BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10532 21. Wahlperiode 06.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 29.09.17 und Antwort des Senats Betr.: HVV-Card Die Einführung der HVV-Card verzögert sich weiter: Neben Softwareproblemen ist dafür der wohl bisher unterschätzte Aufwand für die Ausrüstung von 650 Buslinien, U-, S- und Regionalbahnen sowie 10.000 Haltestellen mit den notwendigen Lese- und Kontrollgeräten. („Hamburger Abendblatt“ vom 27.09.2017) verantwortlich. Mit der neuen HVV-Card soll dann künftig bargeldloser Fahrkartenkauf an gekennzeichneten Fahrkartenautomaten und Verlängerung von Wochen- und Monatskarten an Fahrkartenautomaten möglich sein. Dafür gibt es dann 3 Prozent Rabatt, volle Kostenkontrolle durch detaillierte Aufstellung aller Umsätze und bequeme monatliche Abbuchung vom Konto oder Zahlung per Vorkasse auf Antrag (Zitat Internetpräsenz des HVV). Dabei drängt sich dann die Frage auf, ob hier Kostenaufwand und Nutzen eigentlich im rechten Verhältnis zueinander stehen. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. Welche Zielsetzung liegt der Einführung der HVV-Card zugrunde? Als Teil des Projektes „eTicketing“ des HVV hat die Einführung der HVV-Card wesentlich zum Ziel, den Service für die HVV-Kundinnen und Kunden zu verbessern. Dies geschieht durch die Vernetzung des HVV-Vertriebs über alle Verkehrsunternehmen. Weitere Gründe für die Einführung sind: - Einsparungen im Vertriebsprozess, - Reduzierung von Fahrkartenmissbrauch, - verbesserte Möglichkeiten bei der Kundenbetreuung. 2. Folgt der Senat mit der Einführung der HVV-Card dem Vorbild anderer Städte in Deutschland oder Europa oder ist man Vorreiter auf diesem Gebiet? Wo gibt es schon derartige Angebote und welche Erfahrungen wurden dort gemacht? Elektronische Fahrkarten auf Chipkarten gibt es in mehreren deutschen und ausländischen Verkehrsverbünden beziehungsweise Unternehmen in verschiedenen Anwendungsformen . Das im HVV genutzte System basiert dabei auf einer bundesweiten technischen Norm, der sogenannten Kernapplikation. 3. Gibt es außer den auf der Internetpräsenz des HVV genannten „Vorteilen “ (siehe oben) noch weitere Leistungen, die mit der HVV-Card verbunden sind oder ist es geplant, später noch weitere „Vorteile“ einzuführen ? Drucksache 21/10532 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn ja, welche? Siehe Antwort zu 1. 4. Warum sind Lese- und Kontrollgeräte in den Fahrzeugen notwendig? Wie wird die Kontrolle konkret durchgeführt? Muss dazu die HVV-Card vom Fahrgast mit dem Gerät in Verbindung gebracht werden? Wie genau funktioniert das? Die Kundinnen und Kunden erhalten Chipkarten, auf denen jegliche Arten von HVV- Fahrkarten hinterlegt werden können. Sie sollen diese Karten auch dann behalten, wenn beispielsweise ein Abonnement gekündigt wurde. Ein Kauf beliebiger Einzel-, Wochen- und Monatskarten ist dann weiterhin mit derselben Karte möglich. Deswegen haben alle HVV-Cards, unabhängig von der tatsächlichen Fahrtberechtigung, das gleiche Aussehen. Der Inhalt der Karte kann elektronisch geprüft werden. Lediglich vorübergehend bis zum Aufbau einer flächendeckenden Prüfinfrastruktur müssen die Kundinnen und Kunden einen zusätzlichen Papierbeleg mit sich führen. Beim Einstieg vorn im Bus sollen die HVV-Cards entsprechend elektronisch geprüft werden. Bei der HOCHBAHN und den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) werden dazu im Bereich des Busfahrers zwei Kontrollgeräte angebracht, die elektronisch prüfen, ob eine für den derzeitigen Standort gültige Fahrkarte vorliegt. Dafür muss die HVV-Card kurz an das Kontrollgerät gehalten werden. Das Fahrpersonal kann bei Bedarf Einzelheiten anzeigen lassen. Eines der zwei Geräte erlaubt auch den bargeldlosen Verkauf von Fahrkarten per HVV-Card. Bei allen anderen Busunternehmen sind diese Funktionen in die Busdrucker integriert. In Schienenfahrzeugen werden keine Kontrollgeräte montiert. Die Kontrolle erfolgt dort durch das Prüfpersonal, das mit entsprechenden Prüfgeräten ausgestattet ist. 5. Wie viele Kontrollgeräte bekommen ein Standard-Linienbus, ein Gelenkbus , ein U-Bahn-Zug, ein S-Bahn-Zug oder eine Regionalbahn? Wie groß ist ein derartiges Lese- und Kontrollgerät und wo wird es jeweils angebracht? Bei den Bussen der HOCHBAHN und der VHH wird jeweils ein Gerät links und rechts im Bereich der vorderen Tür montiert. Bei den Bussen aller anderen Verkehrsbetriebe sind die Funktionen im Busdrucker integriert. Dort werden keine gesonderten Geräte montiert. Ein Gerät hat die Maße 28 cm x 13 cm x 11 cm (BxHxT). Zu Schienenfahrzeugen siehe Antwort zu 4. 6. Warum sind Lese- und Kontrollgeräte an allen Haltestellen notwendig? Was genau soll an den Haltestellen kontrolliert werden? 7. Wie hat man sich ein Kontrollgerät an einer Haltestelle vorzustellen? Ist es zutreffend, dass wirklich jede Haltestelle im HVV-Gesamtnetz mit einem derartigen Gerät ausgestattet werden muss? Es sind keine Kontrollgeräte an Haltestellen erforderlich. 8. Welche Nachrüstungen sind an den Fahrkartenautomaten notwendig? Sind davon alle derzeit existierenden Fahrkartenautomaten betroffen? Der Verkauf von Fahrkarten per HVV-Card erfolgt im Schienenbereich über die Fahrkartenautomaten . Dafür müssen die Fahrkartenautomaten mit einer Schreib-/Leseeinheit und der passenden Software ausgestattet werden. Pro Automatenstandort soll mindestens ein Automat mit der HVV-Card nutzbar sein. 9. Der an erster Stelle genannte Vorteil der HVV-Card ist die bargeldlose Zahlungsweise an den gekennzeichneten Fahrkartenautomaten. Wenn man die Fahrkartenautomaten (wie es nach den bisherigen Auskünften des HVV sukzessive ohnehin geplant ist) für Bankkarten und Kreditkarten ausrüsten würde, hätte man dieses Ziel noch besser erreicht. Der begünstigte Nutzerkreis wäre dabei auch noch größer geworden, denn heute verfügt praktisch jeder über derartige Karten – dagegen werden insbesondere auswärtige Gäste in Hamburg von der HVV-Card kaum profitieren. Warum hat man sich trotzdem dafür entschieden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10532 3 Durch den Verkauf von Fahrkarten über die HVV-Card sind die Chancen einer erfolgreichen Fälschung wesentlich geringer als bei Papierfahrkarten. Außerdem eröffnen sich den Verkehrsunternehmen so weitere Verbesserungsmöglichkeiten für Kundenbetreuung und- bindung sowie bei der Absatzförderung. Weitere Serviceoptionen, wie die Änderung des Abonnements, sind nach Umsetzung an den Fahrkartenautomaten möglich. 10. Der andere Vorteil besteht in der Verlängerung der Monatskarten am Fahrkartenautomaten. Angesichts der hohen Zahl von HVV-Abonnenten stellt sich die Frage, wie groß der Kreis der infrage kommenden Nutzer in diesem Fall ist und ob eine Bestellung (wie derzeit bereits möglich) im Internet nicht komfortabler ist? Im HVV werden pro Jahr circa 1,4 Millionen Wochen- und Monatskarten verkauft. Durch die Verlagerung auf die Automaten erwartet der HVV eine erhebliche Entlastung der Servicestellen. Zudem können Wartezeiten bei hohem Kundenandrang vermieden werden. Der Versand von bestellten Wertmarken über das Internet ist kostenaufwändig und die Kundinnen und Kunden müssen eine Zeitverzögerung durch den Postweg akzeptieren . Dieser Vertriebsweg wird deswegen nur von vergleichsweise wenigen Kundinnen und Kunden genutzt. Im Jahr 2016 wurden lediglich 5.394 Wertmarken über das Internet verkauft. 11. Wie hoch sind die Gesamtkosten für die Hardware- und Software- Ausrüstung im Zuge der Einführung der HVV-Card und wer trägt die Kosten? Welche Kosten sind bisher schon angefallen? Bitte nach Jahren und Kostenstruktur aufschlüsseln. 12. Welche Investitionskosten fallen noch an und mit welchen laufenden Kosten pro Jahr wurde für den Betrieb der HVV-Card ursprünglich kalkuliert ? Für die Realisierung der technischen Anpassungen zur Nutzung der HVV-Card im Pilotgebiet Harburg (Bezirk und Landkreis) sind Kosten von circa 4 Millionen Euro angefallen. Davon wurden 2,6 Millionen Euro in Form von Fördermitteln bereitgestellt. Darin enthalten sind unter anderem die Kosten für die Erweiterung der Hintergrundsysteme sowie Aufrüstung von Kontrollgeräten, Busdruckern und Fahrkartenautomaten . Für die Umsetzung im Gesamtverbund werden nach aktuellem Stand zusätzlich 11 Millionen Euro veranschlagt. Die zurechenbaren Betriebskosten liegen bei circa 1,6 Millionen Euro/Jahr. Der HVV trägt dabei keine Kosten, diese werden vollständig von den Verbundverkehrsunternehmen getragen. Die Kostenaufteilung im Detail unterliegt dem Betriebsgeheimnis der Verkehrsunternehmen. 13. Werden die ursprünglich kalkulierten Kosten für Einführung und den Betrieb der HVV-Card aus heutiger Sicht überschritten? Wenn ja, um wie viel? Die anfallenden Kosten liegen unterhalb des Anfang des Jahres 2009 abgeschätzten Rahmens (vergleiche Drs. 19/2573). Gründe hierfür sind unter anderem die deutlich gesunkenen Kosten für die benötigten Chipkarten. Hier wirkt sich die gemeinsame Beschaffung aller eTicketing-Regionen, auf Basis des gemeinsamen Standards, positiv aus. 14. In welcher Form wurden vor der Entscheidung der HVV-Card Kosten und Nutzen gegeneinander bewertet und abgewogen? Bitte den Abwägungsvorgang beziehungsweise die Kosten-Nutzen-Analyse ausführlich darlegen. Es wurde eine qualitative Nutzenanalyse und eine Kapitalwertanalyse durchgeführt. Bei der qualitativen Nutzenanalyse wurden die unter der Antwort zu 1. dargestellten Nutzen analysiert. Für die Kapitalwertrechnung wurden alle entfallenden und neu hinzukommenden Prozesse mit ihren jeweiligen Kosten und Einnahmeeffekten bewertet. Drucksache 21/10532 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 15. Welche Gremien haben den Entscheidungsvorgang begleitet und letztendlich über die Einführung beschlossen? Für dieses Projekt gibt es beim HVV einen Lenkungskreis sowie diverse fachliche Arbeitsgruppen. Die Entscheidung über die Einführung des eTicketing wurde im Unternehmensbeirat und im HVV-Aufsichtsrat getroffen. Die Bürgerschaft wurde über das Projekt informiert (siehe Drs. 19/2573). 16. Wann wird aus aktueller Sicht die vollständige Einführung der HVV-Card nunmehr abgeschlossen sein? Nach jetzigem Planungsstand wird die Einrichtung der Infrastruktur bis zum Sommer des Jahres 2018 abgeschlossen sein. Ausgenommen davon ist die Umstellung der von den Landkreisen finanzierten Schülerabonnements im HVV-Umland, die erst nach Abschluss der Umstellung in Hamburg realisiert werden soll. Für jedes am Großkundenabonnement angeschlossene Unternehmen muss jeweils einzeln das Verfahren umgestellt werden. Für diesen Bereich ist ein dreijähriger Umstellungsprozess geplant.