BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10443 21. Wahlperiode 26.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 19.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Qualität von Schule beginnt beim Unterricht! Grundlage für qualitativ guten Unterricht ist in erster Linie, dass dieser auch gegeben wird. Daran mangelt es in Hamburg an vielen Schulen. Ebenso sind die Ausrichtung und Ausgestaltung von Unterricht sowie die Frage, welche Fachkraft den Unterricht gibt, wesentlich für die Qualität des Schulunterrichts. Der Senat hat in der Drs. 21/10125 auf die Fragen nach dem Ausfall von Unterrichtsstunden als eine positive Entwicklung geantwortet. Demnach käme es nur zu 0,58 Prozent Unterrichtsausfall an allgemeinbildenden Schulen und nur zu 0,03 Prozent an den Grundschulen. Schaut man genauer hin, muss man jedoch konstatieren, dass der Trend marginal ist und man eher von einer Konsolidierung des Niveaus sprechen muss. Sieht man sich das Zahlenwerk genauer an, sind diese Zahlen zudem nur auf die ersatzlos ausgefallenen Stunden bezogen. Andere Stunden sind nach Vorgabe des Fragestellers in vier Kategorien eingeteilt worden, sodass die absoluten Zahlen an Unterricht, der nicht vom zuständigen Fachlehrer gegeben wurde, zum Teil erschreckend hoch sind. Vor allem sind große Unterschiede erkennbar; eine ganze Reihe von Schulen hat einen prozentualen Unterrichtsausfall von unter 2 Prozent, andere Schulen weisen über 10 Prozent und damit in absoluten Zahlen über 10.000 Stunden Unterrichtsausfall auf. Im Falle der Hamburger Grundschulen sind die Zahlen ebenfalls arg geschönt. In Hamburg gibt es für Eltern und Lehrer die verlässliche Grundschule , sodass Eltern garantiert wird, dass die Kinder bis 13 Uhr in der Schule verbleiben. Die häufigste Form der Unterrichtsvertretung ist demnach das Aufteilen von Klassen – im besten Fall auf die Parallelklassen, im schlechtesten Fall auf eine Klasse aus einem anderen Jahrgang. Der Unterrichtsfaden der Klassenlehrer kann damit nicht weiter gesponnen werden und die Schüler empfinden dieses als Zeitvergeudung ohne Inhalt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Verlässlich stattfindender Unterricht ist wesentliche Grundlage für erfolgreiches Lernen . Die Reduzierung des Unterrichtsausfalls ist für alle Hamburger Schulen ein wichtiges Ziel, das kontinuierlich verfolgt wird (siehe Drs. 21/3405). Im Rahmen der „Selbstverantworteten Schule“ (siehe Drs. 18/3780) erhält jede Schule ein Vertretungs- und Organisationsbudget zur flexiblen Bewirtschaftung. Die Schulen sind gehalten, Reserven aufzubauen, um Schwankungen im Vertretungsbedarf abfedern zu können. Mit allen zur Verfügung stehenden Vertretungsmitteln können im Bedarfsfall 9,7 Prozent des Unterrichts vertreten werden (inklusive der Vertretungsstunden aus dem Lehrerarbeitszeitmodell). Die Zahlen zeigen, dass Schulen mit die- Drucksache 21/10443 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sen zusätzlichen Mitteln Unterrichtsausfall grundsätzlich vermeiden können. Siehe auch Drs. 20/11398. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Formen von geplantem Unterrichtsausfall gibt es? An Hamburger Schulen wird kein Unterrichtsausfall geplant. Neben nicht vorhersehbaren krankheitsbedingten Ausfällen können dienstliche Verpflichtungen von Lehrkräften zu im Voraus erkennbaren Vertretungssituationen führen , für die die Schulen frühzeitig personellen Ersatz einplanen können. Dies können insbesondere sein: Teilnahme an Klassenfahrten, Teilnahme an Klausuren und Prüfungen , Teilnahme an besonderen Unterrichtseinheiten (Wettbewerben, Projekten, Praktika, Theaterbesuche und Ähnliches). 2. Wie wird die Vertretung von geplantem Unterrichtsausfall organisiert? 3. Gibt es ein Konzept oder System für die Vertretung von Unterrichtsausfall ? Wenn ja, wie sieht dieses aus? Wenn nein, warum nicht? 4. Welche Vorgaben an die zu vertretende Lehrkraft gibt es bezüglich der Übergabe? Gilt dieses auch für ungeplanten Unterricht? Wenn nein, warum nicht? Die Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Durchführung der Unterrichtsarbeit obliegt der Schulleiterin oder dem Schulleiter (§ 89 Absatz 1 Satz 1 Hamburgisches Schulgesetz, HmbSG). Sie schließt die Organisation des gesamten Vertretungsunterrichts ein. Die Lehrerkonferenz hat die Aufgabe, Grundsätze für Vertretungsregelungen zu erarbeiten (§ 57 Absatz 2 Nummer 2 HmbSG). Die Anforderungen an den Vertretungsunterricht sind in der Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und zur Organisation von Vertretungsunterricht (vom 16. Dezember 1998, MBlSchul 1999 S.1) geregelt. Demnach soll Vertretungsunterricht in seiner Qualität und Zielsetzung dem regulären Fachunterricht entsprechen, muss sich aber nicht auf den jeweils aktuellen Stoff des zu vertretenden Fachunterrichts beziehen. Im Ausnahmefall kann der zu vertretende Unterricht auch in einem anderen Fach erteilt werden (siehe Drs. 21/3405). Alle Schulen haben Vertretungskonzepte erarbeitet, die vor dem Hintergrund der jeweiligen schulischen Bedingungen Regelungen zur Prioritätensetzung, Verfahren, Übergaberegularien, einzusetzenden Materialien und Ähnliches enthalten. 5. Wie definiert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Ersatzunterricht „in besonderer Form“ und welche Lernziele können hier erreicht werden bei Übergabe beziehungsweise Nichtübergabe durch die zuständige Lehrkraft? 6. Wie definiert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Ersatzunterricht „fachidentisch durch andere Lehrkraft“ und welche Lernziele können hier erreicht werden bei Übergabe beziehungsweise Nichtübergabe durch die zuständige Lehrkraft? 7. Wie definiert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Ersatzunterricht „vertreten mit anderem Unterrichtsfach der Lerngruppe“ und welche Lernziele können hier erreicht werden? Gibt es eine Vorgabe zur Kompensation des ausgefallenen Unterrichts zu einem späteren Zeitpunkt? 8. Wie definiert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Ersatzunterricht „durch Arbeitsauftrag bzw. Zusammenlegen/Aufteilung von Unterricht“ und welche Lernziele können hier erreicht werden bei Übergabe beziehungsweise Nichtübergabe durch die zuständige Lehrkraft ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10443 3 In Hamburg wird kein „Ersatzunterricht“ angeboten. Die Schulen sind verpflichtet, im Falle des Ausfalls der eingeplanten Lehrkraft einen Vertretungsunterricht zu organisieren , der sich an den in den Bildungs- und Rahmenplänen verankerten Zielen, Inhalten und Grundsätzen orientiert. Dabei ist der ersatzlose Ausfall von Unterricht so weit wie möglich zu vermeiden. „Unterricht in besonderer Form“ ist regulärer Unterricht nach Stundentafel, siehe Drs. 21/4112. „Fachidentisch durch eine andere Lehrkraft vertretener“ Unterricht liegt vor, wenn die Fachstunde durch eine andere Fachlehrkraft erteilt wird. „Mit einem anderen Unterrichtsfach in der Lerngruppe vertretener Unterricht“ liegt vor, wenn ein anderes als das ursprünglich vorgesehen Fach unterrichtet wird. Dies kann sowohl durch eine bereits in der Lerngruppe eingesetzte als auch durch eine externe Lehrkraft erfolgen. „Vertretung durch Arbeitsauftrag bzw. Zusammenlegung/Aufteilung von Unterricht“ ist eine zusammenfassende Kategorie. „Vertretung durch Arbeitsauftrag“ bezeichnet die beaufsichtigte beziehungsweise bei älteren Schülerinnen und Schülern eigenständige Bearbeitung von Arbeitsaufträgen. „Vertretung durch Zusammenlegung/Aufteilung von Unterricht“ bezeichnet das gemeinsame Unterrichten zweier Lerngruppen beziehungsweise die Aufteilung einer Lerngruppe auf mehrere Lerngruppen. Im Übrigen liegen der zuständigen Behörde keine Informationen über wissenschaftliche Studien vor, die sich mit Lernzuwächsen im Vertretungsunterricht befassen. 9. Wodurch sind die großen Unterschiede bezüglich des prozentualen Unterrichtsausfalls der einzelnen Schulen zu begründen? Gibt es hier Zusammenhänge zum jeweiligen KESS-Faktor der Schulen? Die Unterschiede bezüglich des Ausfalls von Unterricht werden insbesondere durch Krankheitsquoten beeinflusst. Die Unterschiede bezüglich des Vertretungsunterrichts werden außerdem von folgenden Parametern beeinflusst: Ausfallzeiten aufgrund von Mutterschutz, schulorganisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Organisation von Klassenfahrten, Exkursionen, Projekten und Prüfungen), Qualität der Vertretungskonzepte und die schulinterne Ressourcensteuerung, siehe auch Antwort zu 1. Der zuständigen Behörde liegen keine Hinweise auf einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Ausfallquote und Sozialindex vor. 10. Wie funktioniert der Pool von Vertretungskräften? Die zuständige Behörde hält keinen zentralen Pool an Vertretungslehrkräften vor. Die Schulen rekrutieren die Vertretungskräfte direkt und erhalten dafür die erforderlichen Ressourcen (siehe hierzu Drs. 20/11398). Zur Unterstützung gibt es im Elektronischen Bewerbungsverfahren (Elbe), die Möglichkeit für die Schulen, Vertretungsstellen auszuschreiben . Interessierte Lehrkräfte können dort auch ihr Interesse an einem Lehrauftrag bekunden. Einzig in der Vorschule (VSK) wird in Vertretungssituationen auf eine Personalagentur zurückgegriffen. Die Schulen können im Bedarfsfall in Absprache mit der Personalreferentin für die ersten 14 Tage die Vertretungskräfte direkt bei der Agentur abfordern. 11. Wie viele Lehrkräfte sind in dem Pool und wie hat die zuständige Behörde die Anzahl an notwendigen Vertretungskräften berechnet? 12. Wird bei diesem Pool eine durchschnittliche Krankenquote berücksichtigt ? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht? 13. Sind die Vertretungskräfte aus diesem Pool hamburgweit oder lokal begrenzt einsetzbar? Entfällt.