BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10412 21. Wahlperiode 26.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 18.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Zukunft des Lycée Antoine de Saint-Exupéry – Lässt der Senat Eltern im Stich? Zur Zukunft des Lycée Antoine de Saint-Exupéry (LFH) wurden bereits in einer Reihe Schriftlicher Kleiner Anfragen (Drs. 21/6199, 21/6434, 21/6919 und zuletzt 21/7978) essenzielle Informationen vom Senat erfragt, die dieser den betroffenen Eltern nicht direkt zukommen ließ. Im März dieses Jahrs wurde nun eine repräsentative Umfrage unter den Eltern des Lycée veröffentlicht. Neben den eklatanten Mängeln in der Kommunikation des Senats deckt diese auch weitere Kritikpunkte an dem Umzugsprojekt nach Altona auf. Gerade vor dem Hintergrund, dass der zuständigen Behörde angeblich keine weiteren negativen Äußerungen zum geplanten Umzug bekannt sind (Drs. 21/7978, Frage 5.) verwundern die Ergebnisse der Umfrage sehr. Zwei Drittel der befragten Eltern haben ihren Wohnort aufgrund des jetzigen Standorts des LFH gewählt. Entsprechend brauchen derzeit 83 Prozent der Eltern weniger als 30 Minuten zur Schule. Zum zukünftigen Standort des geplanten Deutsch-Französischen Gymnasiums (DFG) bräuchten 75 Prozent der Befragten mehr als 30 Minuten. Gerade in Bezug auf das rot-grüne Ziel einer „Fahrradstadt Hamburg“ wirkt auch das folgende Ergebnis befremdlich: Aktuell kommen 39 Prozent der Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Am neuen Standort wird das zukünftig nur noch für 9 Prozent der Befragten möglich sein. Wenn der Senat jedoch mehr Kunden für seine erfolglos beschleunigten Busse gesucht hat, könnte das Projekt ein voller Erfolg werden: Bisher nutzten 22 Prozent den ÖPNV. Gerade bei jüngeren Schülern häufig nicht unkritisch: nur 9 Prozent mussten bisher auf ihrem Schulweg umsteigen. Zukünftig werden 59 Prozent der Kinder den ÖPNV nutzen müssen und unfassbare 47 Prozent müssen auch noch umsteigen. Größtenteils auch noch ausgerechnet an der U-Bahn St. Pauli. Hätten sie die Wahl, würden Eltern einen einheitlichen Standort von Kita/Grundschule und Gymnasium vorziehen. 51 Prozent der Befragten werden zukünftig sowohl ein Kind am DFG als auch eins in der in Lokstedt verbleibenden Kita/Grundschule haben. Sie werden damit logistisch vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Folgen für die französische Community in Hamburg könnten verheerend sein: 25 Prozent der Befragten überlegen ernsthaft in eine andere Stadt umzuziehen, die eine AEFE-akkreditierte Schule anbietet. Drucksache 21/10412 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Insgesamt sind nur 13 Prozent der Eltern mit dem Projekt „Umzug“ zufrieden. 64 Prozent sind damit unzufrieden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Gründung eines Deutsch-Französischen Gymnasiums (DFG) wird in gemeinsamer Verantwortung des Trägervereins des Lycée Français, des französischen Staates und der Freien und Hansestadt Hamburg geplant. Die französische Botschafterin hat bei einer Veranstaltung die Gründung des DFG ausdrücklich begrüßt und sich nachhaltig dafür eingesetzt. Für den Planungsprozess sind Arbeitsgruppen zu den Schwerpunkten Bau, Pädagogisches Konzept, Personal und Recht eingesetzt worden, in denen Vertreterinnen und Vertreter der Gründungsverantwortlichen wie auch aus dem Lehrerkollegium und der Elternschaft des Lycée Français mitarbeiten. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen . Die oben genannte Umfrage ist nach Aussage des Elternvereins, anders als im Vortext des Fragestellers dargestellt, nicht als repräsentativ zu bewerten. Elternvertreter, die das geplante Deutsch-Französische Gymnasium (DFG) befürworten, haben in einem Schreiben an den Trägerverein ihren Unmut hinsichtlich der durchgeführten Umfrage geäußert, da aus Ihrer Sicht die Fragen einseitig formuliert wurden und sich unterschwellig gegen das Projekt gerichtet haben. Diese Elternvertreter haben sich nicht an der Umfrage beteiligt. Dieser Umstand wird auch in den nicht zutreffenden Ergebnissen der Umfrage deutlich , nach denen angeblich überproportional viele Eltern in einem nahen Schulumfeld wohnen. Im Gegensatz dazu zeigt die Schuljahresstatistik, dass nur 19 Prozent (73 von 377) der Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 6 bis12 am Lycée Français in einem Umkreis bis 2,5 km Entfernung von der Schule wohnen und insgesamt 32 Prozent (122 Schülerinnen und Schüler) in einem Umkreis bis 5 Kilometer. Die öffentliche Verkehrsanbindung des geplanten Standortes Struenseestraße ist sehr gut. Das Gelände grenzt unmittelbar an den S-Bahnhof Königstraße. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind dem Senat oder der zuständigen Behörde trotz der dargelegten Umfrageergebnisse immer noch keine kritischen Stimmen in Bezug auf dem Umzug des LFH bekannt geworden? a. Wie erklärt sich der Senat oder die zuständige Behörde diese insgesamt negative Sicht der befragten Eltern? b. Wie erklären sich der Senat oder die zuständige Behörde die Differenz zwischen der positiven Darstellung in den oben genannten Drucksachen und der offensichtlich negativen Wahrnehmung aufseiten der Betroffenen? Siehe Vorbemerkung. 2. Da der Senat und die zuständige Behörde an vielen Stellen die Eltern mit offenen Fragen zurückgelassen haben, folgt hier eine Auswahl der Fragen, die im Rahmen der Erhebung gesammelt wurden: a. Nach welchen Kriterien werden die Schüler in das DFG aufgenommen ? Grundschüler der Ersatzschule Lycée Antoine de Saint-Exupéry können sich, wie alle anderen Hamburger Schülerinnen und Schüler auch, nachdem in Hamburg geltenden Anmeldeverfahren an weiterführenden Schulen anmelden. Das Hamburgische Schulgesetz sieht weder eine Empfehlung noch eine Notenschwelle vor, die Voraussetzungen für den Besuch eines Gymnasiums wären. Grundschüler der Ersatzschule Lycée Antoine de Saint-Exupéry erhalten eine Aufnahmegarantie für das DFG. Schülerinnen und Schüler des jetzigen Lycée Antoine de Saint-Exupéry besuchen eine staatlich anerkannte Ersatzschule, das Schulverhältnis ist durch einen Vertrag Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10412 3 zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Trägerverein begründet. Erlischt die Trägerschaft des Vereins durch Weiterführung des Bildungsangebotes am staatlichen DFG, erhalten alle Schülerinnen und Schüler die Garantie, an das DFG zu wechseln. Auf Wunsch besteht aber auch die Möglichkeit, ein anderes staatliches Gymnasium oder eine staatliche Stadtteilschule zu besuchen. b. Wird das DFG auch für nicht in Hamburg gemeldete Kinder offen sein? Ja. Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein werden entsprechend des Gastschulabkommens am DFG aufgenommen. Für Schülerinnen und Schüler französischer Herkunft mit Wohnsitz in Niedersachsen werden Einzelfallentscheidungen getroffen, die einen Besuch des DFG ermöglichen. c. Was sind die Niveau-Kriterien, um im DFG zu bleiben? Was wird aus Kindern, die nicht das DFG-Niveau haben und nicht deutsch sprechen und/oder nicht auf einen französischsprachigen Unterreicht verzichten wollen? Der Übergang in die Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums erfolgt nach § 13 Ausbildungs - und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy). Für Schülerinnen und Schüler französischer Herkunft sind Ausnahmen im Zuge einer Einzelfallentscheidung möglich. Dies trifft insbesondere für Schülerinnen und Schüler zu, die aufgrund ihres kurzen Aufenthaltes in Deutschland nicht deutsch sprechen. Für den Übergang in die gymnasiale Oberstufe gelten Aufnahmekriterien nach § 3 Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO-AH). Schülerinnen und Schüler, die diese Kriterien nicht erfüllen, können am DFG den Ersten und Mittleren Schulabschluss sowie das französische Brevet erwerben . Im Übrigen siehe Antwort zu 2.a. d. Wie werden die Kinder jetzt schon auf den Übergang vorbereitet? Der Unterricht am Lycée Français bereitet auf den Übergang und die im DFG gestellten Anforderungen vor. e. Welche Sicherheitsmaßnahmen wird es um das Gebäude herum und im Inneren des Gebäudes geben? Das DFG wird entsprechend den Verordnungen zu Anforderungen an den Bau und Betrieb von Schulen geplant (siehe hierzu insbesondere Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, BAUPRÜFDIENST 6/2011 unter http://www.hamburg.de/contentblob/ 3201994/4f3c1aa7ede3651ed54207b5457a2086/data/bpd-6-2011-anforderungen-anden -bau-und-betrieb-von-schulen.pdf). Die im Rahmen des hochbaulichen Wettbewerbs zu definierenden Vorgaben zum Bau des Schulcampus Struenseestraße berücksichtigen eine Planung des Schulgeländes als geschlossenes Areal. Eine das Areal durchquerende öffentliche Zuwegung ist separat zu gestalten, sodass ein Zugang zum Schulgelände nicht möglich ist. Alle schulischen Gebäude und Bereiche sollen ohne Verlassen des Schulcampus erreichbar sein. Für das DFG wird zudem eine Pförtnerloge im Eingangsbereich geplant. f. Wie kann man die Erreichbarkeit des Standortes in Altona für Kinder , die in der Nähe des LFH wohnen, erleichtern (Schulbus-Shuttle, neue HVV-Linie et cetera)? Der Senat prüft für die Startphase die Einrichtung eines Schulbusses zwischen dem Standort Hartsprung und der Struenseestraße. g. Warum ist eine Finanzierung des DFG mit BAC-Filiale ohne Schulgeld möglich, während die Finanzierung der BAC-Filiale am LFH als Problem gesehen wird? Das DFG als staatliche Schule und das LFH als Ersatz- beziehungsweise Ergänzungsschule in freier Trägerschaft unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Rechts- Drucksache 21/10412 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 stellung. Wie an allen anderen staatlichen Schulen in Hamburg ist der Besuch des DFG beitragsfrei. Eine staatliche Vollfinanzierung des LFH käme einer Besserstellung dieser Schule gegenüber anderen Schulen in freier Trägerschaft gleich und entfällt daher aus förder- und wettbewerbsrechtlichen Gründen. 3. Der Senat argumentiert, dass am neuen Standort mehr Kinder für das „erweiterte“ deutsch-französische Angebot erreicht werden können beziehungsweise dafür begeistert werden sollen. a. Ist es richtig, dass am neuen Standort derzeit mit je drei deutschfranzösischen Klassen pro Jahrgang (Klasse 5, 6 et cetera) geplant wird? b. Wie viele Klassen pro Jahrgang (Klasse 5, 6 et cetera) hat das Lycée Antoine de Saint-Exupéry am Standort Lokstedt heute? c. Ist es richtig, dass von den geplanten drei Klassen pro Jahrgang am neuen Standort je eine Klasse für Kinder eingerichtet werden soll, die nicht von der Grundschule des LFA in Lokstedt stammen? d. Wie beurteilt der Senat die in diesem Fall entstehende Situation, dass für die Kinder der französischen Grundschule in Lokstedt zukünftig am deutsch-französischen Gymnasium in Altona weniger Klassen zur Verfügung stehen würden als bisher? Welche Lösung strebt der Senat für dieses Dilemma an, die nicht zulasten der Unterrichtsqualität geht? Das DFG wird als dreizügiges Gymnasium geplant, in dem deutsch-französische und französisch-deutsche Klassen integriert unterrichtet werden. Die Verteilung von deutsch-französischen und französisch-deutschen Lerngruppen ist nicht vorab festgelegt , sondern ergibt sich aus den Anmeldezahlen. Die baulichen Voraussetzungen (gemeinsamer Campus mit dem Struensee Gymnasium) ermöglichen eine Bedarfsanpassung je nach Anmeldesituation. Derzeit werden am Lycée Français in den Jahrgangsstufen 5 bis 8 jeweils drei und in den Jahrgangsstufen 9 bis 12 jeweils zwei Lerngruppen unterrichtet. Der Senat rechnet bei einem Übergang an das DFG mit keiner Unterversorgung dieser Schülerschaft , die Zügigkeit des DFG soll im Rahmen der Möglichkeiten bedarfsgerecht gestaltet werden.