BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10478 21. Wahlperiode 29.09.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 22.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Nachwuchsgewinnung in der Hamburgischen Justiz Das Personal ist die wichtigste Ressource der Justiz. In Zeiten knapper personeller Ausstattung, stetig wachsender Aufgaben und neuer Anforderungen stehen Gerichte und Staatsanwaltschaften vor großen Herausforderungen. Aus der Antwort des Senats auf die Große Anfrage Drs. 21/9874 ergibt sich, dass im Bereich der Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft zum Stichtag 24. Juli 2017 10,75 Stellen unbesetzt waren. Der Senat führt dazu aus: „Bislang konnten noch nicht alle aufgrund der strukturellen Verstärkung zusätzlich zur Verfügung stehenden VZÄ besetzt werden, da einer qualitativ hochwertigen Besetzung der Vorrang vor einer schnellen Besetzung gegeben wurde.“ Selbstverständlich ist es erforderlich, qualitativ hochwertige Nachwuchskräfte einzustellen, dennoch ist es unverständlich, dass die Nachwuchsgewinnung und Bewerberauswahl in Anbetracht der extremen Überlastungssituation bei der Staatsanwaltschaft nicht mit mehr Nachdruck verfolgt werden, zudem die Einstellungsvoraussetzungen für Richter und Staatsanwälte im März 2012 abgesenkt wurden, Drs. 21/8189. In immer mehr Bundesländern entwickelt sich die Nachwuchsgewinnung der Justiz zum Problem; umso wichtiger ist es, die Arbeitsbedingungen in der hamburgischen Justiz zu verbessern, um die Attraktivität für genügend geeignete Bewerber zu steigern. Gab es 2010 noch 207 Bewerber/-innen beim Hanseatischen Oberlandesgericht, waren es im vergangenen Jahr nur noch 155, trotz abgesenkter Einstellungskriterien. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die hohe Anzahl an Richterinnen/Richtern und Staatsanwältinnen/Staatsanwälten, die vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg ausscheiden: Zwischen 2011 und 2016 waren dies 67 Personen, wie sich aus der Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/8189 ergibt. Wenn man bedenkt, dass bis zum Jahr 2023 neben den vorzeitig ausscheidenden Mitarbeitern allein 148 Richter und Staatsanwälte pensioniert werden, wird der Druck der Nachwuchsgewinnung immer höher. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Modifizierung der Einstellungsvoraussetzungen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Jahr 2012 erfolgte, um im Rahmen der Einstellungsvoraussetzungen in stärkerem Maße auch außerfachliche Qualifikationen und persönliche Aspekte, insbesondere die Sozialkompetenz der Bewerberinnen und Bewerber, einbeziehen zu können. Drucksache 21/10478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Hamburgische Justiz ist mit Blick auf die vielfältigen Einsatzgebiete und die guten Bedingungen für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf unverändert ein attraktiver Arbeitgeber. Ungeachtet dessen steht die Justiz in stetiger Konkurrenz mit der privaten Wirtschaft. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie stellen sich Stellen-Soll und Besetzungsumfang bei den Dezernentenstellen der Staatsanwaltschaft aktuell dar? Im Bereich der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind zum Stichtag 25.09.2017 insgesamt 6,90 VZÄ nicht besetzt, im Bereich der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte sind dies 1,15 VZÄ, im Vergleich zum Juli 2017 konnten Ist und Soll stärker in Einklang gebracht werden. Weitere Zugänge sind bereits im Vorlauf (siehe auch Frage 4). Die Staatsanwaltschaft arbeitet mit Nachdruck daran, qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber sehr zeitnah zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach erfolgreichen Gesprächen wird unverzüglich der Einstellungsprozess in Gang gesetzt. Grundsätzlich lassen sich freie VZÄ in größeren Personalkörpern aufgrund von Fluktuationen nicht gänzlich vermeiden. Im Übrigen lässt die Stichtagsbetrachtung unberücksichtigt , dass Stellenanteile im Hinblick auf zeitnah anstehende Rückkehrerinnen und Rückkehrer beziehungsweise vorbereitete Neueinstellungen freizuhalten sind. 2. Wie stellen sich Stellen-Soll und Besetzungsumfang bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit aktuell dar? OLG AG* LG Stellen-Soll 70 251,25 221,29 Stellen-Ist 70 246,5 214,29 Vakanz 0 4,75 7 * Die freien Stellen sind aktuell bis auf einen Anteil von 0,3 alle verplant. 3. Wie viele Bewerber/-innen als Staatsanwalt/Staatsanwältin beziehungsweise Richter/-innen beim Hanseatischen Oberlandesgericht gab es bislang im Jahr 2017? Bei der Generalstaatsanwaltschaft sind im Kalenderjahr 2017 zum Stichtag 25.09.2017 53 Bewerbungen als Staatsanwältin beziehungsweise Staatsanwalt eingegangen . Beim Hanseatischen Oberlandesgericht sind im Kalenderjahr 2017 zum Stichtag 25.09.2017 bisher 103 Bewerbungen als Richterin beziehungsweise Richter eingegangen . 4. Wie viele Neueinstellungen als Staatsanwalt/Staatsanwältin beziehungsweise Richter/-in gab es bislang im Jahr 2017? Bei der Staatsanwaltschaft haben bislang zehn Assessorinnen und Assessoren ihren Dienst angetreten; zwei weitere Amtsanwältinnen sind in diesem Zeitraum zu Staatsanwältinnen aufgestiegen. Bei zwei weiteren Assessoren hat der Richterwahlausschuss am 20.09.2017 ihrer Ernennung zugestimmt, sodass sie demnächst ihren Dienst bei der Staatsanwaltschaft aufnehmen werden. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit gab es bislang insgesamt 17 Neueinstellungen . 5. Wie hat sich die Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie die durchschnittliche Fehlzeitenquote im Bereich der Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft sowie im Bereich der Richterschaft bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit im ersten Halbjahr 2017 entwickelt? Januar 2017 Februar 2017 März 2017 Quote Arbeitstage Quote Arbeitstage Quote Arbeitstage Gerichte 3,6% 413,9 3,8% 403,9 3,4% 411,9 Staatsanwaltschaft 5,9% 287 4,9% 217,6 5,3% 274,5 Gesamt 4,3% 700,9 4,2% 621,4 4,0% 686,4 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10478 3 April 2017 Mai 2017 Juni 2017 Quote Arbeitstage Quote Arbeitstage Quote Arbeitstage Gerichte 2,9% 277,8 2,1% 235,7 1,8% 203,9 Staatsanwaltschaft 5,1% 208,3 5,1% 238,7 4,0% 190 Gesamt 3,6% 486,1 3,0% 474,4 2,5% 393,9 1. Halbjahr 2017 Quote Arbeitstage Gerichte 2,9% 1.947,1 Staatsanwaltschaft 5,0% 1.416,0 Gesamt 3,6% 3.363,0 6. Wie viele Langzeiterkrankte (mehr als 75 Tage durchgängig erkrankt) gab es im Bereich der Dezernenten sowie im Bereich der Richterschaft bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit im ersten Halbjahr 2017? Langzeiterkrankte erstes Halbjahr 2017 Gerichte 9 Staatsanwaltschaft 7 Gesamt 16 Für Langzeiterkrankte wurden Möglichkeiten zur Nachbesetzung geschaffen. 7. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Attraktivität des Berufsfeldes Staatsanwalt/Richter und die Nachwuchsgewinnung der Justiz in Hamburg ? Mit welchen Maßnahmen soll das Interesse verstärkt geweckt werden, um eine ausreichende Anzahl geeigneter Bewerber/-innen zu gewinnen? Ziel der zuständigen Behörde ist es generell, die Nachwuchsgewinnung für die Justiz auf hohem Niveau durchzuführen. Derzeit besteht kein akuter Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern. Ungeachtet dessen werden die Möglichkeiten der Nachwuchsgewinnung laufend optimiert und bei Bedarf an aktuelle Erfordernisse angepasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Welche Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde und gegebenenfalls den Gerichtspräsidenten darüber vor, aus welchen Gründen Richter /-innen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg ausscheiden ? Im Bereich der Staatsanwaltschaften beziehungsweise der ordentlichen Gerichtsbarkeit machen nur vereinzelt Beschäftigte davon Gebrauch, vor dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst auszuscheiden. Soweit dies der Fall ist, hat es in den meisten Fällen persönliche (zum Beispiel gesundheitliche) Gründe. a. Wie hoch ist die Anzahl der Assessoren, die jährlich seit 2012 die Gegenzeichnung nicht überstanden haben beziehungsweise der Richter auf Probe, die nicht auf Lebenszeit ernannt wurden? Bei der Staatsanwaltschaft sind seit dem Jahr 2012 insgesamt neun Assessorinnen und Assessoren während der sogenannten Gegenzeichnung wieder ausgeschieden. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind seit dem Jahr 2012 insgesamt sieben Richterinnen und Richter auf Probe vor Ernennung auf Lebenszeit ausgeschieden. b. Welche Schlüsse zieht sie daraus und welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Zahl der ausscheidenden Richter/Staatsanwälte, die vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden, zu senken? Drucksache 21/10478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Maßnahmen zur Reduzierung der Zahl vorzeitig ausscheidender Richterinnen und Richter beziehungsweise Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sind angesichts der insgesamt unkritischen Situation nicht erforderlich, zumal die Probezeit zur beiderseitigen Prüfung dient. c. Wie beurteilt sie die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter? Werden regelmäßig Feedbackgespräche geführt? Die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird empirisch nicht erfasst und ist abhängig von diversen unter anderem auch persönlichen Gründen. Die Durchführung von Feedbackgesprächen erfolgt im Rahmen der Führungsarbeit. Hinzu tritt jedenfalls für den Bereich der Assessorinnen und Assessoren (und „dienstjungen “ Beschäftigten) die – auf freiwilliger Basis erfolgende – „Kollegiale Fallsupervision für Proberichterinnen und Proberichter“, im Rahmen derer ebenfalls Feedbackgespräche geführt werden.