BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10409 21. Wahlperiode 26.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 18.09.17 und Antwort des Senats Betr.: G20 – Eskalation im Schanzenviertel in der Nacht zum 8.7.17 Laut Aussagen von Vertretern der Polizei im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft eskalierte die Situation in einem Teil des Schanzenviertels in der Nacht zum 08.07.2017 so stark, dass die Eingreifkräfte der Polizei nicht weiter in die betroffenen Straßen vorrücken wollten. In der Folge wurden durch die Polizei Sondereinsatzkräfte eingesetzt. Die Umstände dieses Einsatzes waren bereits Gegenstand im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 19. Juli 2017 (Wortprotokoll IAP Nummer 21/20). Aus neuen Erkenntnissen und den Aussagen im Innenausschuss ergeben sich Nachfragen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Laut Aussage des Polizeiführers Dudde im Innenausschuss (IAP 21/20, Seite 41) wurde der Führer der Eingreifkräfte Grossmann „in den Abendstunden des Freitags, so gegen 19 Uhr, damit betraut, sich um den Gesamtkomplex Schanzenviertel zu kümmern“ (IAP 21/20, Seite 41). Zu dem Zeitpunkt war eine derartige Eskalation im Schanzenviertel noch nicht absehbar. Der Einsatzleiter der Eingreifkräfte selber sagte im Innenausschuss, dass grundsätzlich nicht mit einer starken Eskalation im Schanzenviertel gerechnet wurde (IAP 21/20; Seite 43). Warum besetzte Herr Dudde diese Personalie zu dieser Zeit? a. Aufgrund welcher Erkenntnisse wurde EA-Führer Grossmann zu dem Zeitpunkt gegen 19 Uhr für den „Gesamtkomplex Schanze“ eingesetzt? b. Was bedeutete zu diesem Zeitpunkt „Gesamtkomplex Schanze“? c. Zu welchem Zeitpunkt hatten der Gesamteinsatzleiter beziehungsweise der Führungsstab den Entschluss gefasst, Herrn Grossmann für den „Gesamtkomplex Schanze“ einzusetzen? d. Was war die genaue Aufgabe? In den Nachmittags- und frühen Abendstunden des 7. Juli 2017 entwickelte sich die Einsatzlage im Innenstadtbereich sowohl von ihrer Intensität als auch der Qualität der Ereignisse sehr dynamisch. Einsatzkräfte der Polizei waren bei Gegenveranstaltungen und Aktionen im Bereich St. Pauli, am Millerntorplatz sowie entlang der eingerichteten Protokollstrecke von den Messehallen zur Elbphilharmonie, hier insbesondere am Hafenrand, gebunden. Gegen 19 Uhr stellte die Polizei aus den genannten Bereichen Abwanderungen von Störergruppen und Straftätern in den Bereich St. Pauli/Schanze fest. Der Polizeiführer Drucksache 21/10409 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 entschied daher, zur Verfügung stehende Einheiten des Einsatzabschnitts Eingreifkräfte auch im Bereich Schanze, das heißt insbesondere im Bereich der Straßenzüge Schanzenstraße und Schulterblatt zwischen Neuer Pferdemarkt und Altonaer Straße, einzusetzen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass es im weiteren Verlauf des Abends zu einer noch größeren Konzentration von Störern und Straftätern kommen könne. Die Einsatzführung für diesen Bereich wurde wie für die übrigen Einsatzschwerpunkte der Eingreifkräfte dem Leiter des Einsatzabschnitts, Herrn Großmann übertragen. Auftrag der Eingreifkräfte auch im Bereich Schanze war Störergruppen und Straftäter zu erkennen und beweiskräftig in Gewahrsam beziehungsweise vorläufig festzunehmen ; siehe im Übrigen Wortprotokoll 21/20. e. Ab wann war Herr Grossmann in der Schanze persönlich anwesend ? Herr Großmann führte den Einsatz der Eingreifkräfte im Verlauf des Nachmittags und Abends von verschiedenen Standorten vor Ort sowie zeitweise von seinem Führungsstab im Polizeipräsidium aus. Circa gegen 22 Uhr traf er im Bereich Schanze ein, ab 22.17 Uhr ist seine Anwesenheit dort dokumentiert. 2. Der Führer der Eingreifkräfte Grossmann erklärte im Innenausschuss, dass er seine zivilen Aufklärer auf deren Bitte hin aus dem Viertel abgezogen habe, weil er ihre Sicherheit nicht mehr habe garantieren können. Es sei nicht mehr möglich gewesen, im Notfall mit einer BFE-Einheit „reinzugehen“ und die zivilen Aufklärer bei Gefahr „rauszuholen“ (IAP 21/20, Seite 47). Der Gesamteinsatzleiter Dudde verfügte nach eigener Aussage aber weiterhin über Aufklärer in diesem Gebiet. a. Warum „konnten“ seine Aufklärer verbleiben im Gegensatz zu den zivilen Aufklärern, über die Herr Grossmann verfügte, vor Ort zu bleiben (IAP 21/20, Seite 50)? b. Inwiefern wurde eine entsprechende Gefahr für sie verneint? Ein Einsatz zivil tätiger Aufklärungskräfte erfolgte, solange nach Einschätzung der Einsatzkräfte beziehungsweise ihrer Einsatzführung eine Gefährdung für Leib und Leben ausgeschlossen werden konnte; im Übrigen siehe Antwort zu 3.c. und d. Darüber hinaus siehe Wortprotokoll 21/20. 3. Die Berichte der zivilen Aufklärer/-innen waren offenbar maßgeblich für die Entscheidung, das SEK einzusetzen. Welche Beamten werden allgemein als zivile Aufklärer bezeichnet? Bitte auflisten. a. Mit welchen Aufgaben waren zivile Aufklärer/-innen in der Nacht zum 8.7. im Schanzenviertel und Umgebung eingesetzt? Als zivile Aufklärer werden Beamtinnen und Beamte bezeichnet, die im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes zur Gewinnung einsatzrelevanter Erkenntnisse im Rahmen ihres Auftrags nicht uniformiert in vorgegebenen Einsatzräumen und nach Möglichkeit in räumlicher Nähe zu relevanten Ereignissen beziehungsweise relevanten Personengruppen (zum Beispiel: Straftäter, Störer) eingesetzt werden. Bei der Polizei Hamburg werden anlassbezogen Beamtinnen und Beamte der Direktion Polizeikommissariate und Verkehr, der Direktion Einsatz, der Wasserschutzpolizei und des Landeskriminalamtes eingesetzt. Wird die Polizei Hamburg im Einsatz durch Polizeikräfte des Bundes und der Länder unterstützt, werden gegebenenfalls auch Beamtinnen und Beamte dieser Einheiten im Sinne der Fragestellung eingesetzt. b. Welche der 15 Einsatzabschnitte der Polizei verfügten über eigene zivile Aufklärer/-innen? Der EA Aufklärung, der EA Kriminalpolizeiliche Maßnahmen, der EA Wasser und der EA Eingreifkräfte. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10409 3 c. Welche Einsatzabschnitte verfügten in den fraglichen Stunden zu welchem Zeitpunkt noch über wie viele Aufklärer/-innen im Schanzenviertel ? d. Welche Einsatzabschnitte haben in der fraglichen Nacht ihre zivilen Aufklärer/-innen abgezogen? Der EA Aufklärung, der EA Kriminalpolizeiliche Maßnahmen und der EA Eingreifkräfte . Die EA zogen ihre Einsatzkräfte im Sinne der Fragestellung nahezu vollständig sukzessiv aus dem Bereich zurück; im Übrigen siehe Drs. 21/10286. e. Inwiefern sind zivile Aufklärer/-innen jeweils gehalten oder verpflichtet , ihre Informationen (zum Beispiel über Gehwegplatten auf den Dächern) zu verifizieren? f. Inwiefern werden für den weiteren Einsatz maßgebliche Quellinformationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, zum Beispiel in dem eine zweite Quelle sie bestätigen muss oder Ähnliches? Als Aufklärer werden grundsätzlich erfahrene Beamtinnen und Beamte eingesetzt. Erkenntnisse ziviler Aufklärungskräfte werden innerhalb des Einsatzabschnittes bewertet und im Anschluss an die Einsatzleitung/den Führungsstab weitergegeben. Aufklärungsergebnisse bedürfen grundsätzlich daher keiner Verifizierung oder einer sie bestätigenden zweiten Quelle. 4. Hatte der Führer der Eingreifkräfte Grossmann mit Gesamteinsatzleiter Dudde kommuniziert, bevor er seine Aufklärer/-innen abgezogen hat? Hätte er das tun müssen? Ja. 5. In der Pressekonferenz der Polizei am 9.7.2017 wurde ein Wärmebildvideo gezeigt, das aus einem Hubschrauber aufgenommene Personen auf dem Dach Schulterblatt 76 zeigt, die Gegenstände herunter werfen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme 0.15 Uhr waren die SEKs im Einsatz. Allerdings nur bis zur Hausnummer 15. Wen oder was haben die Menschen auf dem Dach beworfen, wenn die Polizei (abgesehen von den SEKs weiter vorne) zu dem Zeitpunkt nach eigenen Aussagen nicht im Schulterblatt sein konnte? Die Polizei hat in der Pressekonferenz am 9. Juli 2017 ein Video der Geschehnisse auf dem Dach des Hauses Schulterblatt 1 gezeigt. Diese Aufnahmen wurden laut mitlaufenden Zeitangaben zwischen dem 7. Juli 2017, 23.42 Uhr, und 8. Juli 2017, 00.01 Uhr, gefertigt. Videoaufnahmen im Sinne der Fragestellung hat die Polizei in der Sitzung des Innenausschusses am 19. Juli 2017 präsentiert; der dort gezeigte Sachverhalt ist derzeit noch Gegenstand von Ermittlungen. 6. Wie viele Hubschrauber und welche anderen „Aufklärungskapazitäten aus der Luft“ (IAP 21/20, Seite 45) waren ab 19 Uhr über der Schanze im Einsatz und welche Bilder/Videos oder Ähnliches haben diese produziert ? Welche „Aufklärungskapazitäten“ wurden in Amtshilfe für welchen Zeitraum angefordert? Im Sinne der Fragestellung waren im Rahmen des Gesamteinsatzes insgesamt fünf Polizeihubschrauber des Einsatzabschnitts Luft und des Gemeinsamen Unterabschnitts Luftaufklärung der Bundespolizei in zeitlicher Staffelung eingesetzt; diese haben Videoaufnahmen angefertigt. Weitere Einsatzmittel im Sinne der Fragestellung hat die Polizei Hamburg nicht eingesetzt oder angefordert. 7. Im Innenausschuss sprach Staatsrat Krösser davon, dass „die Stadtreinigung (…) im Bereich rund um die Schanze einiges an Material am 6. Juni 2017 abgefahren (hat), also vor dem Freitag, weil man aus Sicht der Polizei den weiteren Verbleib dieses Materials für unglücklich hielt.“ (IAP Drucksache 21/10409 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 21/20, Seite 48.) An welchen Orten in der Schanze hat die Stadtreinigung Material abtransportiert? Nach den der Polizei derzeit vorliegenden Erkenntnissen sind der Stadtreinigung im Sinne der Fragestellung folgende Örtlichkeiten benannt worden: Neuer Kamp gegenüber Tankstelle Stadthausbrücke Veranstaltungsort Messehallen, Sicherheitszone 2 Glacischaussee, Mitte 8. Der Führer des Einsatzabschnitts Intervention Herr Zorn berichtet, dass er beim Telefonat mit Herrn Grossmann „im Hintergrund unseres Telefonats deutlich die Hilferufe aus den Häusern der Anwohner hören konnte“ (IAP 21/20, Seite 55). Wo befand Herr Grossmann sich zu dem Zeitpunkt ? a. Auf was bezogen sich diese Hilferufe? b. In welcher Form wurde den Anwohnenden wann geholfen? In Vorbereitung auf die polizeilichen Maßnahmen im Schulterblatt führte der Leiter des EA Eingreifkräfte eine Vielzahl von Telefonaten, Funkgesprächen und persönlichen Gesprächen. Der jeweilige Aufenthaltsort bei diesen Gesprächen wurde weder dokumentiert noch kann er aus der Erinnerung rekonstruiert werden. An Hilferufe während eines Telefonates mit dem Leiter des EA Intervention erinnert sich der Leiter des EA Eingreifkräfte nicht. Der Leiter des EA Intervention kann nicht verifizieren, worauf sich die von ihm wahrgenommenen Hilferufe bezogen. Im Übrigen liegen der Polizei Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen nicht vor.