BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10456 21. Wahlperiode 29.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 21.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Pilotprojekt zur HIV-Prävention mit Beteiligung von Hamburger Apotheken PrEP (auch HIV-PrEP) ist die Abkürzung für „Prä-Expositions-Prophylaxe“. Bei der PrEP nehmen HIV-negative Menschen HIV-Medikamente ein, um eine Infektion zu verhindern. Die Wirksamkeit der PrEP ist nachgewiesen. Seit Oktober 2016 ist das Medikament Truvada in Europa als PrEP für Menschen mit besonders hohem HIV-Risiko verordnungsfähig. Die Prophylaxe bietet vor allem jenen Menschen einen wirkungsvollen Schutz vor HIV, für die Kondome aus verschiedenen Gründen keine praktikable Möglichkeit sind. Eine ärztliche Begleitung ist bei der Anwendung der HIV-PrEP unbedingt angeraten, da mit der Einnahme auch Risiken verbunden sind. Für die meisten Menschen war die Prophylaxe bislang in Deutschland unerschwinglich , weil die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten des Medikaments nicht übernehmen (600 bis 800 Euro pro Monatspackung). Noch im September soll es jedoch die HIV-PrEP für gut 50 Euro pro Monat geben. Ein Generikum des Medikaments Truvada, also ein wirkstoffgleiches, aber deutlich günstigeres Produkt eines anderen Anbieters wird in ausgewählten Apotheken in sieben Großstädten, darunter auch in Hamburg, erhältlich sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Als erstes Arzneimittel mit der Indikation „Präexpositionsprophylaxe“ (PrEP) wurde Truvada® im Juli 2016 in der EU zentral zugelassen. Seit Oktober 2016 steht es in Deutschland zur ärztlichen Verordnung zur Verfügung; mittlerweile sind auch Generika in Deutschland zugelassen. Allgemein zugänglichen Informationen ist zu entnehmen, dass sich ein Zulassungsinhaber bereit erklärt hat, sein Generikum im Rahmen eines Projektes zur Verfügung zu stellen. Am diesem Projekt nehmen zur Zeit acht Apotheken deutschlandweit teil. Sie sind Mitglieder der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetenter Apotheken e.V. (DAH2KA). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Apotheken in Hamburg werden sich voraussichtlich an dem Pilotprojekt beteiligen? Die Website der DAH2KA e.V. informiert nach eigenen Angaben täglich aktuell über die am Pilotprojekt beteiligten Apotheken. Zurzeit ist eine Apotheke in Hamburg gelistet . Zu potenziellen weiteren teilnehmenden Apotheken liegen keine Informationen vor. 2. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die Wirkungsweise des Medikaments vor? Drucksache 21/10456 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Arzneimittel enthält die Wirkstoffe Emtricitabin (ein Nukleosidanalogon des Cytidins ) und Tenofovirdisoproxilfumarat. Beide Wirkstoffe hemmen die reverse Transkriptase und wirken spezifisch gegen das Humane Immundefizienzvirus (HIV) sowie gegen das Hepatitis B Virus. Das Arzneimittel liegt in Tablettenform vor und ist seit mehreren Jahren zur Therapie von HIV-Infektionen in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zugelassen . 3. Welche Zielgruppen können von dem Medikament profitieren? Das Arzneimittel ist zugelassen zur Reduktion des Risikos einer sexuell erworbenen HIV-1-Infektion bei Erwachsenen mit hohem HIV-Risiko aber nachweislich negativem HIV-Status in Kombination mit Safer-Sex Praktiken. In Deutschland sind dies vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. 4. Warum werden die Kosten für das Medikament bislang nicht mit von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und welche Schritte wären dazu notwendig? Die Kosten für das Medikament können für therapeutische Zwecke von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Zum vorbeugenden Zweck der Prä- Expositions-Prophylaxe (PrEP) werden die Kosten bislang nicht übernommen, weil die Kostenübernahme nach §§ 31, 34 SGB V und durch die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 SGB V generell ausgeschlossen ist. Über die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten entscheidet grundsätzlich das höchste Gremium der Selbstverwaltung, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). In § 20 ff SGB V, in dem die Prävention in der GKV geregelt ist, sind mit Ausnahme von Impfstoffen keine Arzneimittel genannt. Damit gehören Arzneimittel generell nicht zu den Präventionsleistungen der GKV. Um dies zu ändern, wären gesetzliche Änderungen notwendig, zum Beispiel in der Schutzimpfungs-Richtlinie. Mit der Änderung der Schutzimpfung-Richtlinie wäre ein regulatorischer Rahmen geschaffen, innerhalb dessen der G-BA darüber entscheiden könnte, ob die Krankenkassen die Kosten des Medikaments auch für präventive Zwecke übernehmen dürfen. Die Kompetenz zur Schaffung dieser rechtlichen Grundlagen liegt beim Bund. 5. In welchen Ländern wird die HIV-PrEP regelhaft eingesetzt beziehungsweise ist bereits als Generikum erhältlich? Mit Erteilung der zentralen Zulassung durch die Europäische Kommission ist das Arzneimittel grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugelassen. Inwieweit das Arzneimittel – gegebenenfalls auch als Generikum – tatsächlich in den EU-Mitgliedstaaten im Verkehr ist, ist dem Senat nicht bekannt. 6. Welche Bedeutung kommt der Präexpositionsprophylaxe in einem umfassenden HIV-Präventionskonzept zu? 7. Wie beurteilt der Senat das Pilotprojekt insgesamt? Unabhängig von dem konkret beschriebenen Pilotprojekt begrüßt es der Senat grundsätzlich , wenn die Präexpositionsprophylaxe bestimmten Personen mit einem erhöhten HIV-Risiko kostengünstig und leicht zugänglich zur Verfügung steht. Die Einführung der PrEP ergänzt die Primärprävention, die die biochemische Prävention sowie die Verhältnis- und die Verhaltensprävention umfasst. Als zusätzlicher Methode einer umfassenden HIV-Strategie muss sie jedoch engmaschig durch ausführliche Beratung und Testangebote begleitet werden, weshalb seit Ende 2016 eine intensivierte Kooperation zwischen HIV-Schwerpunktpraxen, freien Trägern und der zuständigen Behörde besteht. 8. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, das Pilotprojekt beispielsweise durch eine gezielte Bewerbung zu unterstützen? Die DAH2KA hat angekündigt, dass die beteiligten Apotheken innerhalb des Projektes interessierte Personen zur PrEP-Anwendung aufklären und beraten sowie auf die regelmäßige Betreuung durch einen auf HIV-spezialisierten Arzt hinweisen: https://dahka.de/index.php/prep/allgemeines. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. und 7. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10456 3 9. In welcher Hinsicht sollten Ergebnisse des Projekts, insbesondere die Inanspruchnahme, ausgewertet werden? Welche Möglichkeiten hat hier die Hamburger Gesundheitsbehörde? Für die Auswertung des Projekts ist die DAH2KA zuständig: https://dahka.de/ index.php/prep/allgemeines. Die für Gesundheit zuständige Behörde verfolgt die Ergebnisse regelmäßig.