BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10561 21. Wahlperiode 10.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 04.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Kollabiert Hamburgs Justizvollzug? Die Plätze in Hamburgs Justizvollzugsanstalten sind seit Monaten äußerst knapp. Am 31. Juli 2017 kamen auf 316 Plätze, die in der Untersuchungshaftanstalt für Männer zur Verfügung stehen, 339 Insassen, Drs. 21/10026. Mittlerweile soll es immer mehr Doppelbelegungen geben, obwohl § 13 des Hamburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes vorschreibt, dass Gefangene in Hafträumen einzeln unterzubringen sind und Ausnahmen nur bei hilfsbedürftigen Personen zulässig sind. Auch sollen zwischenzeitlich Stationen im Zentralkrankenhaus zweckentfremdet genutzt werden und die Beobachtungsstation für auffällige und suizidgefährdete Gefangene überbelegt sein. Diese Zustände sind unhaltbar und stellen für Bedienstete und Gefangene gleichermaßen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die gegenwärtig reduzierte tatsächliche Belegungsfähigkeit der Untersuchungshaftanstalt (UHA) wird sich nach Abschluss der Baumaßnahmen wieder deutlich erhöhen. Auch weiterhin bestehen – neben anderen Entlastungsmöglichkeiten – in den Justizvollzugsanstalten Kapazitäten durch Stationen, die in der Vergangenheit infolge des Rückgangs der Gefangenenzahlen stillgelegt wurden und die bei Bedarf reaktiviert werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist auch aktuell nicht zu befürchten, dass die Kapazitäten nicht ausreichen. Im Übrigen findet eine kontinuierliche Verstärkung des Personalbestandes statt. Die Personalbedarfsplanung im Justizvollzug wird jährlich fortgeschrieben. Elementarer Bestandteil der mittel- und langfristigen Verbesserung der Situation ist die kontinuierliche Ausbildung von bis zu 100 Anwärterinnen und Anwärtern im Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) pro Jahr. Die Ausbildungsanstrengungen wurden im Jahr 2013 wieder aufgenommen und werden seit 2015 deutlich verstärkt. Im Jahr 2013 startete ein AVD-Lehrgang, im Jahr 2014 begannen bereits zwei Lehrgänge, in 2015 drei und in 2016 vier Lehrgänge. Im laufenden Jahr sind erneut vier Lehrgänge geplant. Für die Jahre 2018 und 2019 sind bis zu fünf Lehrgänge mit jeweils 20 Anwärterinnen und Anwärter geplant. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist es richtig, dass es in der Untersuchungshaftanstalt Doppelbelegungen gibt? Falls ja, a. seit wann werden Hafträume doppelt belegt und wie viele Hafträume wurden seitdem doppelt belegt? Drucksache 21/10561 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Seit März 2017 wurden – jedoch zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig – sechs und seit September 2017 weitere 27 Hafträume in der Untersuchungshaftanstalt doppelt belegt. b. bei wie vielen der Gefangenen handelte es sich um hilfsbedürftige Personen im Sinne des § 13 HmbUVollzG? Siehe Drs. 21/10543 2. Ist es richtig, dass Stationen im Zentralkrankenhaus zweckentfremdet genutzt werden? Falls ja, a. seit wann werden welche Stationen in welcher Form genutzt? Seit Ende August 2017 werden die zuvor teilweise leer stehenden Räumlichkeiten der Station Zentralkrankenhaus (ZKH) 3 für die Unterbringung von weiblichen Gefangenen und seit Ende August 2015 die zuvor leer stehende und geschlossene Station ZKH 6 für die Unterbringung von männlichen Gefangenen genutzt. b. wie viele und welche Gefangene (männlich/weiblich) wurden seitdem dort untergebracht? Im erfragten Zeitraum wurden 40 weibliche Gefangene auf der Station ZKH 3 und 42 männliche Gefangene auf der Station ZKH 6 untergebracht. c. zu welchen Auswirkungen führt dies für die Bediensteten und sonstigen Mitarbeiter sowie für die Gefangenen? Die Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung zwischen Pflegedienst und Vollzugsdienst wurde für das ZKH anlässlich der Fremdnutzung neu geregelt. Die anfallenden Aufgaben wie zum Beispiel die Medikamentenvergabe und Notlichtbearbeitung, die Freistundenregelung, Hol- und Bringedienste für Termine, Besuche, Entlassungen, Haftraumrevisionen, Essenausgabe pp. werden im Sinne von § 91 Absatz 2 des Hamburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes (HmbUVollzG) gemeinsam erbracht, wonach die verschiedenen Berufsgruppen in enger Zusammenarbeit an der Aufgabe des Vollzuges mitwirken. Dies trägt maßgeblich zu einer Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit bei. Die Untersuchungsgefangenen schätzen die Unterbringung im Vollzugskrankenhaus, weil die Hafträume und die Fensterflächen größer sind und ein abgetrennter Sanitärbereich und ein Fernseher vorhanden sind. 3. Wie beurteilt die zuständige Behörde diese Umstände, insbesondere im Hinblick auf § 13 HmbUVollzG, und mit welchen Maßnahmen will sie wieder ordnungsgemäße Zustände herstellen? Siehe Vorbemerkung. 4. Wie viele Plätze stehen auf der Beobachtungsstation für auffällige und suizidgefährdete Gefangene zur Verfügung? Wie war die Auslastung der Beobachtungsstation jeweils zum Stichtag 1. August 2017, 15. August 2017, 1. September 2017 und 15. September 2017 sowie 1. Oktober 2017? Es stehen 21 Beobachtungshafträume zur Verfügung, drei besonders gesicherte Hafträume , ein Haftraum mit einem Fesselbett, und ein schallgeminderter Haftraum. Die Auslastung stellt sich wie folgt dar: Stichtag Belegung der Beobachtungsstation 01.08.2017 12 15.08.2017 14 01.09.2017 17 15.09.2017 20 01.10.2017 13 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10561 3 5. Gab es seit August 2017 auffällige oder suizidgefährdete Gefangene, die aus Platzgründen nicht auf der Beobachtungsstation untergebracht werden konnten? Falls ja, wie viele und wie wurde jeweils mit ihnen verfahren? Nein. 6. Gab es seit Beginn des Jahres auch in anderen Justizvollzugsanstalten Doppelbelegungen? Falls ja, in welchen Justizvollzugsanstalten für jeweils welche Zeiträume und wie viele Gefangene? In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor gibt es Mehrfachunterbringungen gemäß § 20 Nummer 2 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) und zwar 16 Hafträume mit zwei Haftplätzen, drei Hafträume mit fünf Haftplätzen, elf Hafträume mit sechs Haftplätzen und fünf Hafträume mit acht Haftplätzen. Nach Abschluss der Sanierung einschließlich der Errichtung eines Neubaus wird es in der JVA Glasmoor nur noch Gemeinschaftsunterbringungen mit zwei Haftplätzen geben. 7. Gab es seit Beginn des Jahres in anderen Justizvollzugsanstalten auffällige oder suizidgefährdete Gefangene, die aus Platzgründen nicht auf der Beobachtungsstation untergebracht werden konnten? Falls ja, wie viele in jeweils welcher JVA? Nein.