BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10271 21. Wahlperiode 12.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 04.09.17 und Antwort des Senats Betr.: G20 – Einsatz von Reizstoffen durch die Polizei (III) (Wasserwerfer) Es gibt im Zusammenhang mit dem Einsatz von Wasserwerfern zahlreiche Berichte von Betroffenen und Augenzeugen über die typischen gesundheitlichen Beschwerden, die Reizstoffe auslösen. In der Sondersitzung des Innenausschusses am 19. Juli 2017 sagte Herr Dudde dazu Folgendes: „Also ich habe nur Kenntnis über den Einsatz der MZP, also das Verschießen von Tränengas. Mir liegen aber auch noch nicht alle Berichte der Wasserwerfer vor. Generell gilt die Linie, wir mischen keine Reizstoffe dem Wasser zu. Ob man das in allen Fällen, weil wir ja auch teilweise über Notfallsituationen reden, so gehalten hat, weiß ich nicht, das kann ich aber beim nächsten Mal mit Sicherheit konkret berichten.“ (Seite 82.) Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: In Hamburg ist eine Beimischung von Reizstoffen bei Einsätzen von Wasserwerfern (WaWe) zulässig; in den zurückliegenden Jahren hat die Polizei Hamburg hiervon aus polizeitaktischen Gründen keinen Gebrauch gemacht. Anwendungen von Reizstoffen und Einsätze von WaWe richten sich in Hamburg nach dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) und sind in § 18 Absatz 3 SOG ausdrücklich als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt aufgeführt. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung von unmittelbarem Zwang sind im Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HmbVwVG) in Verbindung mit §§ 17 fortfolgende SOG geregelt. Ergänzende Verfahrensweisen sind in der Vorschrift für den täglichen Dienst der Polizei der Freien und Hansestadt Hamburg (PDV 350 - HH-) festgelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Anweisungen des Einsatzleiters gab es hinsichtlich des Einsatzes von Reizgas in Wasserwerfern? a. Welche Anweisungen gab es hinsichtlich des Wasserdrucks (von Wasserregen bis hin zu Wasserstrahl unter Hochdruck) und der Entfernung sowie weiterer technischer Vorgaben gegebenenfalls bezogen auf verschiedene Einsatzszenarien? b. Welche Anweisungen gab es hinsichtlich der Ausgabe als Aerosol oder als Beimengung zum Wasser sowie der Zumischraten? Für den Einsatz gelten die Vorschriften der Polizeidienstvorschrift (PDV) 122. Darüber hinaus betreffen die PDV-Inhalte die Einsatztaktik der Polizei, weshalb von einer Darstellung abgesehen wird. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. Drucksache 21/10271 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Auf welcher Führungsebene gab es Anordnungsbefugnisse für den konkreten Einsatz von Wasserwerfern im Rahmen der Anweisungen des Einsatzleiters? Auf welcher Führungsebene gab es Anordnungsbefugnisse für den Einsatz von Reizstoffen mittels Wasserwerfern? Inwieweit musste der Einsatzleiter über den Reizstoffeinsatz informiert werden? Über Art und Weise der Abgabe von Wasser (Auffächerung, Druck et cetera) sowie der Beimischung von Reizstoffen im Rahmen eines Einsatzes von WaWe entscheidet grundsätzlich der jeweilige Kommandant beziehungsweise die Kommandantin. Dieser Grundsatz galt auch für alle im Rahmen des G20-Einsatzes eingesetzten WaWe. Der Wasser- beziehungsweise Reizstoffeinsatz ist zu dokumentieren; eine Verpflichtung zur direkten Information des Einsatzleiters besteht nicht. Im Übrigen gelten die Vorschriften der PDV 122. 3. Wie ist der Einsatz von Reizgas mittels Wasserwerfern rechtlich einzuordnen ? Inwieweit gilt der Wasserwerfer zum Beispiel in einem solchen Fall als Abschussvorrichtung? Siehe Vorbemerkung. 4. In Niedersachsen etwa gibt es einen Runderlass des Innenministeriums, dass Einsatz von Reizstoffen als Beimischung in Wasserwerfern oder Wasserarmaturen unzulässig ist. In einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wird Hamburg nicht als Bundesland genannt, in dem Reizstoffe dem Wasser beigemischt werden können. Der Einsatzleiter hat im Innenausschuss den Einsatz aber für möglich gehalten. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen der Einsatz sowie die diesbezüglichen Anweisungen in Hamburg? Die Kombination eines WaWe-Einsatzes mit einer kontrollierten Zumischung des Reizstoffs in den Sprühstrahl des WaWe ist gemäß SOG zulässig und in der PDV 350 -HH- ausdrücklich vorgesehen; im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Inwieweit wurde der Einsatz der Wasserwerfer durch Video- und Tonaufzeichnungen dokumentiert? a. Was genau geschieht mit den Aufzeichnungen? b. Können die Aufzeichnungen auch zur Strafverfolgung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von Einsätzen herangezogen werden? Wenn ja, wie ist die Vorgehensweise? Wasserabgaben durch WaWe wurden mittels Video- und Tonaufzeichungen dokumentiert und an die Abteilung Informationstechnik (IT 421) der Polizei Hamburg übersandt . Aufzeichnungen können von Ermittlungsdienststellen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben angefordert werden. 6. In der Antwort auf Frage 5. der Drs. 21/10029 heißt es, dass Reizstoffeinsätze an die einsatzführende Dienststelle zu melden und aktenkundig zu machen sind. Dazu gehört auch die Dokumentation des Wasserwerfertrupps und seiner Ausstattung. a. Wie waren die in Hamburg eingesetzten Wasserwerfer ausgestattet ? aa. Welche Reizstoffe führten sie mit sich (zum Beispiel CN- oder CS-Tränengas et cetera)? Bitte genau angeben, wann und wo und welche Einheiten welcher Landespolizeien beziehungsweise der Bundespolizei die Reizstoffe in wie vielen Wasserwerfern mitführten. ab. Mit welcher Menge an Reizstoffen waren die Wasserwerfer jeweils ausgestattet? Bitte genau angeben, wann und wo und welche Einheiten welcher Landespolizeien beziehungsweise Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10271 3 der Bundespolizei welche Mengen an Reizstoffen in den Wasserwerfern mitführten. Alle eingesetzten WaWe sind grundsätzlich technisch für die Beimischung von Reizstoffen ausgerüstet. Der Typ WaWe 10000 kann technisch bis zu 120 Liter Reizstoff mitführen, der Typ WaWe 9000 bis zu 54 Liter Reizstoff. Die WaWe der Polizei Hamburg führten im Einsatz entsprechende Mengen des Reizstoffes Chloracetophenon (CN) mit. Für eine Beantwortung im Sinne der Fragestellung über das Mitführen von Reizstoffen auswärtiger WaWe wäre eine Abfrage bei sämtlichen beim G20-Gipfel eingesetzten auswärtigen WaWe-Besatzungen erforderlich, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. b. Inwieweit haben Senat und zuständige Behörde inzwischen Kenntnis über den Einsatz von Reizgas mittels Wasserwerfern? Bitte genau angeben, welche Einsätze an welchen Orten, aus welchen Anlässen und wann inzwischen von welchen Einheiten welcher Landespolizeien beziehungsweise der Bundespolizei gemeldet wurden . Bitte auch angeben, wann, wo, warum und von wem die Ausgabe als Aerosol oder als Wasserbeimengung erfolgte und mit welchen Zumischraten zum Wasser dies jeweils geschah. Während des G20-Einsatzes kam es nach derzeitigem Erkenntnisstand in einem Fall anlässlich der gewalttätigen Ausschreitungen im Schanzenviertel am 7. Juli 2017 gegen 21.45 Uhr im Bereich Schulterblatt zur Wasserabgabe unter Beimischung von CN durch WaWe der Landespolizei Schleswig-Holstein. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis 1. b., 2. und 6. a. bis 6. ab. 7. Welche sonstigen Einsätze von welchen Reizstoffen an welchen Orten wurden inzwischen von welchen Einheiten welcher Landespolizeien beziehungsweise der Bundespolizei gemeldet? Bitte genau auflisten, auch nach den unterschiedlichen Arten des Einsatzes (zum Beispiel Reizstoffsprühgeräte, Abschussvorrichtungen, welche Reizstoffe in welcher Konzentration et cetera). Jeder Einsatz von Reizstoffen durch die Polizei ist aktenkundig zu machen, eine statistische Erfassung erfolgt nicht. Zur Beantwortung müssten sämtliche im Zusammenhang mit dem G20-Einsatz stehende Strafanzeigen und Berichte händisch ausgewertet werden. Die Auswertung von mehreren Tausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 21/10029.