus gGmbH 2 1 3 Albertinen Krankenhaus 1 2 1 AMF Facharztklinik Hamburg GmbH 0 1 0 Asklepios Klinik Altona 4 1 3 Asklepios Klinik Barmbek 3 3 2 Asklepios Klinik Eimsbüttel GmbH 1 0 0 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10256 3 Krankenhäuser 2015 2016 2017* Asklepios Klinik Nord 5 1 6 Asklepios Klinik Harburg 2 5 3 Asklepios Klinik Wandsbek 3 2 3 Asklepios Klinik St. Georg 9 4 2 Asklepios Westklinikum Hamburg GmbH 3 1 4 Bethesda Krankenhaus Bergedorf gGmbH 3 1 0 BG Klinikum Hamburg gGmbH 2 2 1 Ev. Amalie Sieveking Krankenhaus gGmbH 3 2 1 Evangelisches Krankenhaus Alsterdorf gGmbH 9 3 1 Fachklinik Helmsweg 0 1 0 HELIOS Endo-Klinik Hamburg GmbH 3 3 0 Helios Mariahilf Klinik Hamburg 5 1 0 Israelitisches Krankenhaus 1 1 1 Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift 1 1 1 Katholisches Marienkrankenhaus 2 2 2 Klinik Dr. Guth 1 1 0 Klinik Fleetinsel HH GmbH & Co. KG 0 1 1 Krankenhaus Jerusalem 0 2 0 Krankenhaus Tabea GmbH & Co. KG im Artemed -Klinikverbund 1 3 0 Praxis-Klinik Bergedorf GmbH 0 1 0 Schön Klinik Hamburg-Eilbek 6 4 4 UKE 10 14 13 Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand 2 5 1 6. Warum sind im Amt für Arbeitsschutz seit 2015 keine Gefährdungsanzeigen aus den einzelnen Hamburger Krankenhäusern mehr eingegangen ? Überlastungsanzeigen sind ein internes Instrument eines Betriebes, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, auf mögliche Gefährdungen von Patienten hinzuweisen. Die genannten Anzeigen dienen nicht der Kontrolle von Arbeitsschutzbestimmungen . Sie werden grundsätzlich nicht an das Amt für Arbeitsschutz der BGV gegeben. 7. Wie wird die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in Hamburger Betrieben und in Hamburger Krankenhäusern sichergestellt? Die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist gesetzliche Aufgabe von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Im Übrigen siehe Antworten zu 5. und zu 6. 8. Wurden psychische Belastungsfaktoren beziehungsweise eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit in der Gefährdungsbeurteilung durch ein Gremium oder eine Behörde seit 2015 betrachtet und bewertet ? Bitte auflisten nach Bezeichnung der Behörde oder des Gremiums und Jahr. Das Amt für Arbeitsschutz hat im Rahmen der Überwachung auch Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen in Krankenhäusern überprüft. Dies geschah 2015 in 15 Fällen, 2016 in fünf und 2017 bisher in 16 Fällen. 9. Aus Drs. 21/4142 ist herauslesbar, dass die Anzahl der Überprüfungen des UKE durch das Amt für Arbeitsschutz seit 2012 kontinuierlich abgenommen hat. Was ist der Grund für die Abnahme der Anzahl der Prüfungen ? Überprüfungen erfolgen eigeninitiativ und anlassbezogen durch das Amt für Arbeitsschutz . Anlässe sind beispielsweise Bauvorhaben, Änderungen in Verfahren und Arbeitsabläufen oder Beschwerden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Vor Drucksache 21/10256 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 diesem Hintergrund sind jährliche Schwankungen in der Zahl von Überprüfungen normal. 10. Gibt es in den Hamburger Krankenhäusern Gremien, die den Prozess der Gefährdungsbeurteilung steuern und über Prioritäten, Veränderungen , Verbesserungen entscheiden? Bitte auflisten nach Namen des Gremiums, Zusammensetzung nach Berufsqualifikationen, Funktion des Gremiums. Die Gefährdungsbeurteilung ist Aufgabe des Arbeitgebers. Es liegen der zuständigen Behörde keine Informationen darüber vor, um welche Gremien es sich im Einzelnen handelt. Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz muss in allen Unternehmen mit mehr als zwanzig Beschäftigten ein Arbeitsschutzausschuss gebildet werden, der sich aus dem Arbeitgeber oder einem von ihm Beauftragten, Betriebsratsmitgliedern, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebsärzten sowie Sicherheitsbeauftragten zusammensetzt. Diese spielen bei der Steuerung der Gefährdungsbeurteilung eine wichtige Rolle. 11. Gibt es in den Krankenhäusern übergreifende Konzepte zur Verbesserung einer menschengerechten Gestaltung von Arbeit, mit der alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten erfasst werden? Nach Kenntnis der zuständigen Behörde werden in Krankenhäusern verschiedene übergreifende Konzepte praktiziert, zum Beispiel: • standardisierte Kommunikationswege (Meldesysteme, Qualitätszirkel, Betriebliches Vorschlagswesen und regelmäßige Besprechungen) tragen dazu bei, Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge aufzunehmen und bewerten zu können, • verschiedene Instrumente, wie zum Beispiel externe Teambegleitung, Supervisionen , innerbetriebliche und externe Fort- und Weiterbildung et cetera, • unterschiedliche Maßnahmen, die in Verfahrensanweisungen geregelt sind, zum Beispiel Dienstplangestaltung, Regel- und Mindestbesetzung, Ausfallmanagement, Qualifikationsmix mit entsprechender Aufgaben- und Kompetenzübertragung. 12. Wird in Hamburger Krankenhäusern ein Screening psychischer Belastungen in der stationären Krankenpflege, Belastungsscreening TAA-KH- S, durchgeführt? Wenn ja, in welchen Krankenhäusern? Wenn nein, warum nicht? Aus Antworten von acht Krankenhäusern geht hervor, dass das Belastungsscreening nach TAA-KH-S nicht genutzt wird. Das Tätigkeits- und Arbeitsanalyseverfahren für das Krankenhaus (TAA-KH) ist nur eine mögliche Form, die Krankenhäuser für ein Belastungsscreening bei Pflegekräften im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für diese Berufsgruppe einsetzen können. 13. Gibt es systematische Prozesse zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu den Bereichen a) Verbesserung/Optimierung der Arbeitssituation, b) Verbesserung/Optimierung der Arbeitstätigkeit, c Führung, Teamentwicklung und Betriebsklima, d) Verbesserung der Arbeitsumgebungsbedingungen (Klima, Beleuchtung , Lärm, Gerüche), e) flexible Arbeitszeiten, f) ältere Arbeitnehmer/-innen, g) körpergerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10256 5 h) Arbeitnehmer/-innen mit Behinderungen? Bitte einzeln nach Bereichen beantworten und darstellen, was dies für Prozesse konkret sind. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein systematischer Prozess zur kontinuierlichen Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Je nach Bestandsaufnahme und Beurteilung von Belastungen im Unternehmen sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, um Gefährdungen zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Der zuständigen Behörde liegen keine detaillierten Informationen dazu vor, welche systematischen Prozesse der Arbeit im Einzelnen ergriffen werden. 14. Werden die Mitarbeiter/-innen an Hamburger Krankenhäusern an der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durch Abfragen ihrer Verbesserungsvorschläge beteiligt? Bitte auflisten nach Berufsqualifikation , Krankenhaus und Benennung der konkreten Form der Beteiligung und der Auswirkung auf die Gefährdungsbeurteilung. Der zuständigen Behörde liegen keine Informationen darüber vor, ob und inwieweit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Abfrage ihrer Verbesserungsvorschläge an der Gefährdungsbeurteilung beteiligen. 15. Wird die Gefährdungsbeurteilung in den Hamburger Krankenhäusern nachvollziehbar dokumentiert? Bitte angeben mit Beispielen für das Kriterium nachvollziehbar, Krankenhaus, Dokumentationsform. Für die Nachvollziehbarkeit der Gefährdungsbeurteilung sind folgende Kriterien maßgeblich : Erfassung aller Arbeitsplätze/Tätigkeiten im Betrieb, zutreffende Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Festlegung von Schutzmaßnahmen sowie von Verantwortlichen und Fristen für die Umsetzung der Maßnahmen, Realisierung der Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen, Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen und Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung. Die Gefährdungsbeurteilungen in Hamburger Krankenhäusern können von der Arbeitsschutzbehörde anhand der Dokumentationen nachvollzogen werden. Im Rahmen einer Complianceprüfung wird bei jeder Systemkontrolle die Gefährdungsbeurteilung konkret an einzelnen Arbeitsplätzen stichprobenartig überprüft. Eine bestimmte Form der schriftlichen Dokumentation schreibt der Gesetzgeber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht vor.