BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1047 21. Wahlperiode 21.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels (FDP) vom 13.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Schulbegleitung als Sparmodell? Ein wesentlicher Baustein für das Gelingen der schulischen Inklusion ist die Institution der Schulbegleitung. „Sie dient dazu, Schülerinnen und Schüler in der Teilhabe an der schulischen Förderung und der ganztägigen Betreuung zu unterstützen.“ (Kurzinformation zur Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen an Hamburger Schulen, hrsg. v. der Behörde für Schule und Berufsbildung, http://www.hamburg.de/contentblob/4460308/data/neu-a1- kurzinformation-schulbegleitung.pdf.) Nicht ersichtlich ist, welche Qualifikationen das Personal aufweisen muss und wie sichergestellt wird, dass eine adäquate sonderpädagogische Betreuung der Schüler mit Förderbedarf stattfindet . Am 9. Juli hat sich der Elternrat der Stadtteilschule Alter Teichweg an die Behörde für Schule und Berufsbildung gewandt und Alarm geschlagen: Demnach werden ab dem kommenden Schuljahr 2015/2016 an dieser Schule überwiegend ungeschulte FSJ-Kräfte für die Schulbegleitung eingesetzt. Dies soll auch in Fällen geschehen, in denen ein sonderpädagogisches Gutachten explizit den Einsatz von geschulten Fachkräften fordert. Dies gibt Anlass zu der Sorge, dass die Inklusion in Hamburg wieder einmal als Sparmodell zulasten der Schüler, Lehrer und Schulen betrieben wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wer entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Schulbegleitung erhält? Nach welchen Kriterien erfolgt diese Entscheidung? Für die Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen gibt es zwei unterschiedliche Verfahren. Bei Schülerinnen und Schülern mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer psychosozialen Beeinträchtigung entscheidet das zuständige Regionale Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) über die Gewährung und den zeitlichen Umfang einer Schulbegleitung. Bei Schülerinnen und Schülern mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung entscheidet die zuständige Behörde. Maßgeblich für die Entscheidung ist der individuelle Bedarf der Schülerinnen und Schüler bei der Kompensation von Teilhabehindernissen bezogen auf das schulische Bildungs- und Förderangebot. 2. Gibt es für Eltern und Schüler die Möglichkeit, eine solche Entscheidung anzufechten? Wenn ja: Wie oft ist dies in den Schuljahren 2013/2014, 2014/2015 und, falls bereits festzustellen, 2015/2016 geschehen? Wie reagiert die zuständige Behörde in solchen Fällen? Drucksache 21/1047 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die neuen Verfahren zur Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen sind bewusst im Wechselbezug zwischen Schule und zuständiger Behörde aufgestellt, um die Sorgeberechtigten zu entlasten. Sofern eine Entscheidung durch die Schulen hinterfragt wird, erfolgt eine Klärung im gemeinsamen Gespräch zwischen der für die Entscheidung zuständigen Stelle und der Schule. Dabei werden die Interessen der Sorgeberechtigten in die Klärung einbezogen. Wird im Rahmen dieses Klärungsprozesses keine Einigkeit erzielt, können die Sorgeberechtigten einen Antrag auf Integrationsfachleistung gemäß SGB VIII beziehungsweise SGB XII stellen, der dann nach den hierfür vorgesehenen Kriterien unter Einbeziehung der Jugendpsychiatrischen Dienste (JPD) geprüft wird. Derartige Anträge beziehungsweise Widersprüche durch Sorgeberechtigte gab es im Schuljahr 2013/2014 in 81 Fällen. Für das Schuljahr 2014/2015 lag die Anzahl dieser Fälle bei 38. Zur laufenden Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen für das Schuljahr 2015/2016 sind derzeit noch keine Angaben möglich. 3. Wie werden die Kräfte angeworben und ausgewählt, die die Schulbegleitung durchführen? Welche Qualifikationen weisen diese in der Regel auf? Welche Mindestqualifikation müssen sie vorweisen? Gibt es genügend Bewerber? Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter werden in der Regel über die Träger der Jugend- und Behindertenhilfe angeworben und ausgewählt. Dabei kommen je nach Anforderung an die zu erbringende Integrationsleistung Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Freiwilligendienste (Freiwilliges Soziales Jahr und Bundesfreiwilligendienst ), sozial erfahrene Personen, Erzieherinnen/Erzieher, Pflegefachkräfte oder Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen zum Einsatz. Die jeweilige Mindestqualifikation ist von dem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf der zu begleitenden Schülerin/des Schülers abhängig. Bislang ist es den Trägern weitgehend gelungen, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitzustellen. Lediglich in Einzelfällen gab es zeitliche Verzögerungen bei der Suche nach geeignetem Fachpersonal für die Begleitung von Schülerinnen und Schülern mit sehr spezifischem Unterstützungsbedarf. 4. Wie viele Fälle von Schulbegleitung gibt es in Hamburg? Bitte für die Schuljahre 2013/2014, 2014/2015 und, sofern bereits möglich, für 2015/ 2016 angeben sowie nach Bezirken und Schulformen aufschlüsseln. Siehe Anlage. Für das Schuljahr 2015/2016 liegt noch keine Auswertung vor. 5. Gibt es bereits Erkenntnisse über die Auswirkungen des zum Schuljahr 2015/2016 geänderten Verfahrens zu Beantragung der Schulbegleitung? Wie bewertet der Senat die Systemumstellung? Zum Schuljahr 2015/2016 wurde das Verfahren lediglich für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schülern mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung weiterentwickelt. Da die Steuerungsprozesse für das kommende Schuljahr noch laufen, ist eine abschließende Bewertung dieser Umstellung gegenwärtig noch nicht möglich. 6. Gibt es Fälle, in denen mangels verfügbarer Schulbegleitungs-Kräfte eine bewilligte und pädagogisch erforderliche Schulbegleitung nicht realisiert werden kann? Wenn ja: Wie gewährleistet die zuständige Behörde, dass in diesen Fällen eine adäquate Betreuung stattfindet? In seltenen Einzelfällen gelingt es insbesondere bei unterjähriger Bewilligung einer Schulbegleitung nicht sofort, eine Schulbegleitung mit dem gewünschten Qualifikationsniveau über die Träger bereitzustellen. Je nach Situation wird dann die Bewilligung dahin gehend angepasst, dass eine Schulbegleitungskraft der nächsthöheren Qualifikationsstufe eingesetzt werden kann. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 7. Treffen die Angaben des Elternrats der Stadtteilschule Alter Teichweg zu, dass an dieser Schule neuerdings fast nur noch FSJ-Kräfte für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1047 3 Schulbegleitung eingesetzt werden und dass dies auch in Fällen geschieht, in denen ein sonderpädagogisches Gutachten explizit geschultes Fachpersonal fordert? 8. Werden auch an anderen Schulen FSJ-Kräfte eingesetzt in Fällen, in denen ein sonderpädagogisches Gutachten explizit geschultes Fachpersonal fordert? Wenn ja: An welchen Schulen und warum? Nein. Während das sonderpädagogische Gutachten die fachliche Grundlage zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gemäß § 12 Hamburgisches Schulgesetz bietet, in dessen Rahmen der Bedarf für eine Schulbegleitung im Sinne einer Tätigkeitsbeschreibung benannt werden kann, erfolgt die Klärung der Frage nach der erforderlichen Qualifikation einer Schulbegleitung im Rahmen einer Fachberatung , die neben dem individuellen Unterstützungsbedarf der Schülerin beziehungsweise des Schülers auch die Gesamtsituation in der Lerngruppe berücksichtigt. Entscheidendes Kriterium für den Einsatz von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Freiwilligendienste ist, ob die zu leistenden Betreuungs- und Unterstützungsangebote nach entsprechender Anleitung mit der vorhandenen Qualifikation geleistet werden können. In der fachlichen Beratung der Schule Alter Teichweg wurde deutlich, dass für die meisten Schülerinnen und Schüler, die eine Schulbegleitung benötigen, die genannte Bedingung erfüllt ist. Aufgrund der geringen Gesamtzahl von Schulbegleitungsfällen muss aus datenschutzrechtlichen Gründen auf detaillierte Angabe zu Anzahl und Qualifikation einzelner Schulbegleitungen verzichtet werden, um eine mögliche Identifikation von einzelnen Schülerinnen und Schülern auszuschließen. 9. Wenn FSJ- und BFD-Kräfte für die Schulbegleitung eingesetzt werden: Wie stellt die zuständige Behörde sicher, dass diese eine adäquate Schulung erhalten, um ihre Tätigkeit ausüben zu können? 10. Wie bewertet der Senat den Einsatz von ungeschultem Personal bei der Schulbegleitung im Hinblick auf das Gelingen des übergeordneten Ziels der Inklusion? Die Freiwilligendienste bieten nicht allein ein Beschäftigungsprogramm für junge Erwachsene, sondern zugleich ein gesetzlich geregeltes Bildungsangebot an, das dazu dient, zentrale soziale und gesellschaftliche Erfahrungen zu vermitteln. Hierzu sind neben der Tätigkeit in einer Schule oder sonstigen sozialen Einrichtungen Seminarwochen in einem klar definierten Umfang vorgesehen, die von den Trägern gezielt genutzt werden, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Aufgaben ihrer jeweiligen Tätigkeit vorzubereiten. Neben diesen Seminaren bieten einzelne ReBBZ sowie Schulen als Einsatzstellen bei Bedarf zusätzliche Angebote an, um die Freiwilligendienstler in spezifische Fragestellungen einzuführen. Es wird daher kein ungeschultes Personal eingesetzt. Insgesamt bietet der Einsatz von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Freiwilligendienste gute Möglichkeiten, Inklusion für beide Seiten, Schülerinnen und Schüler aber auch die Freiwilligendienstler, erfahrbar zu machen. Die Unterstützung, die den Schülerinnen und Schülern durch die FSJ- und BFD-Kräfte zuteilwird, ist in vielen Fällen ein wichtiger Bestandteil für das Gelingen inklusiven Unterrichts. Drucksache 21/1047 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Schulbegleitungen im Schuljahr 2013/14: Bezirk Schulart Anzahl Schulbegleitungen Gesamt Altona Grundschulen 70 178 Gymnasien 10 Sonderschulen 55 Stadtteilschulen 43 Bergedorf Grundschulen 28 86 Gymnasien < 5 Sonderschulen 23 Stadtteilschulen 35 Eimsbüttel Berufsschulen < 5 42 Grundschulen 21 Gymnasien < 5 Sonderschulen < 5 Stadtteilschulen 18 Hamburg-Mitte Berufsschulen 7 88 Grundschulen 41 Gymnasien 5 Sonderschulen 19 Stadtteilschulen 16 Hamburg-Nord Berufsschulen < 5 137 Grundschulen 40 Gymnasien < 5 Sonderschulen 36 Stadtteilschulen 54 Harburg Berufsschulen < 5 79 Grundschulen 22 Gymnasien < 5 Sonderschulen 49 Stadtteilschulen 6 Wandsbek Grundschulen 96 250 Gymnasien 16 Sonderschulen 65 Stadtteilschulen 73 860 Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die im Bezugszeitraum eine Schulbegleitung hatten, unabhängig davon, ob diese Begleitung während des ganzen Schuljahres oder nur für einen kürzeren Zeitraum gewährt wurde. Aus Datenschutzgründen findet sich in der Spalte „Anzahl Schulbegleitungen“ bei Angaben mit weniger als fünf bewilligten Hilfskräften jeweils der Eintrag "<5", um eine Identifizierung einzelner Schülerinnen und Schüler auszuschließen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1047 5 Schulbegleitungen im Schuljahr 2014/15: Bezirk Schulart Anzahl Schulbegleitungen Gesamt Altona Grundschulen 112 296 Gymnasien 8 Sonderschulen 106 Stadtteilschulen 70 Bergedorf Grundschulen 46 139 Gymnasien < 5 Sonderschulen 42 Stadtteilschulen 49 Eimsbüttel Berufsschulen < 5 82 Grundschulen 47 Gymnasien < 5 Sonderschulen 6 Stadtteilschulen 22 Hamburg-Mitte Berufsschulen 11 254 Grundschulen 137 Gymnasien 10 Sonderschulen 43 Stadtteilschulen 53 Hamburg-Nord Berufsschulen 6 263 Grundschulen 58 Gymnasien 8 Sonderschulen 95 Stadtteilschulen 96 Harburg Berufsschulen < 5 141 Grundschulen 53 Gymnasien < 5 Sonderschulen 73 Stadtteilschulen 11 Wandsbek Grundschulen 127 394 Gymnasien 22 Sonderschulen 141 Stadtteilschulen 104 1.569 Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die im Bezugszeitraum eine Schulbegleitung hatten, unabhängig davon, ob diese Begleitung während des ganzen Schuljahres oder nur für einen kürzeren Zeitraum gewährt wurde. Aus Datenschutzgründen findet sich in der Spalte „Anzahl Schulbegleitungen“ bei Angaben mit weniger als fünf bewilligten Hilfskräften jeweils der Eintrag "<5", um eine Identifizierung einzelner Schülerinnen und Schüler auszuschließen.