BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10353 21. Wahlperiode 19.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Zaklin Nastic (DIE LINKE) vom 12.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Zappenduster: Strom-, Gas- und Wasserabsperrungen in Hamburg Wer in Hamburg seine Energiekosten nicht zahlen kann, sitzt schnell im Dunkeln oder muss frieren. So hat die Zahl der Stromsperrungen 2015 gegenüber 2013 um 64 Prozent zugenommen. Das ist ein Zuwachs von 4.260 Fällen. Medienberichten zufolge ist dies auf ein verkürztes Mahnverfahren der Stromanbieter zurückzuführen („die tageszeitung“ vom 23.03.2017). Der Anstieg der Stromsperrungen verdeutlicht, dass Energiearmut ein wachsendes Problem ist. Ein Haushalt gilt dann als energiearm, wenn dessen Haushalts-Nettoeinkommen nach dem Abzug der Energiekosten unter der 60-Prozent-Armutsgefährdungsschwelle liegt. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (2016) gelten demnach 21,5 Prozent aller Haushalte in Deutschland als energiearm. Von den Haushalten, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen, gelten sogar 91,3 Prozent als energiearm. Gleichzeitig steigen die Strompreise weiter. Inzwischen übersteigen die Stromkosten sogar den Anteil für Energie am Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung im Alter um rund 35 Euro für eine alleinstehende Person deutlich. Immer häufiger müssen Bezieher/-innen von Mindestsicherung Darlehen bei den zuständigen Ämtern beantragen, um ihre Stromkosten zu begleichen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Das Absperren von Strom, Gas oder Fernwärme führt zu einer Beeinträchtigung der Lebenssituation der Betroffenen, die möglichst vermieden werden soll. Verschiedene Angebote, unter anderem das vom Caritasverband für Hamburg e.V. getragene und unter anderem aus Mitteln der Freie und Hansestadt Hamburg geförderte Projekt „Stromspar-Check“, beraten speziell einkommensschwache Haushalte darin, wie sie ihre Energiekosten senken und dadurch gegebenenfalls auch Zahlungsrückstände vermeiden können. Bürgerinnen und Bürger in einer angespannten finanziellen Situation können sich an die verschiedenen hamburgischen Schuldnerberatungsstellen wenden, insbesondere auch an die Verbraucherzentrale Hamburg e.V., die Experten für das Thema Stromund Gasschulden beschäftigt. Jobcenter und Grundsicherungsämter gewähren ergänzende Darlehen zur Deckung von Haushaltsenergiebedarfen; zudem bieten verschiedene Energieversorger unterschiedliche Modelle des Zahlungsaufschubs an. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf Grundlage von Auskünften der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH), des Grundversorgers für Strom Vattenfall Europe Sales GmbH, der HAMBURG ENERGIE GmbH (HE), der Hamburg Netz GmbH, der HAMBURG WASSER (HW), des Caritasverbandes für Hamburg e.V., der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. (VZHH) sowie von Jobcenter team.arbeit.- hamburg wie folgt: Drucksache 21/10353 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie vielen Privathaushalten in Hamburg wurde ab dem 4. Quartal 2016 die Stromversorgung gesperrt? Bitte immer quartalsweise benennen. Nach Auskunft von SNH erfolgten im 4. Quartal 2016 2.372, im 1. Quartal 2017 3.060 und im 2. Quartal 2017 2.176 Sperrungen der Stromversorgung. 2. Wie viele Mahnverfahren wegen nicht bezahlter Stromrechnungen haben der auch als Grundversorger fungierende Konzern Vattenfall beziehungsweise die jeweiligen Versorger ab dem 4. Quartal 2016 eingeleitet ? Bitte immer quartalsweise benennen. Nach Auskunft des Grundversorgers Strom, der Vattenfall Europe Sales GmbH, hat das Unternehmen im 4. Quartal 2016 175.439, im 1. Quartal 2017 176.818, im 2. Quartal 2017 163.341 und im 3. Quartal bis zum 13.9.2017 130.002 Mahnschreiben verschickt. Bei den Werten handelt es sich um die Summe an versendeten Mahnungen (erste Mahnung, zweite Mahnung, Sperrankündigung, Sperrauftrag) für den Strom- und Gasbereich. Eine Auswertung, um die Anzahl eingeleiteter Mahnverfahren zu ermitteln, ist dem Unternehmen in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Zahlen erfassen sowohl private als auch gewerbliche Kunden. Nach Auskunft von HE wurden im 4. Quartal 2016 8.199, im 1. Quartal 2017 9.957 und im 2. Quartal 2017 12.940 Mahnschreiben verschickt. Bei den Werten handelt es sich um die Summe an versendeten Mahnungen (erste Mahnstufe = „Zahlungserinnerung “, zweite Mahnstufe, letzte Mahnstufe) für den Strom- und Gasbereich. Eine separate Darstellung ist nicht möglich. Datenbasis sind sämtliche Kunden, somit beispielsweise auch Gewerbe- und Geschäftskunden. 3. Inwiefern hat sich das Mahnverfahren der jeweiligen Stromversorger verändert? Wie viele Mahnungen gehen einer Stromsperrung voraus? Wie lange ist die Frist zwischen Mahnung und Stromsperre? Die Mindestanforderungen an das einer Stromanschlusssperre vorangehende Verfahren sind bundeseinheitlich in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung – NAV) und für den Bereich der Stromgrundversorgung in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung – StromGVV) festgelegt. Nach diesen Vorschriften unterliegt die Unterbrechung der Stromversorgung aufgrund einer Nichterfüllung von Zahlungspflichten des Anschlussnehmers grundsätzlich dem Verhältnismäßigkeitsgebot . Sie ist außerdem nur dann zulässig, wenn sie vier Wochen vorher angedroht und die Unterbrechung dem Kunden außerdem drei Werktage im Voraus angekündigt wurde. Wie das Mahnverfahren innerhalb dieser Vorgaben gestaltet wird, obliegt grundsätzlich den Stromversorgungsunternehmen. Das für das Gebiet des Hamburger Stromverteilnetzes als Grundversorger festgestellte Unternehmen Vattenfall Europe Sales GmbH hat mitgeteilt, dass sich das Mahnverfahren für die Grundversorgung im Wesentlichen nicht geändert hat. Einer Stromsperrung gehen mindestens zwei Mahnungen voraus. Die Mahnung mit einer Sperrandrohung erfolgt erst ab einem Mahnsaldo von 100 Euro Hauptforderung. Im Rahmen einer Mahnung mit Sperrandrohung wird die Durchführung der Sperrung erst nach Einhaltung der gesetzlichen Frist von vier Wochen nach der Androhung erfolgen. HE hat mitgeteilt, dass das Mahnverfahren dort nicht geändert wurde. Stromsperren werden von HE nicht ausgelöst oder durchgeführt. 4. Wie viele Darlehen nach dem SGB II wurden durch Jobcenter t.a.h. an Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte ab dem 4. Quartal 2016 bis aktuell vergeben, um Stromkosten zu bezahlen? Bitte jeweils nach Quartal und durchschnittlicher Darlehenssumme auflisten. Bei einer drohenden Versorgungssperre aufgrund von Schulden für die Lieferung von Haushaltsstrom, Heizenergie oder Wasser sehen § 24 SGB II beziehungsweise § 22 Absatz 8 SGB II die Gewährung eines Darlehens vor. Eine statistische Erhebung und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10353 3 Auswertung dieser Leistungen im Sinne der Fragestellung erfolgt durch den Statistik- Service der Bundesagentur für Arbeit nicht. 5. Wie viele Darlehen nach dem SGB XII wurden durch die Grundsicherungsämter ab dem 4. Quartal 2016 bis aktuell vergeben, um Stromkosten zu bezahlen? Bitte jeweils nach Quartal und durchschnittlicher Darlehenssumme auflisten. Die Anzahl der Darlehen, die gemäß § 37 SGB XII für Haushaltsenergie bewilligt wurden , kann der nachstehend aufgeführten Tabelle entnommen werden: Quartal Anzahl Empfänger Leistung Nettobetrag Durchschnittliche Darlehenssumme 4. Quartal 2016 108 37.695,35 € 349,03 € 1. Quartal 2017 94 36.740,91 € 390,86 € 2. Quartal 2017 102 38.042,42 € 372,96 € Quelle: Datawarehouse, einmalige HzL 6. Wie viele Haushalte mit geringem Einkommen haben die Stromsparhelfer der Caritas und die Schuldnerberatungen beziehungsweise andere Organisationen ab dem 4. Quartal 2016 beraten? Bitte quartalsweise nach Organisationen benennen. Nach Auskunft des Caritasverbandes für Hamburg e.V. wurden im 4. Quartal 2016 in 337, im 1. Quartal 2017 in 414, im 2. Quartal 2017 in 318 und in den Monaten Juli und August 2017 in 199 Haushalten mit geringem Einkommen sogenannte Stromspar- Checks-Beratungen durchgeführt. Die öffentlich geförderten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Freien und Hansestadt Hamburg beraten Ratsuchende, die über ein geringes Einkommen verfügen oder Sozialleistungen beziehen. Im Jahr 2016 und im 1. sowie 2. Quartal 2017 wurden folgende Beratungsverfahren in den öffentlich geförderten Schuldnerberatungsstellen durchgeführt: 2016 Zugänge in die Schuldner- und Insolvenberatung Abgeschlossene Verfahren in der Schuldner- und Insolvenzberatung Kurz- und Notfallberatung hamburger arbeit GmbH 589 588 482 DRK Hamburg Gesellschaft für soziale Beratung und Hilfe mbH Schuldner- und Insolvenzberatung 662 733 1.510 afg worknet Schuldnerberatung gGmbH 549 581 2.653 H.S.I. Hamburger Schuldner - und Insolvenzberatung 486 452 394 Diakonisches Werk 545 630 1.918 Verbraucherzentrale Hamburg e.V. 415 470 2.451 Summe 3.246 3.454 9.408 1. Quartal 2017 Zugänge in die Schuldner- und Insolvenzberatung Abgeschlossene Verfahren in der Schuldner- und Insolvenzberatung Kurz- und Notfallberatungen hamburger arbeit GmbH 165 150 94 DRK Hamburg Gesellschaft für soziale Beratung und Hilfe mbH Schuldner- und Insolvenzberatung 193 125 508 Drucksache 21/10353 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 1. Quartal 2017 Zugänge in die Schuldner- und Insolvenzberatung Abgeschlossene Verfahren in der Schuldner- und Insolvenzberatung Kurz- und Notfallberatungen afg worknet Schuldnerberatung gGmbH 133 137 835 H.S.I. Hamburger Schuldner - und Insolvenzberatung 118 121 232 Diakonisches Werk 132 85 455 Verbraucherzentrale Hamburg e.V. 95 86 599 Summe 836 704 2.723 2. Quartal 2017 Zugänge in die Schuldner- und Insolvenzberatung Abgeschlossene Verfahren in der Schuldner- und Insolvenzberatung Kurz- und Notfallberatungen hamburger arbeit GmbH 155 141 74 DRK Hamburg Gesellschaft für soziale Beratung und Hilfe mbH Schuldner- und Insolvenzberatung 193 179 443 afg worknet Schuldnerberatung gGmbH 116 130 772 H.S.I. Hamburger Schuldner - und Insolvenzberatung 108 79 184 Diakonisches Werk 142 137 441 Verbraucherzentrale Hamburg e.V. 95 132 583 Summe 809 798 2.497 Eine gesonderte statistische Erhebung in Bezug auf Haushalte wird nicht vorgenommen . 7. Wie viele Haushalte hat die Verbraucherzentrale Hamburg ab dem 4. Quartal 2016 im Bereich Gas- und Strompreisrecht beraten? Bitte immer quartalsweise benennen. Nach Auskunft der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. werden die Beratungskontakte zum Gas- und Strompreisrecht nicht gesondert erfasst. Die Erfassung der Beratungen erfolgt jährlich. Im Jahr 2016 hatte die Verbraucherzentrale 1.503 energierechtliche Beratungskontakte . Diese betreffen fast ausschließlich Fragen des Gas- und Strompreisrechts sowie die damit zusammenhängenden Fragen des Anbieterwechsels. Die entsprechende Statistik für das Jahr 2017 wird im Jahr 2018 vorliegen, die VZHH schätzt derzeit die Anzahl der Kontakte in 2017 als auf dem Niveau des Vorjahres liegend ein. 8. Wie vielen Privathaushalten in Hamburg wurde ab dem 4. Quartal 2016 bis aktuell die Gasversorgung gesperrt? Bitte immer quartalsweise benennen. Nach Auskunft der Hamburg Netz GmbH erfolgten im 4. Quartal 2016 94, im 1. Quartal 2017 159, im 2. Quartal 2017 73 und im 3. Quartal (in den Monaten Juli und August) 68 Sperrungen. 9. Wie vielen Privathaushalten in Hamburg wurde ab dem 4. Quartal 2016 bis aktuell die Wasserversorgung gesperrt? Bitte immer quartalsweise benennen. Nach Auskunft von HW erfolgten im 4. Quartal 2016 201, im 1. Quartal 2017 180, und im 2. Quartal 2017 232 Wasserabsperrungen. HW unterscheidet dabei nicht zwischen Privathaushalten und Gewerbe. Der weit überwiegende Anteil der Sperrungen betrifft aber Privathaushalte.