BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10331 21. Wahlperiode 15.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 08.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Einsätze von Spezialkommandos zum G20-Gipfel (II) Mehrere Spezialeinsatzkommandos aus Deutschland und Österreich wurden als „mobile Interventionskomponente“ zum G20-Gipfel in Hamburg angefordert . Sie sollten bei Anschlägen gegen Politiker oder gegen die Bevölkerung zum Zuge kommen. Die einzigen bekannten Einsätze der Truppe erfolgten am 7. und 8. Juli 2017 im Schanzenviertel. Allerdings nicht aufgrund von Anschlägen, sondern aufgrund einer „polizeilichen Lage“. Im Nachgang der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/9844 und aufgrund neuerer Erkenntnisse unter anderem aus der Sitzung des Innenausschusses vom 19. Juli 2017 (Ausschussprotokoll Nummer 21/20) ergeben sich weitere Fragen zu diesen Einsätzen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Was waren die wesentlichen Tatsachen, die in die Lagebeurteilung eingeflossen sind, auf deren Grundlage am Abend des 7.6.2017 der Einsatzabschnitt Intervention (die SEKs) eingesetzt wurden? Siehe Wortprotokoll Nummer 21/20. 2. Inwiefern ist die Behauptung, dass die Eingreifkräfte beim Vorrücken von den Dächern mit „Gegenständen, also Molotowcocktails, Gehwegplatten, Steinen, Eisenstangen und so weiter beworfen werden, sodass eine akute Lebensgefahr bestünde“ (Seite 54), in irgendeiner Form gesichert? a. Welche Beweise, die diese „Quellinformation“ belegen, wurden gesichert? Die Gefahrenprognose resultierte aus Erkenntnissen verdeckter Quellen, Aufklärungsergebnissen aus der Luft sowie Beobachtungen uniformierter Polizeikräfte. Darüber hinaus betrifft die Fragestellung laufende Ermittlungen der Sonderkommission „Schwarzer Block“, die derzeit noch nicht abgeschlossen sind. b. Auf welcher Grundlage konnte Polizeisprecher Zill am Abend des 7.6.2017 im Interview mit N24 als Tatsachenbehauptung verbreiten, dass Gehwegplatten auf Dächern lägen? Die Informationen beruhten auf aktuellen polizeilichen Erkenntnissen; im Übrigen siehe Wortprotokoll Nummer 21/20. c. Ein weiterer Grund war laut Innenausschussprotokoll die Weigerung der Einsatzkräfte, weiter in das Schanzenviertel vorzudringen. In welcher Form wurde die Weigerung welcher Einsatzkräfte, weiter in Drucksache 21/10331 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 das Schanzenviertel vorzudringen, festgehalten und/oder dokumentiert ? Wenn nicht, wie äußerte sich diese beziehungsweise welche Einsatzkräfte äußerten sie wie? Es haben Einsatzkräfte aus Bayern und Baden-Württemberg remonstriert. Dies ist im Einsatzprotokollsystem der Polizei dokumentiert. 3. Laut Aussage des Führers des Einsatzabschnitts Intervention, Herr Zorn, im Innenausschuss war der Auftrag der SEKs, „auf das Dach des Gebäudes Schulterblatt 1 vorzudringen, um Störer und Gewalttäter (...) dort zu entfernen“ (Seite 54). Wie genau lautete der Einsatzbefehl für die Spezialkommandos am 7. Juli 2017? Wer gab ihn? Der Auftrag als solcher, die auf dem Dach des Gebäudes befindlichen Störer und Gewalttäter in Gewahrsam zu nehmen und die Gefahrenlage dort zu bereinigen, ist vom Polizeiführer gegenüber dem Leiter des Einsatzabschnittes (EA) Intervention erfolgt. Die konkreten Befehle gegenüber den Einsatzkräften hat der Leiter des EA Intervention erteilt. a. Gab es weitere oder erweiterte Einsatzbefehle? b. Wenn ja, wann, warum und wie lauteten diese? Ja. Die Polizei erhielt am 8. Juli 2017 um 00.13 Uhr über Notruf darüber Kenntnis, dass sich am Objekt Schulterblatt 1 – 3 im Hinterhof Störer aufhalten sollen. Der zuständige EA Eingreifkräfte erteilte dem EA Intervention um 00.15 Uhr den Auftrag, mit eigenen Kräften den Zugang zum Objekt Schulterblatt 3 zu sichern. Der Leiter des EA Intervention erweiterte den Auftrag für die Spezialeinsatzkräfte auf alle erforderlichen Maßnahmen, die das gefahrlose Vorrücken der Eingreifkräfte in die Straße Schulterblatt ermöglichen. c. Wenn nein, auf welcher Grundlage machten die SEKs weiter? Entfällt. d. Wann waren jeweils wie viele SEKs vor Ort? e. Wann wurden wie viele weitere nachgefordert und warum? Eine Beantwortung im Sinne der Frage ist nicht möglich. Die Kräfte trafen sukzessive am Einsatzort ein. Eine genaue Reihung kann nicht vorgenommen werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/9844. Die Kräfte des EA Intervention setzten sich nicht aus vollständigen Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Bundesländer und der Republik Österreich, sondern einer Vielzahl taktischer Teams (Trupps) zusammen. Aufgrund der Beurteilung der Ausgangslage im Schulterblatt hat der Leiter des EA Intervention zunächst alle sofort verfügbaren Spezialeinsatzkräfte eingesetzt. Im Anschluss an die Auftragserweiterung wurden am 8. Juli 2017 um 00.20 Uhr weitere Spezialeinsatzkräfte in diesen Einsatz entsandt. Eingesetzt wurden Teilkräfte aus folgenden Einheiten: SEK Bayern SEK Hamburg SEK Hessen SEK Sachsen SEK Schleswig-Holstein (Eingesetzt war lediglich der Leiter des SEK Schleswig-Holstein, nicht das SEK Schleswig-Holstein. Aus diesem Grund ist das SEK Schleswig-Holstein in der Drs. 21/9844 nicht aufgeführt.) EK Cobra (AUT) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10331 3 Darüber hinaus berührt die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei, zu der aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben gemacht werden. 4. Gab es, wie von Einsatzabschnittsführer Zorn im Innenausschuss behauptet, Gegenwehr in Form von Bewurf von der rechten Dachseite und der rechten Gerüstseite (Seite 56) aus dem Gebäude Schulterblatt 1 oder gab es „keinerlei Gegenwehr“, wie von dem Einsatzleiter Mewes im „SPIEGEL“-Interview behauptet und vom N24-Korrespondenten Christoph Wanner in N24 vor Ort beobachtet („überhaupt keine Gegenwehr“ (0.25 Uhr))? Die eingesetzten Kräfte wurden, wie von Einsatzabschnittsleiter Zorn im Innenausschuss geschildert, attackiert. Die Aussage beruht auf den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Annäherung der Spezialeinsatzkräfte an das Objekt am 7. Juli 2017 um 23.37 Uhr. Im Übrigen beschreiben die weiteren zitierten Aussagen die Situation, nachdem die Spezialeinsatzkräfte das Objekt betreten hatten. 5. Wann wurde auf welcher Grundlage der „Survivor“ angefordert? a. Wann war er vor Ort und bis wann? b. Wofür wurde er eingesetzt? c. Wenn die Heranführung der Kräfte an das Schulterblatt 1 laut Innenausschussprotokoll so gefährlich war: Warum wurde er nicht dafür genutzt? Das Fahrzeug gehörte zum EA Intervention. Da die Straßen im Einsatzraum mit Steinen und anderen Gegenständen übersät waren, ist das geländegängige Fahrzeug zum Transport von Kräften vom Bereitstellungs- zum Einsatzort am 8. Juli 2017 um 00.20 Uhr in den Einsatz entsandt und eingesetzt worden. Die Eintreffzeit ist nicht dokumentiert. Das Fahrzeug wurde am 8. Juli 2017 um 01.46 Uhr aus dem Einsatz entlassen. 6. Wie lautete/n (der) Einsatzbefehl/e am 8. Juli 2017? Der Auftrag lautete „Verlegen zum Bereitstellungsort; weitere Maßnahmen nach Absprache mit dem Leiter des EA Eingreifkräfte“. Im Übrigen siehe Drs. 21/9844. 7. Aus welchem Grund wollten die Einheiten, wie es mehrere Journalisten schildern, dabei von Medien unbeobachtet bleiben („Ab jetzt gibt's keine Pressefreiheit mehr, hau ab oder ins Krankenhaus“, Tweet des Reporters der „Bild“-Zeitung Frank Schneider vom 8. Juli)? 8. Wie bewertet der Senat den Ausschluss von Journalisten/-innen durch die Spezialeinheiten? Siehe Drs. 21/9844. 9. Um 23.52 Uhr wurde, laut Aussage des Einsatzabschnittsführers Intervention Zorn im Innenausschuss (Seite 56), die Tatortgruppe des Einsatzabschnitts Kriminalpolizeiliche Maßnahmen informiert. a. Warum so spät? Die Information erfolgte nach Sicherung des Objektes durch die Polizei; im Übrigen ist dies die standardmäßige Vorgehensweise der Polizei beim Einsatz von Spezialkräften . b. Wann war sie vor Ort, und wann begann sie mit der Arbeit? c. Warum wurden an dem Abend nicht systematisch Beweise gesichert ? Die Einsatzlage in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 ließ eine sofortige Tatortarbeit nicht zu. Diese erfolgte umfangreich am 12. Juli 2017 von 14.30 Uhr bis 19.30 Uhr sowie am 13. Juli 2017 von 11 Uhr bis 16.30 Uhr, unter anderem unter Einsatz des 3D- Laserscanners. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 dokumentierten Einsatzkräfte Drucksache 21/10331 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 des EA Eingreifkräfte den Tatort mittels Bild- beziehungsweise Videoaufnahmen und stellten gefährliche Gegenstände sicher. 10. Grossmann sprach im Innenausschuss davon (Seite 45), dass er sich „Aufklärungskapazitäten“ aus der Luft habe unterstellen lassen. Welche und wie viele waren das? Welche Art Bilder haben diese produziert? Dem EA Eingreifkräfte wurde ein Polizeihubschrauber des EA Luft unterstellt, zeitweise konnte der EA auf zwei Hubschrauber zurückgreifen. Die Polizei hat normale Videoaufnahmen und Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera gefertigt. Im Übrigen siehe Innenausschuss Wortprotokoll Nummer 21/20. 11. Von was für einen „Mehrzweckeinsatzstoff“ sprach Grossmann im Innenausschuss (Seite 72)? Bei dem im Protokoll festgehaltenen Begriff „Mehrzweckeinsatzstoff“ handelt es sich um einen Protokollierungsfehler, der Begriff lautet korrekt „Mehrzweckeinsatzstock“.