BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10453 21. Wahlperiode 26.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 20.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Neuer Stadtteil auf dem Grasbrook – Wie sieht es aus mit Lärm- und Gesundheitsbelastungen, Kontaminierungen, Schienenanbindung, Grundstückspreisen und Bürger-/-innenbeteiligung? Überraschend hat der Erste Bürgermeister am 13. September 2017 die Pläne für einen neuen Stadtteil auf dem Grasbrook vorgestellt. In Geheimverhandlungen mit der Hafenwirtschaft kungelte der Senat eine mögliche Bebauung aus. Weder die Bürger/-innen der Stadt noch die Politik wurden vorher informiert. Schon im Zusammenhang mit der Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024 gab es viele unbeantwortete Fragen zu den Planungen für den Grasbrook. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aufgrund der Bereitschaft der Hafenwirtschaft und der Tschechischen Republik, wesentliche Flächen auf dem Kleinen Grasbrook freizumachen, ist die Ankündigung zur Planung und Realisierung zum Stadtteil Grasbrook durch den Senat erfolgt, und zugleich sind die Grundideen der Entwicklung kommuniziert worden. Diese Grundideen resultieren aus 1. den Planungen im Jahr 2014/2015 für den Stadtteil OlympiaCity im Rahmen der Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 in Hamburg und den dazu notwendigen oder sinnvollen Anpassungen, da eine Teilfläche der OlympiaCity entwickelt wird und 2. den fortgeschrittenen Erfahrungen insbesondere aus dem Quartier Elbbrücken der HafenCity, das sehr viele Ähnlichkeiten zum zukünftigen Stadtteil Grasbrook und seine Entwicklungs-voraussetzungen aufweist; 3. der Möglichkeit, die vertraglichen Voraussetzungen für eine Planung und Realisierung des neuen Stadtteils zu schaffen. Die strategische Entscheidung, einen neuen Stadtteil zu entwickeln, ermöglicht erst die jetzt beginnende, vielschichtige Befassung mit den möglichen Entwicklungsthemen des Stadtteils Grasbrook und eine umfangreiche Partizipation. Die Inhalte der Planung für den neuen Stadtteil werden in den kommenden Jahren mit allen maßgeblichen Akteuren intensiv diskutiert werden. Entsprechend können die Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr allgemein beantwortet werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der HafenCity Hamburg GmbH wie folgt: 1. In den Plänen zur Olympic-City wurde verschiedentlich die Lärmbelastung des Areals betont. In dem „Masterplan Kernbereich Kleiner Gras- Drucksache 21/10453 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 brook Hamburg“ vom 24.9.2015 heißt es auf Seite 15: „Die Nord-, Ostund Südseiten des Kleinen Grasbrooks werden wegen der Lärmbelastung überwiegend mit Büro- und Gewerbeflächen bebaut, die als Schutzbauten für die im Inneren zu realisierende Wohnbebauung fungieren .“ Auf Seite 113 heißt es unter der Überschrift „Lärmbelastung“ weiter : „Lärmbelastungen für den Kleinen Grasbrook entstehen im Wesentlichen aus der Elbbrücke der Bahnlinie und der Trasse entlang des Saalehafens und aus dem Straßenverkehr.“ a. Welche Art der Bebauung und welche Nutzung ist bisher entlang der Nord-, Ost- und Südseiten des Kleinen Grasbrooks vorgesehen ? b. Welche Schutzmaßnahmen sollen zur Reduzierung der oben beschriebenen Lärmbelastungen i. durch die Elbbrücke der Bahnlinie, ii. durch die Bahntrasse entlang des Saalehafens iii. durch den Straßenverkehr beitragen? c. Von welchen Lärmpegeln in den Wohnbereichen des neuen Stadtteils wird ausgegangen? Bitte differenziert für die einzelnen Blöcke/ Quartiere Tag- und Nachtwerte angeben. d. Von welchen Lärmpegeln für die Arbeitsplätze wird ausgegangen? Bitte differenziert für die einzelnen Bereiche Tag- und Nachtwerte angeben. Bisher befinden sich hafenbezogene Nutzungen und Gebäude an den Nord-, Ost- und Südseiten des Kleinen Grasbrooks. Die Art der Bebauung und Nutzung steht noch nicht fest (siehe Vorbemerkung). Gemäß dem vorliegenden Konzept könnte auf der Nordostseite eine gewerbliche Bebauung (überwiegend Bürobauten) erfolgen. Westlich davon würde zwischen Moldauhafen und Elbe eine Wohnbebauung und entlang der Elbe eine großzügige Parkanlage entstehen. Beidseits des Saalehafens und am Südufer des Moldauhafens sollte gemäß Konzept ebenfalls eine Bebauung für gewerbliche Nutzung (überwiegend Bürogebäude) erfolgen. Die Bebauungstypologie sollte die Bebauung des Quartiers Elbbrücken in der östlichen HafenCity wiederspiegeln . Die Südseite des Kleinen Grasbrooks wird nicht in die Bebauung des Stadtteils Grasbrook einbezogen und verbleibt in der hafenwirtschaftlichen Nutzung. Im Zuge der Planungen wird ein Schallschutzkonzept erarbeitet, in dessen Rahmen geeignete Minderungsmaßnahmen (aktiver und passiver Schallschutz) geprüft werden . Die Fragen zu Lärmpegeln können erst nach Vorliegen einer schalltechnischen Untersuchung , die das konkrete Bebauungs- und Nutzungskonzept berücksichtigt, beantwortet werden. Die vorliegenden schalltechnischen Untersuchungen, die im Zusammenhang mit den Planungen für die OlympiaCity erstellt worden sind, erlauben keine Detailaussagen zur Lärmbelastung einzelner geplanter Blöcke/Quartiere. 2. Aufgrund der hohen Erschließungskosten für das Planungsgebiet argumentierte der Senat, nur mit Olympischen Spielen könne hier ein neuer Stadtteil finanziert werden. a. Welche Änderungen sind eingetreten, die nunmehr auch ohne Olympische Spiele die Realisierung eines neuen Stadtteils auf dem Grasbrook realisierbar erscheinen lassen? Der Stadtteil Grasbrook umfasst die Teilentwicklung von Flächen des Kleinen Grasbrooks . b. Welche Kontaminierungen in dem Planungsgebiet sind bisher bekannt? Untersuchungen über die bereits vorliegenden Bestandsaufnahmen hinaus sind nicht erfolgt. Es wird mit unterschiedlichen Graden der Bodenbelastung an unterschiedli- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10453 3 chen Standorten gerechnet, aber nicht mit Sanierungsbedarfen auf der gesamten Entwicklungsfläche. c. Von welchen Kosten zur Beseitigung der Kontaminierungen wird derzeit ausgegangen? Die Kosten können erst nach der städtebaulichen Planung ermittelt werden. d. Von wem sind die Kosten zur Beseitigung der Kontaminierungen zu tragen? Die Kosten für die Beseitigung belasteter Böden sind üblicherweise von den Bauherren der Gebäude zu tragen. e. Wie hoch werden die Kosten für die Verringerung beziehungsweise Beseitigung gesundheitlicher Gefährdungslagen aktuell eingeschätzt (zum Beispiel Veränderung der Lagerung von Gefahrstoffen im Hafengebiet)? Von gesundheitlichen Gefährdungslagen auf dem Kleinen Grasbrook oder in der näheren Umgebung ist nichts bekannt. f. Wie hoch wurden im Jahr 2015 die Infrastrukturkosten für das Plangebiet im Rahmen der Planung für die Olympischen Spiele inklusive Nachnutzung geschätzt? Die Infrastrukturkosten bezogen sich auf ein anderes Gebiet, umfassten andere Formen der Infrastrukturausstattung, einer Auslegung auf andere Spitzenbedarfe, einen komprimierten Zeitraum zur Herstellung und Umbaumaßnahmen nach Beendigung der Spiele. Sie sind daher nicht vergleichbar, und ein Vergleich ist auch nicht mit einer auf das Planungsgebiet bezogenen Auswertung der Kostenbetrachtung für die Olympia City herstellbar. g. Wie hoch schätzt der Senat aktuell die Infrastrukturkosten zur Errichtung des neuen Stadtteils? Die Infrastrukturkosten werden nach der städtebaulichen Funktionalplanungsphase und einer Optimierung der Infrastruktur realisierungszeitnah ermittelt. 3. Auf Seite 12 der am 13.September 2017 vom Senat vorgestellten Präsentation „Der neue Stadtteil Grasbrook“ wird eine hohe Dichte als Teil der Wertschöpfungsstrategie zur Kostendeckung der Infrastruktur genannt. a. Mit welcher Begründung will der Senat die Flächen im Plangebiet verkaufen und sie nicht im Rahmen einer langfristigen Stadtentwicklungsstrategie im Erbbaurecht vergeben? b. Wird der Senat trotz der zu erwartenden hohen Infrastrukturkosten die Grundstückspreise möglichst niedrig ansetzen, um eine vielfältige Nutzugsmischung und vor allem leistbare Mieten für den Stadtteil zu ermöglichen? Wenn nein: weshalb nicht? Die Planungen sind für eine Aussage noch nicht weit genug fortgeschritten. 4. Für die ÖPNV-Erschließung des Stadtteils ist bisher nur der Bus vorgesehen . a. Wie hoch wird der Pkw-Anteil pro zukünftige/r Bewohner/-in angesetzt ? b. Wie viele Pkw- und Lkw-Fahrten täglich werden durch die 12.000 Arbeitsplätze und die weiteren gewerblichen Nutzungen erwartet? c. Weshalb glaubt der Senat, eine autoverkehrsreduzierende Planung ohne Schienenanbindung realisieren zu können? Drucksache 21/10453 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Ein Verkehrsprognosemodell kann nicht belastbar ohne eine ausreichend detaillierte städtebauliche Planung erstellt werden. Diese wird sich unter anderem nicht nur mit dem Wohnungsanteil sondern auch mit dem Mix unterschiedlicher gewerblicher Unternehmen und deren räumlicher Verteilung und der Verteilung der Arbeitsplätze befassen. Als vorteilhaft erweist sich, dass so gut wie kein Durchgangsverkehr zu berücksichtigen ist. Im Übrigen liegt der Nord-Ostbereich des Stadtteils Grasbrook im fußläufigen 600 Meter Einzugsbereich der U-Bahn-Station Elbbrücken und der Verbindung zur S-Bahn. 5. Für die Olympic-City-Planung war für den Fuß- und Radwegverkehr eine Brücke über die Norderelbe vorgesehen. Die dadurch erforderlich werdende Verlagerung der Liege-/Warteplätze der Seeschiffe sollte unter anderem im Hansahafen realisiert werden. a. Ist eine Brücke über die Norderelbe zur Erschießung des neuen Stadtteils und zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs vorgesehen ? Wenn nein: weshalb nicht? Wenn ja: Wohin werden die Liege-/Warteplätze verlagert? b. Werden die im Rahmen der Olympia-Planung vorgesehenen Radverbindungen über den Grasbrook weiterhin verfolgt? Wenn ja: Was ist bisher vorgesehen? Wenn nein: weshalb nicht? Die Planung der übergeordneten Radwegeverbindung erfolgt im Zusammenhang mit der städtebaulichen Planung. 6. Der Senat hat bisher nur hinter verschlossenen Türen den neuen Stadtteil geplant. a. Weshalb hat der Senat keinen transparenten und frühzeitigen Beteiligungsprozess eingeleitet? b. „Ein offener und demokratischer Planungsprozess kann erst jetzt einsetzen“ verkündet der Senat auf Seite 3 der Präsentation vom 13. September 2017. Was ist unter „offen“ zu verstehen: werden Varianten inklusive einer Nullvariante in der Planung und der Beteiligung vorgestellt und diskutiert? Wenn nein: weshalb nicht? c. Welche Beteiligungsformen und -angebote sind vorgesehen? Bitte soweit möglich auch (grobe) Terminplanungen dazu benennen. Die Beteiligungsformate werden von den zuständigen Dienststellen entwickelt. Die Terminplanung steht noch nicht fest. Im Übrigen siehe Vormerkung. 7. Planungs- und Bauvorhaben dieser Größenordnung werden in der Regel federführend durch die Fachbehörde und nicht den Bezirk geplant und verantwortet. a. Wer wird federführend für die Bebauungsplanung und die Bearbeitung der Bauanträge zuständig sein? b. Wenn die Zuständigkeit nicht bei dem Bezirk liegt: wird der Bauausschuss des Bezirks mit den Bauanträgen befasst und kann dazu Stellungnahmen abgeben wie bei anderen Bauanträgen im Bezirk? Wenn nein: weshalb nicht? Der Senat hat sich mit diesen Fragen noch nicht befasst.