BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10539 21. Wahlperiode 06.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 29.09.17 und Antwort des Senats Betr.: Muslimische Intensivtäter in Hamburg – Wie ist die Situation im September 2017? Seit vielen Jahren ist in Deutschland die Straftäterkategorie des „Intensivtäters “ bekannt. Obwohl man diesen Begriff in jedem Bundesland verschieden auffasst, lässt sich sagen, dass er vorwiegend für Personen verwendet wird, die mehrfach durch Straftaten und ordnungswidrige Handlungen in Erscheinung getreten sind. Im deutschen Kriminologie-Lexikon wird der Intensivtäter wie folgt definiert: „Mehrfach- bzw. Wiederholungstäter, die in einem begrenzten Zeitabschnitt mehrfach kriminell in Erscheinung treten. Intensivtäter unterscheiden sich von den so genannten intermittierenden, d.h. nur gelegentlich deliktisch handelnden, Rückfalltätern durch eine besonders hohe Sozialgefährlichkeit aufgrund von Art, Schwere und Häufigkeit der verübten Straftaten. Der Begriff des Intensivtäters steht damit im systematischen Zusammenhang mit dem des Rückfalltäters im kriminologischen Sinn und mit dem des Hangtäters im Sinne des § 66 StGB.“1 Typischerweise handelt es sich bei Intensivtätern fast ausschließlich um männliche Jugendliche.2 Die Jugendkriminalität in Deutschland zeichnet vor allem dadurch aus, dass sie seit Jahren einen bedeutenden Anteil an der Gesamtkriminalität hat. 2010 lag die sogenannte Tatverdächtigtenbelastungsziffer (TVBZ)3 bei Heranwachsenden (Personen im Alter von 18 – 20 Jahren) mit 7.000 heranwachsenden Tatverdächtigen auf 100.000 Heranwachsende um ein Vielfaches höher als bei Erwachsenen.4 Auch Jugendliche (14 – 17 Jahre) und Jungerwachsene (21 – 24 Jahre) wiesen hier eine bedeutend höhere Kriminalität als Erwachsene auf.5 Ein weiteres Merkmal der Jugendkriminalität ist in einem signifikanten Anstieg von Gewaltdelikten (Körperverletzungsdelikte sowie Vergewaltigung/sexuelle Nötigung) zu sehen. So lag im Jahr 2010 der Anteil der Tatverdächtigen unter 21 Jahren an der Gewaltkriminalität6 mit über 40 Prozent weit über dem Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtkriminalität.7 1 Confer Krimlex: Intensivtäter. Abrufbar unter: ttp://www.krimlex.de/ artikel.php?BUCHSTABE=&KL_ID=89. 2 Confer Jugendliche Migranten – muslimische Jugendliche. Gewalttätigkeit und geschlechterspezifische Einstellungsmuster. Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren , Frauen und Jugend. Oktober 2010. Seite 8. 3 Um die sogenannte Kriminalitätsbelastung von Bevölkerungsgruppen (Alter, Geschlecht, Nationalität ) zu vergleichen, wird die Zahl der Täter mit der jeweiligen Bevölkerungszahl in Relation gesetzt (Tatverdächtigenbelastungsziffer TVBZ). 4 Confer Jugendliche Migranten – muslimische Jugendliche. Seite 9. 5 Confer ibidem. 6 Dies umfasst die Delikte Mord und Totschlag, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Raub, gefährliche und schwere Körperverletzung sowie schwerer Diebstahl. 7 Confer Jugendliche Migranten – muslimische Jugendliche. Seite 11. Drucksache 21/10539 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Darüber hinaus kann man feststellen, dass ausländische Tatverdächtige bis heute überproportional hoch in der Kriminalitätsstatistik vertreten sind. Dies gilt in besonderem Maße für Delikte aus dem Bereich der Gewaltkriminalität. Im Jahr 2010 hatten hier allein türkische Staatsbürger einen Anteil von 23 Prozent.8 Das Kriminalforschungsinstitut Niedersachsen (KFN), das seit Jahren Studien zu Jugendkriminalität durchführt, kommt zu dem Schluss, dass eine wesentliche Ursache für die bei Migrantenjugendlichen weit verbreitete Gewalttätigkeit in „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen“ liegt, die vor allem bei Jugendlichen aus Arabien/Nordafrika, der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und Albanien auf Zustimmung stieße.9 Schließlich konnte das KFN eine Korrelation von ausgeprägter Gewaltaffinität bei Jugendlichen und dem Bekenntnis zum Islam nachweisen.10 Demnach sind muslimische Jugendliche eher dazu bereit, Gewalt gegen andere anzuwenden, als Personen derselben Altersgruppe, die nicht aus islamischen Kulturkontexten stammen. Die obigen Zusammenhänge bilanzierend lässt sich sagen, dass es sich bei der Kategorie des Intensivtäters um ein Phänomen handelt, das eng mit der Jugendkriminalität verbunden ist. Ferner ist wissenschaftlich erwiesen, dass Intensivtäter überdurchschnittlich oft Taten der Gewaltkriminalität begehen – eine Deliktkategorie, die sich nachweislich durch einen überproportional hohen Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger auszeichnet.11 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ) ist die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen (TV), errechnet auf 100.000 Einwohner des entsprechenden Bevölkerungsanteils, jeweils ohne Kinder unter acht Jahren (Stichtag ist der 1. Januar des jeweiligen Berichtsjahres). Eine Problematik bei der TVBZ ergibt sich aus einem doppelten Dunkelfeld. Zum einen sind in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht angezeigte Straftaten nicht erfasst (Dunkelfeld der nicht angezeigten Straftaten) und zum anderen sind Angehörige der Stationierungsstreitkräfte, ausländische Durchreisende, Touristen, Besucher und grenzüberschreitende Berufspendler sowie Nichtdeutsche, die sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, in der Bevölkerungsstatistik der Bundesrepublik Deutschland nicht enthalten. Straftaten, die von dem in der Bevölkerungsstatistik nicht enthaltenen Personenkreis begangen wurden, werden aber in der Polizeilichen Kriminalstatistik gezählt. Über das Dunkelfeld nicht angezeigter Straftaten hinaus bleiben auch die Täter der unaufgeklärten Fälle unberücksichtigt. Die TVBZ kann daher nicht die tatsächliche, sondern allenfalls die von der Polizei registrierte Kriminalitätsbelastung der Bevölkerung oder einzelner Teilgruppen wiedergeben. Die erhöhte TVBZ für nicht deutsche TV ist neben dem oben genannten Verzerrungsfaktor in der Bevölkerungsstatistik auch auf demografische und soziale Faktoren zurückzuführen. Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlich. Zudem leben Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft eher in Großstädten, gehören zu einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger 8 Confer ibidem. 9 Confer Jugendliche Migranten – muslimische Jugendliche. Seiten 21 – 22. 10 Dies erfolgte auf der Grundlage einer Schülerbefragung. Confer ibidem. Seite 25. 11 Hierzu siehe auch die Straftatenübersicht Januar bis Dezember 2015/2016 und Taterverdächtigenübersicht 2016 der polizeilichen Kriminalstatistik Hamburg 2016. Abrufbar unter: http://www.hamburg.de/contentblob/8118712/8be035e95ac66f27bef287e274abcb27/data/ 2017-02-08-bis-pm-dl-straftaten-taeter-pks.pdf. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10539 3 arbeitslos. Dies und eine höhere Anzeigebereitschaft gegenüber Migranten führen zu einem höheren Risiko, als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden. Eine erhöhte TVBZ bei den Jugendlichen und Heranwachsenden erklärt sich auch durch die Alters-Kriminalitäts-Kurve. Sie besagt, dass bei Jugendlichen und Heranwachsenden kriminalitätsfördernde Faktoren überwiegen, mit zunehmenden Alter jedoch kriminalitätshemmende Faktoren, wie bessere ökonomische Situation (fester Arbeitsplatz) oder Familiengründung, wirken. Im Langzeitvergleich der letzten 20 Jahre (Ausnahme 2014) bildet sich ein kontinuierlicher Rückgang der TVBZ sowohl für die Heranwachsenden als auch für die Jugendlichen ab. Die TVBZ eignet sich um die Kriminalitätsbelastung von Bevölkerungsgruppen zu vergleichen. Sie beschreibt jedoch nicht die Anteile an der Gesamtzahl der erfassten Tatverdächtigen. Diese Anteile sind aus den absoluten TV-Zahlen zu berechnen. Im Zehn-Jahres Verlauf 2007-2016 sind zunächst bis 2013 sinkende Anteile der jugendlichen TV (8,4 Prozent) als auch der heranwachsenden TV (8,8 Prozent) an allen TV zu verzeichnen. Seitdem gibt es bei den Jugendlichen einen schwankenden Verlauf (aktuell im Jahr 2016: 8,5 Prozent) und bei den heranwachsenden TV einen leicht zunehmenden Verlauf (aktuell: 9,6 Prozent). Der Anteil der TV unter 21 Jahren (TVu21) ist bei den mit Gewaltkriminalität erfassten TV auch in Hamburg höher als ihr Anteil an allen TV. Im Jahr 2010 waren 37,6 Prozent der mit Gewaltkriminalität erfassten TV unter 21 Jahre alt, im Jahr 2016 nur noch 30,1 Prozent. Für die Gesamtkriminalität (alle TV) sind die Anteile 23,3 Prozent für 2010 und 21,5 Prozent für 2016. Bei den TV mit Gewaltdelikten lag der Anteil der TV mit türkischer Staatsangehörigkeit im Jahr 2010 bei 8,7 Prozent, im Jahr 2016 bei 5,4 Prozent. Der Anteil der nichtdeutschen TV an allen TV mit Gewaltdelikten betrug für das Jahr 2016 47,0 Prozent. Er ist damit etwas niedriger als der Anteil der nicht deutschen TV an der Gesamtkriminalität (alle TV), der 47,4 Prozent betrug. Die Entwicklung der TV, auch der nicht deutschen TV, ist in der Darstellung der PKS-Zahlen 2016 ausdrücklich angesprochen worden. Die Aussagen aus den Dunkelfeldstudien stimmen grundsätzlich. Es ist jedoch anzumerken , dass die genannte Schülerbefragung des KFN bereits im Jahr 2010 veröffentlicht wurde und die Daten noch einige Jahre älter sind. In der aktuell veröffentlichten Schülerbefragung mit Daten aus den Jahren 2013 – 2015 finden sich keine entsprechenden Aussagen, unter anderem auch weil es andere Befragungsschwerpunkte gab. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Personen werden derzeit in Hamburg als Intensivtäter geführt? Bitte auch Angaben machen zu: Zum Stichtag 2. Oktober 2017 sind bei der Polizei Hamburg 553 Personen als Intensivtäter ausgeschrieben. a) Alter; Für die Beantwortung der Fragestellung wäre eine händische Auswertung im Sinne der Fragestellung zu allen 553 Personen erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b) Geschlecht; Geschlecht männlich weiblich Anzahl 527 26 c) Ethnischem Hintergrund; Daten im Sinne der Frage werden von der Polizei nicht erfasst. Drucksache 21/10539 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d) Herkunftsland; Herkunftsland Anzahl Afghanistan 15 Ägypten 12 Albanien 3 Algerien 15 Aserbeidschan 2 Belarus 1 Brasilien 4 Bulgarien 6 Deutschland 376 Dominikanische Republik 1 Eritrea 2 Ghana 2 Guinea-Bissau 2 Irak 4 Iran 3 Italien 1 Jordanien 2 Kasachstan 2 Kosovo 1 Kuba 1 Litauen 1 Marokko 20 Mazedonien 5 Moldau 1 Montenegro 3 Niger 3 Polen 11 Portugal 3 Russische Föderation 6 Schweden 1 Serbien 1 Serbien und Montenegro 3 Somalia 6 Spanien 1 Syrien 3 Tunesien 1 Türkei 8 Ukraine 3 staatenlos 1 unbekannt 17 e) Staatsangehörigkeit; Staatsangehörigkeit Anzahl afghanisch 19 ägyptisch 14 albanisch 3 algerisch 15 aserbeidschanisch 2 bosnisch-herzegowinisch 4 brasilianisch 3 bulgarisch 5 deutsch 318 dominikanisch (Republik) 1 eritreisch 2 ghanaisch 2 griechisch 3 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10539 5 Staatsangehörigkeit Anzahl guineisch (Guinea-Bissau) 1 irakisch 1 iranisch 5 irisch 1 italienisch 3 ivorisch 1 jordanisch 2 kolumbianisch 1 kroatisch 2 lettisch 1 marokkanisch 23 mazedonisch 9 montenegrinisch 12 nigerianisch 1 nigrisch 3 pakistanisch 1 polnisch 11 portugiesisch 6 rumänisch 1 russisch 3 serbisch 17 serbisch-montenegrinisch 2 somalisch 6 spanisch 1 syrisch 3 togoisch 1 tunesisch 3 türkisch 34 staatenlos 1 ungeklärt 6 f) Art der Kriminalität; Die Polizei schreibt grundsätzlich Personen zum Intensivtäter aus, wenn sie im Verdacht stehen, an folgenden rechtswidrigen Taten beteiligt gewesen zu sein: Raub/räuberische Erpressung, Schwerer Diebstahl, sonstige Gewaltdelikte gegen Personen, die sich durch besondere Brutalität auszeichnen , insbesondere, wenn sie unter Waffengewalt begangen wurden oder im unmittelbaren Zusammenhang mit Gruppen- oder Szenegewalt stehen, Taten, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung besonders beeinträchtigen. g) Zahl der laufenden Ermittlungsverfahren; Für die Beantwortung der Fragestellungen wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher gegen die 553 Personen geführten Ermittlungsverfahren erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. h) Bisher verhängten Strafen (inklusive Gefängnisaufenthalte). Eine Auswertung der 553 Personaldatensätze von polizeilich registrierten Intensivtätern danach, welche Strafen gegen diese verhängt worden sind und ob gegebenenfalls Gefängnisaufenthalte stattgefunden haben, ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie hoch fällt der Anteil der sogenannten unbegleiteten männlichen Flüchtlinge an der Gruppe der Intensivtäter aus? Drucksache 21/10539 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Zum Stichtag 2. Oktober 2017 sind bei der Polizei Hamburg 15 unbegleitete minderjährige Ausländer als Intensivtäter ausgeschrieben. Ob es sich hierbei jedoch tatsächlich um unbegleitete männliche Ausländer im Sinne der Fragestellung handelt oder ob sich unter den als Intensivtäter geführten 553 Personen weitere unbegleitete männliche Ausländer befinden, ist nicht gesichert, da die abschließende Einordnung von der Ausländerbehörde vorgenommen werden müsste. Dies ist jedoch innerhalb der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, weil dazu mehr als 200 Ausländerakten der infrage kommenden Intensivtäter beigezogen und händisch danach ausgewertet müssten, ob ein Asylverfahren anhängig war oder ist und ob es sich bei der Person zum Zeitpunkt der Einreise um einen unbegleiteten Minderjährigen handelte. a) Wie viele dieser Personen sitzen bereits in Haft? Nach den Erkenntnissen der Polizei: vier der 15 unter 2. aufgeführten Personen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. b) Wie viele dieser Personen sind derzeit auf freiem Fuß? Nach den Erkenntnissen der Polizei: elf Personen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. c) In wie vielen Fällen beziehungsweise inwieweit wirkt sich die Kriminalität der Betroffenen auf das laufende Asylverfahren aus? Siehe Drs. 21/8122 und 21/10294.