BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10299 21. Wahlperiode 12.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 06.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Schnellbusse Das Hamburger Schnellbussystem war bei seiner Einführung im Jahr 1955 einzigartig in Europa. Der damalige SPD-Senat hatte mit der Einführung der „Omnibus-Zusatz-Linien“ beabsichtigt, „schnelle und bequeme Verbindungen der Außenbezirke mit dem Stadtkern“ und „Querverbindungen zwischen den Außenbezirken der Stadt“ einzurichten. „Diese Zusatzlinien sollen nicht dem üblichen Massenverkehr dienen, sondern begehrte Verkehrsziele schneller und bequemer erreichen lassen, als dies mit den normalen Verkehrsmitteln möglich ist, weil die Sonderbusse ihre Verkehrsziele auf kürzestem Wege erreichen und nur an wenigen Verkehrsknotenpunkten halten. Diese Schnell- Linien heben sich daher stark von dem Normalverkehr ab und nähern sich leistungsmäßig dem individuellen Kraftverkehr, so dass sie zu einer Entlastung der Innenstadt von dem Individualverkehr beitragen, der Autofahrer mittels solcher Linien fast ebenso schnell in die Innenstadt gelangen kann wie mit seinem eigenen Kraftwagen.“ (Mitteilung Nummer 9 des Senats an die Bürgerschaft vom 07.01.1955, zitiert nach Hamburger Omnibusverein, www.hov-bus.de.) Auch wenn die seinerzeit erhoffte Entlastung der Innenstadt vom Autoverkehr nicht nachhaltig gelang, so bestand im Schnellbusverkehr – nicht zuletzt auch aufgrund der nahezu herrschenden „Sitzplatzgarantie“ – doch ein konkurrenzfähiges Angebot zum Individualverkehr. Um die Schnellbusse auch äußerlich abzuheben, führte die HHA 1960 noch die berühmte Sonderlackierung in „babyrosa“ ein, die von Designern der TU Darmstadt entwickelt worden war und über 30 Jahre das Stadtbild prägte. In den Siebziger-, Achtziger und Neunzigerjahren gingen dann die einstigen Vorzüge des Schnellbussystems (Komfort, Schnelligkeit, Unverwechselbarkeit und so weiter) durch fragwürdige Entscheidungen der Verantwortlichen nach und nach verloren und heute sind kaum noch Unterschiede zu den übrigen Linien feststellbar. Insofern gab es gerade in den letzten Jahren, zuletzt 2015, verschiedentlich motivierte Anläufe aus der Bürgerschaft, das Schnellbussystem auf den Prüfstand zu stellen. Am 28.06.2016 unterrichtete die Präsidentin der Bürgerschaft über ein Schreiben des Wirtschaftssenators, in dem angekündigt wurde, zu dem Bürgerschaftlichen Ersuchen zum Thema „Schnellbusse in Hamburg“ im 4. Quartal 2016 mittels einer Drucksache zu berichten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/10299 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die zuständige Behörde untersucht das Schnellbussystem zusammen mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und den Verkehrsunternehmen Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) und KVG Stade GmbH (KVG) umfassend. Hierzu werden Auslastung und Nutzung des Schnellbusses unter anderem durch bestimmte Fahrgastgruppen und -verhalten sowie zur Wirtschaftlichkeit des Produktes analysiert und durch Kundenbefragungen und Telefoninterviews ergänzt werden. Auf dieser umfassenden Datenbasis werden die einzelnen Lösungsansätze bewertet und ein Handlungskonzept entwickelt, das auf seine Umsetzbarkeit hin überprüft wird. Diese umfangreichen Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Angesichts der Auswirkungen auf den Busverkehr in Hamburg hält der Senat eine umfassende und gründliche Aufbereitung der Thematik für geboten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des HVV, der HOCHBAHN und der VHH wie folgt: 1. Ist im 4. Quartal eine entsprechende Drucksache vom Wirtschaftssenator zum Thema „Schnellbusse in Hamburg erstellt worden? Wenn ja, unter welcher Nummer wurde diese in der Parlamentsdatenbank veröffentlicht? (Durch die Suchfunktionen war dergleichen nicht aufzufinden.) 2. Wenn nein, warum konnte die entsprechende Drucksache immer noch nicht erstellt werden? 3. Wurden die in dem Schreiben des Wirtschaftssenators erwähnten Untersuchungen und Analysen, die zusammen mit den beteiligten Verkehrsunternehmen im 3. Quartal 2016 durchgeführt werden sollten, inzwischen abgeschlossen und wo sind diese einsehbar? 4. Kann mit der Erstellung einer Drucksache zu diesem Thema noch gerechnet werden und wann wird dies voraussichtlich der Fall sein? 5. Wie begründet sich der einjährige Stillstand des Verwaltungshandelns in dieser Angelegenheit? 6. Betreibt der Senat aktuell Überlegungen zur Weiterentwicklung des Schnellbussystems? Siehe Vorbemerkung. 7. Auf den Schnellbuslinien werden derzeit unterschiedliche Fahrzeuge eingesetzt, fallweise kommen auch normale Stadt- und Gelenkbusse zum Einsatz. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal des Schnellbuskonzeptes (und die Begründung für den Fahrpreiszuschlag) stellte immer der gegenüber den Stadt- und MetroBussen höhere Fahrkomfort dar. Inwieweit ist der Zuschlag der Höhe nach noch begründet, wenn Fahrzeuge eingesetzt werden, die über keinerlei bessere Ausstattung in der Sitzanordnung und Sitzqualität verfügen oder bei denen sogar die Stehplätze ausgenutzt werden müssen? 8. Warum wurden die einstigen Komfortmerkmale des Schnellbusses (Anordnung aller Sitze in Fahrtrichtung, komfortable Sitzpolsterung, sitzplatzoptimierte Fahrzeugeinrichtung, besondere Beleuchtung, besondere Lackierung und so weiter) aufgegeben? Die auf den Schnellbuslinien eingesetzten Fahrzeuge erfüllen weiterhin die Qualitätsanforderungen . Neben besonderen Komfortsitzen verfügen die Busse über mindestens drei weitere Komfortausstattungen, zum Beispiel verstärkte Innenbeleuchtung, spezielle Seitenwandverkleidung, Gepäckablagen und Kleiderhaken. Das Angebot der Schnellbuslinien ist so dimensioniert, dass im Regelbetrieb für jeden Fahrgast ein Sitzplatz zur Verfügung steht. Die Einführung der Niederflurtechnik und rechtliche Vorgaben, insbesondere zur Herstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und zur Mitnahme von Rollstühlen, haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich die Aufteilung und Gestaltung der Innenräume der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10299 3 Schnellbusse verändert hat. Auf den Linien 48 und 49 kommen Fahrzeuge besonderer Bauart zum Einsatz, bei denen die Platzverhältnisse durch die maximalen äußeren Abmessungen vorgegeben sind. Sofern aufgrund unvorhergesehener Umstände kein Fahrzeug mit Komfortausstattung zur Verfügung steht, dürfen Standardfahrzeuge eingesetzt werden, wobei die hierfür vorgesehene Toleranzschwelle von 10 Prozent eingehalten wird. 9. Welche Maßnahmen in der Streckenführung wurden unternommen, um die Schnelligkeit der Schnellbusse weiterhin zu gewährleisten? Bitte jeweils für die einzelnen Linien genau aufführen. Welche Fahrzeitgewinne konnten damit erzielt werden? In den vergangenen Jahren wurden keine Maßnahmen speziell für Schnellbusse durchgeführt. Die ursprüngliche Produktphilosophie des Schnellbusses, durch das Auslassen von Haltestellen schnelle Verbindungen herzustellen, ist im Laufe der Zeit aufgegeben worden. Insbesondere auf Wunsch der Fahrgäste wurden zusätzliche Haltestellen bedient, sodass sich die Fahrzeiten immer mehr an die der Standardbusse angeglichen haben (siehe Drs. 21/186). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Der Schnellbuszuschlag hat sich innerhalb des Tarifsystems in den letzten 40 Jahren besonders dynamisch entwickelt: Während die normale Fahrt im Tarifgebiet 2 sich von 0,97 Euro auf 3,20 Euro um 230 Prozent verteuerte, wurde der Schnellbuszuschlag von 0,30 Euro auf 2,00 Euro und damit um fast 600 Prozent angehoben. Und das, obwohl damals zum gleichen Preis auch noch die erste Klasse S-Bahn inbegriffen war. Gleichzeitig wurden der Komfort der Busse verringert, die Haltestellen verdichtet und damit die Geschwindigkeit verlangsamt. Welchen Hintergrund hat diese Preispolitik? Seit den HVV-Verbundausweitungen nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen in den Jahren 2002 und 2004 gehören auch viele Eisenbahnlinien des Regionalverkehrs mit 1.-Klasse-Angeboten zum HVV. Da diese RE- und RB-Züge vergleichsweise weite Strecken im HVV fahren, musste der Zuschlag stärker angehoben werden, um auch die langen Reiseweiten abzubilden. 11. Waren derartige Analysen Bestandteil der jetzt vom Wirtschaftssenator durchgeführten Untersuchungen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 12. Wie stellt sich der Senat die Zukunft des Schnellbussystems vor? Siehe Vorbemerkung.