BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1032 21. Wahlperiode 17.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 10.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Umgang mit Dienstwaffen bei der Polizei in Hamburg Laut vielfacher Pressemeldungen (teilweise unter Berufung auf Polizeisprecher ) vom 08. Juli 2015 fügte sich am selbigen Tag ein Polizist der Wasserschutzpolizei beim Reinigen einer Dienstpistole eine Schussverletzung an seiner Hand zu. Da das Durchführen einer Sicherheitsüberprüfung bei einer fertig geladenen oder ohne Durchladen schussbereiten Schusswaffe vor Manipulationen wie zum Beispiel Reinigungsvorgängen einen elementaren Grundsatz am Beginn jedweder Schulung im Umgang mit Schusswaffen darstellt, wirft dieses Ereignis einige Fragen zum Umgang mit Dienstwaffen bei der Polizei in Hamburg auf. Daher frage ich den Senat: 1. Treffen die Pressemeldungen zum oben genannten Ereignis inhaltlich soweit zu? Die Untersuchungen zum genauen Unfallhergang sind noch nicht abgeschlossen. Nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnisse erfolgte die Reinigung der Dienstwaffe in nicht geladenem Zustand. Der Schuss löste sich im Anschluss an den Reinigungsvorgang beim Umgang mit der dann wieder zusammengebauten Waffe. 2. Mit was für einem Typ Dienstpistole oder anderen Dienstwaffe genau ereignete sich der Unfall? Es handelte sich um eine Dienstpistole des Herstellers Heckler & Koch Modell P 2000 V2, die noch bei der Wasserschutzpolizei verwendet wird. 3. Aus welchem Grund reinigte der betreffende Beamte die Dienstwaffe in offensichtlich durchgeladenem Zustand? Siehe Antwort zu 1. 4. Gelten bei der Wasserschutzpolizei und sonstigen betroffenen Polizeibereichen dieselben Vorschriften zum Umgang mit Dienstwaffen? Wenn nein, inwiefern unterscheiden sie sich? Ja. 5. Entsprach die Handhabung der Dienstwaffe unmittelbar vor- und während des Unfallereignisses den für den Dienstbereich geltenden Vorschiften ? Siehe Antwort zu 1. Drucksache 21/1032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 6. Wie viele Unfälle mit Dienstwaffen gab es in den Jahren seit 2010 bei der Polizei? Welcher Art waren sie jeweils und in wie vielen Fällen kam es jeweils zur Gefährdung oder gar Schädigung unbeteiligter Dritter? (Bitte jahresweise auflisten.) Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt; die Polizei erfasst unbeabsichtigte Schussabgaben. Zur Beantwortung der Frage werden nachstehend die im erfragten Zeitraum registrierten 15 Fälle unbeabsichtigter Schussabgaben nach Jahren und Ursachen dargestellt: Jahr Anzahl Ursache 2010 2 Handhabungsfehler 2011 3 Handhabungsfehler 2012 4 Handhabungsfehler; in einem Fall konnte ein technischer Defekt nicht ausgeschlossen werden 2013 2 Handhabungsfehler 2014 3 Handhabungsfehler 2015* 1 Handhabungsfehler * Stand 13. Juli 2015 Verletzungen der handelnden Personen hat es danach lediglich bei dem dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zugrunde liegenden Fall gegeben. Der Beamte erlitt einen Durchschuss der linken Hand. Zu Schädigungen unbeteiligter Dritter ist es in keinem Fall gekommen, Erkenntnisse über Gefährdungen unbeteiligter Dritter liegen nicht vor. 7. Werden elementare Sicherheitsgrundsätze wie die eingangs beschriebenen im Umgang mit den jeweiligen Schusswaffen in der Polizeiausbildung in Hamburg in ausreichendem Umfang und mit genug Nachdruck unterrichtet? Ja. Die Vermittlung von Sicherheitsgrundsätzen hat in der Schießausbildung einen hohen Stellenwert. Die Sicherheitsgrundsätze werden an der Akademie der Polizei (AK) mit dem Ziel des eigenverantwortlichen und handhabungssicheren Umgangs mit der Schusswaffe nach der Ausbildung intensiv geschult. Sicherheitsüberprüfungen von Schusswaffen finden regelhaft vor und nach Schießübungen, Ablauftrainings und Reinigungsvorgängen statt. a. Wie hat sich die Anzahl der Unterrichtsstunden, die sich theoretisch sowie praktisch mit der Sicherheit beim Umgang mit der Waffe befassen, zur Schusswaffenausbildung in den Jahrgängen seit 2005 jeweils entwickelt? Gemäß Berufsbildungsplan beziehungsweise Modulhandbuch der AK werden im Laufe der Ausbildung/des Studiums 120 Unterrichtseinheiten (UE) durch die Schießausbilder der AK gegeben. Die UE umfassen zu circa 30 Prozent Theorie und 70 Prozent Praxis. Zusätzlich werden jeweils 14 UE sogenannte Schießvorschule durch die Fachlehrer für Polizeidienstkunde der AK erteilt. Die Anzahl der UE wurde im erfragten Zeitraum nicht verändert. b. Wird bei Einstellungen von teilweise oder bereits fertig ausgebildeten Polizisten aus externen Ausbildungen eine entsprechende Schusswaffenausbildung sichergestellt? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht? Ja. Da in den verschiedenen Polizeien unterschiedliche Dienstwaffen geführt werden, schult die AK sogenannte Länderwechsler nach. Es erfolgt eine fünf UE umfassende Einweisung in die neue Dienstwaffe. Danach schließt sich ein mindestens eintägiger Intensivschießlehrgang zur Um-/Gewöhnung an den anderen Waffentyp an. 8. Wie viele Tage Umfang hat die Schießausbildung der aktiven Polizistinnen und Polizisten Umfang in den Jahren seit 2010 im Soll? Wie viele Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1032 3 beziehungsweise welcher durchschnittliche Anteil davon wurde tatsächlich durchgeführt? (Bitte jahresweise auflisten.) Nach Abschluss der Ausbildung orientiert sich die allgemeine Schießfortbildung am Jahresschießprogramm. Ihr Umfang bemisst sich nach zu absolvierenden Übungen. Die Bediensteten der Polizei werden dazu entsprechend ihrer tatsächlichen Tätigkeit in sogenannte Programmgruppen wie folgt eingegliedert: Programm I Sechs Pistolenübungen, davon eine Kontrollübung, zwei Maschinenpistolen (MP-)5- Übungen (eine pro Halbjahr) mit Trockentraining1. Zielgruppe: Vollzugsbeamtinnen und -beamte der Direktion Polizeikommissariate und Verkehr (DPV), Direktion Einsatz (DE) und Wasserschutzpolizei (WSP). Programm II Wie Programm I ohne MP-5-Übungen. Zielgruppe: Vollzugsbeamtinnen und -beamte der DE, DPV, Verkehrsdirektion (VD), WSP, die überwiegend im Innendienst verwendet werden, sowie Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamtes und des Dezernats interne Ermittlungen. Programm III Vier Pistolenübungen inklusive einer Kontrollübung. Zwei Übungen pro Halbjahr mit Trockentraining. Zielgruppe: Vollzugsbeamtinnen und -beamte, die nahezu ausschließlich im Innendienst verwendet werden (Verwaltung und Technik, AK, Informationstechnik, Pressestelle , Leitungsstab, VD, DE). Programm IV Vier Pistolenübungen und vier MP-5-Übungen, davon eine Übung Handhabungssicherheit für beide Waffentypen. Zielgruppe: Angestellte im Polizeidienst (Objektschutzkräfte). Programm V Vier Pistolenübungen und zwei MP-5-Übungen, davon eine Übung Handhabungssicherheit für beide Waffentypen. Zielgruppe: Angestellte im Polizeidienst, die nicht zu Programm IV gehören. Programm VI Verkürztes Programm für Polizeiverkehrslehrer und Beamte, die sich im letzten Dienstjahr befinden. Im Ablauf des Jahresschießprogramms werden immer zwei Übungen zusammengefasst und über das Kalenderjahr möglichst gleichmäßig verteilt absolviert. Die Einhaltung des Jahresschießprogramms durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Aufgabe der jeweiligen Vorgesetzten. Die Polizei erhebt seit dem Jahr 2012 mit der Datenbank Elektronisches Personal-, Organisations- und Stellenmanagement (EPOS) den Umfang der absolvierten Schießübungen des Jahresschießprogramms. Zu den in EPOS für die Jahre 2012 bis 2014 sowie den für das Jahr 2015 mit Stand 13. Juli erfassten Daten siehe Anlage. Reduzierte Erfüllungsquoten sind zum Beispiel auf Abwesenheit wegen Krankheit oder Elternzeit zurückzuführen. Statistiken im Sinne der Fragestellung für die Jahre 2010 und 2011 liegen der Polizei nicht vor. 1 Übungen mit speziellen, nicht schießfähigen Übungswaffen. Drucksache 21/1032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Darüber hinaus bietet die AK im Rahmen spezieller Schießfortbildung jährlich etwa 60 Intensivschießlehrgänge als Tagesseminare an. 9. Wird die Umsetzung von gegebenenfalls in der Ausbildung erlernten elementaren Sicherheitsgrundsätzen im Umgang mit Schusswaffen im praktischen Dienstbetrieb der Polizei überwacht und ausreichend durchgesetzt ? Wenn ja, in welcher Weise? Ja, eine Überwachung der sicheren Handhabung ist Aufgabe von Vorgesetzten, unabhängig vom Ausbildungsziel des eigenverantwortlichen Umgangs mit der Schusswaffe. Darüber hinaus achten die Mitarbeiter/-innen auch untereinander auf ein korrektes Handling, da bei Fehlverhalten eine Fremdgefährdung Unbeteiligter nie ausgeschlossen werden kann. 10. Wird die Einhaltung von Dienstvorschiften bei der Polizei zum Umgang mit Schusswaffen ausreichend überwacht? Ja. a. Wenn ja, wie erklärt sich dann der betreffende Unfall? Wenn nein, welche Maßnahmen haben der Senat und/oder die zuständige Behörde bisher ergriffen um diesem abzuhelfen und welche weiteren Maßnahmen befinden sich in Umsetzung oder Planung ? Siehe Antwort zu 1. b. Welche und jeweils wie viele disziplinarische Maßnahmen wurden in den Jahren seit 2010 im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Dienstvorschriften zum Umgang mit Schusswaffen gegen Hamburger Polizisten verhängt? (Bitte jahresweise auflisten.) Bei jedem Verstoß gegen die Dienstvorschriften zum Umgang mit Schusswaffen prüft der Vorgesetzte, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Im erfragten Zeitraum hat die Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Polizei Hamburg fünf Disziplinarverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte anlässlich eines Dienstvergehens allein wegen eines Verstoßes gegen Schusswaffenbestimmungen eingeleitet: Jahr Anzahl Ergebnis/Maßnahme 2010 1 Verweis 2011 0 2012 1 Einstellung unter Feststellung eines Dienstvergehens 2013 0 2014 3 2 x Verweis, 1 x Einstellung unter Feststellung eines Dienstvergehens 2015 0 Darüber hinaus werden Verstöße im Sinne der Fragestellung nicht differenziert erfasst, wenn sie einem bereits in anderer Sache eingeleiteten Disziplinarverfahren hinzugefügt werden. Dazu wäre die Auswertung sämtlicher Personalakten der Polizei erforderlich. Dieses ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 11. Zu welchem Anteil ist die Umrüstung der Polizei in Hamburg von der Dienstpistole P6 (P225) auf die P99Q umgesetzt/abgeschlossen? Die Umrüstung von der Dienstpistole P 6 (P 225) auf die P 99 Q ist aktuell zu 97,75 Prozent abgeschlossen. 12. Hält der Senat das „Anti-Stress“-Abzugssystem der P99Q im Vergleich zu anderen Abzugssystemen in sicherheitstechnischer Hinsicht weiterhin für ausreichend? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1032 5 Das in der Fragestellung benannte „Anti-Stress“-Abzugssystem wird von der Firma Walther in der Pistole Walther P 99 AS verwendet. Diese Pistole wird in Hamburg nicht als Dienstwaffe geführt und ist auch nicht zur Einführung vorgesehen. Bei dem „AntiStress “-Abzugssystem handelt es sich um ein klassisches Double-Action/SingleAction -Abzugssystem, wie es in der bei der Polizei Hamburg abgelösten Dienstpistole Sig Sauer P 6 vorhanden war. Die aktuell bei der Polizei Hamburg verwendeten Standarddienstpistolen Walther P 99Q und Heckler & Koch P2000 V2 verfügen über ein teilvorgespanntes Abzugssystem mit bei jedem Schuss gleicher Abzugscharakteristik, ähnlich einem DAO-System (double-action-only). Beide Schusswaffen sind nach der vom Polizeitechnischen Institut der Deutschen Hochschule der Polizei herausgegebenen Technischen Richtlinie „Pistolen im Kaliber 9mmx19“ (Stand Januar 2008) zertifiziert. Ihre Funktions- und Konstruktionsmerkmale einschließlich aller sicherheitstechnischen Einrichtungen entsprechen vollständig den Erwartungen an eine moderne Polizeipistole. Drucksache 21/1032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 2012 Programmgruppen I bis VI Anzahl der Mitarbeiter Übungen Soll Ist % Anzahl Mitarbeiter 7.257 Programmgruppe I 3.543 8 28.344 25.744 90,80% Übungen IST 43.162 Programmgruppe II 2.663 6 15.978 12.976 81,20% Übungen SOLL 49.652 Programmgruppe III 674 4 2.696 2.116 78,50% Erfüllt in % 86,90% Programmgruppe IV 294 8 2.352 2.125 90,30% Programmgruppe V 29 6 174 105 60,30% Programmgruppe VI 54 2 108 96 88,90% Gesamt 7.257 49.652 43.162 86,90% 2013 Programmgruppen I bis VI Anzahl der Mitarbeiter Übungen Soll Ist % Anzahl Mitarbeiter 7.399 Programmgruppe I 3.554 8 28.432 24.905 87,60% Übungen IST 41.177 Programmgruppe II 2.410 6 14.460 10.957 75,80% Übungen SOLL 49.718 Programmgruppe III 1.056 4 4.224 3.298 78,10% Erfüllt in % 82,80% Programmgruppe IV 284 8 2.272 1.735 76,40% Programmgruppe V 35 6 210 176 83,80% Programmgruppe VI 60 2 120 106 88,30% Gesamt 7.399 49.718 41.177 82,80% 2014 Programmgruppen I bis VI Anzahl der Mitarbeiter Übungen Soll Ist % Anzahl Mitarbeiter 7.380 Programmgruppe I 3.610 8 28.880 24.946 86,40% Übungen IST 39.943 Programmgruppe II 2.366 6 14.196 10.219 72,00% Übungen SOLL 49.784 Programmgruppe III 1.038 4 4.152 2.900 69,80% Erfüllt in % 80,20% Programmgruppe IV 282 8 2.256 1.634 72,40% Programmgruppe V 33 6 198 169 85,40% Programmgruppe VI 51 2 102 75 73,50% Gesamt 7.380 49.784 39.943 80,20% 2015 Programmgruppen I bis VI Anzahl der Mitarbeiter Übungen Soll Ist % Anzahl Mitarbeiter 7.402 Programmgruppe I 3.678 8 29.424 13.265 45,10% Übungen IST 20.681 Programmgruppe II 2.372 6 14.232 5.045 35,40% Übungen SOLL 50.122 Programmgruppe III 1.003 4 4.012 1.314 32,80% Erfüllt in % 41,30% Programmgruppe IV 272 8 2.176 942 43,30% Stand 13.07.2015 Programmgruppe V 31 6 186 74 39,80% Programmgruppe VI 46 2 92 41 44,60% Gesamt 7.402 50.122 20.681 41,30%