BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10573 21. Wahlperiode 13.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 05.10.17 und Antwort des Senats Betr.: G20 – SoKo „Schwarzer Block“ setzt Gesichtserkennungssoftware ein Die Sonderkommission (SoKo) „Schwarzer Block“ wurde von der Hamburger Polizei eingerichtet, um Straftaten rund um den G20 Gipfel aufzuklären. 180 Beamte/-innen arbeiten in der SoKo, darunter auch Beamte/-innen aus anderen Bundesländern und dem Bund. In einer Pressekonferenz (PK) zur Arbeit der SoKo am 27.09.2017 erklärte die Hamburger Polizei, unter anderem eine zweistellige Terabyte-Zahl an Daten auswerten zu wollen. Aus Überwachungskameras in Bussen, Bahnen und Bahnhöfen seien an die hundert Festplatten sichergestellt worden, hinzu kämen eine Vielzahl an Videos der Polizei und solche, die von Bürgern/ -innen eingeschickt oder sichergestellt worden seien. Ein wichtiges Projekt der SoKo scheint die Entwicklung einer recherchierfähigen IT-Lösung zu sein, mittels derer Verdächtige ermittelt werden können. Die SoKo kündigte an, auch Gesichtserkennungssoftware verwenden und Geodaten verknüpfen zu wollen. Seit mehr als einem Jahr arbeitet die Hamburger Polizei mit anderen Kooperationspartnern /-innen an einem Projekt mit dem Namen PERFORMANCE, dass die (teil-)automatisierte Analyse von Videos ermöglichen soll. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Sonderkommission (SoKo) „Schwarzer Block“ liegt aus unterschiedlichsten Quellen Bild- und Videomaterial mit mehreren Terabyte Daten vor. Die Polizei muss für Zuordnungen dieser Daten als Beweismaterial für einzelne Ermittlungsverfahren Möglichkeiten zu deren strukturierten Auswertung erhalten. Als Unterstützung für die erforderlichen Auswertungen arbeitet die Polizei Hamburg derzeit an einem Recherchetool mit zwei Komponenten: 1. Erfassung von Geodaten des vorhandenen Bild- und Videomaterials und 2. Ermöglichung einer georeferenzierten Suche nach verorteten Daten. Die Polizei erhält hierdurch Möglichkeiten, zusätzliche Hinweise auf weitere Bild- und Videodaten mit übereinstimmenden oder angrenzenden Bedingungen hinsichtlich Zeit und/oder Örtlichkeit zu recherchieren. Es handelt sich dabei um Anpassungen bereits bei der Polizei Hamburg eingesetzter Produkte und nicht um Neuentwicklungen. Drucksache 21/10573 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Darüber hinaus ist eine technische Unterstützung der SoKo „Schwarzer Block“ bei der Auswertung ausgewählter Bild- und Videomaterialien hinsichtlich der Ähnlichkeit von Merkmalen beabsichtigt. Die Entwicklungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Fertige polizeiliche oder industrielle Entwicklungen mit an die Bedarfe der Ermittlungsarbeit der SoKo „Schwarzer Block“ angepassten Lösungsansätzen für Auswertungen des vorhandenen Bildmaterials existieren derzeit nicht. Nach den Erkenntnissen der Polizei stellt das unter Federführung des Fraunhofer- Instituts laufende Forschungsprojekt „Performance“ derzeit lediglich einen ganzheitlichen Forschungsansatz zur Erfassung, Archivierung und Auswertung von Bildmaterial unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, rechtlicher und technischer Fragestellungen dar. Die Polizei Hamburg ist mit einem Mitarbeiter an dem Forschungsprojekt beteiligt. Eine Softwarelösung, basierend auf „Performance“, liegt aktuell nicht vor und kann somit auch von niemandem eingesetzt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. An was für einem „Recherchetool“ (Jan Hieber in der PK) wird derzeit gearbeitet? Siehe Vorbemerkung. 2. Wer arbeitet neben der IT-Abteilung der Hamburger Polizei an dem „Recherchetool “? a. Welche Firmen und Institute sind daran jeweils in welcher Form beteiligt? Eine Unterstützung der Polizei erfolgt im Rahmen bestehender Serviceverträge zu den vorhandenen Produkten durch die Firma Environmental Systems Research Institute (ESRI) Deutschland hinsichtlich der erforderlichen Komponenten zur Erfassung der Geodaten, Firma Microsoft Deutschland betreffend georeferenzierten Suchkomponenten. b. War in der PK die Systemplattform PERFORMANCE gemeint? c. Wenn nein, warum reicht PERFORMANCE nicht aus? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie hoch werden derzeit die Kosten für die Entwicklung der IT-Lösung eingeschätzt? Welche Kooperationspartner/-innen tragen welchen Anteil? Die Polizei veranschlagt derzeit Kosten in Höhe von etwa 46.000 Euro. Alle Kosten für die IT-Unterstützung der SoKo „Schwarzer Block“ trägt allein die Polizei Hamburg. Kooperationspartner werden nicht beteiligt. 4. Welche Ziele werden mit ihrer Entwicklung verfolgt? Bitte genau beschreiben. Erforderliche Verknüpfungen von Beweismitteln und Ermittlungsverfahren sollen realisiert werden; im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Dient die Software „nur“ zum Auffinden einzelner Personen im gesamten Video- und Fotomaterial oder werden andere/weitere Zwecke erfüllt? Wenn ja, welche? Das Recherchetool dient der Verfolgung von Straftaten. Eine Identifizierung der Straftäter erfolgt nicht unmittelbar durch die Software, sondern in weiteren Schritten durch den Sachbearbeiter. 6. Welche Datenquellen sollen durchsucht werden? Bei den Datenquellen handelt es sich um: polizeiliches Beweis- und Dokumentationsmaterial, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10573 3 Bild- und Videomaterial, das von Personen im Hinweisportal der Polizei hochgeladen wurde, Material aus Überwachungskameras des öffentlichen Personennahverkehrs, Filmmaterial von Fernsehsendern, anderen offen zugänglichen Quellen (Internet). 7. Inwiefern ist geprüft worden, ob diese Ziele auch mit anderen Mitteln oder bereits existierenden IT-Lösungen erreicht werden können? Bitte beschreiben. Die Vorgehensweise der Polizei baut auf bereits in Hamburg genutzten IT-Verfahren und -Systemen auf; nach Auffassung der Polizei handelt es sich dabei um die wirtschaftlichste Lösung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Welches technische Verfahren wird eingesetzt? Bitte beschreiben. Für die Erfassung der Geodaten wurde im Produkt „Portal for ArcGIS“ (GeoPortal der Polizei Hamburg) eine Webapplikation entwickelt. Für die Suche wird im Produkt „Aktuelles Lageinformationssystem“ (ALIS) 4.0 InfoCenter auf Basis einer klassischen SQL-Datenbank ein geschlossenes Datenlager generiert, das mit einer im Produkt ALIS bereits vorhandenen Webapplikation ausgewertet werden kann. Beide Verfahren sind nur berechtigten Nutzern verfügbar; im Übrigen siehe Vorbemerkung . 9. Auf welcher Rechtsgrundlage geschieht die Entwicklung der IT-Lösung? Bei der Entwicklung des Recherchetools sind die geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten; eine weitere explizite Rechtsgrundlage ist nicht erforderlich. 10. In welcher Form ist oder war der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) einbezogen? Wenn ja, bitte Stellungnahme anhängen. Die Polizei hat den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) gemäß § 23 Absatz 4 Satz 2 Hamburger Datenschutzgesetz am 21. September 2017 über die bei der SoKo „Schwarzer Block“ beabsichtigte Erprobung einer Software zur Auswertung ausgewählter Bild- und Videomaterialien hinsichtlich der Ähnlichkeit von Merkmalen unterrichtet und den HmbBfDI zu einer Präsentation dieser Software am 11. Oktober 2017 eingeladen. Eine Stellungnahme des HmbBfDI liegt der Polizei noch nicht vor. 11. Welche Datenbanken sollen zum Abgleich der Fotos eingesetzt werden? Keine. a. Werden auch Daten der Meldeämter verknüpft? b. Werden polizeiliche Datenbanken verknüpft? Nein. 12. Bei welchen Ermittlungen soll die Technologie eingesetzt werden? a. Gibt es Beschränkungen? Wenn ja, welche? b. Soll die Technologie auch außerhalb der G20-Ermittlungen eingesetzt werden? Die Polizei beabsichtigt, das Recherchetool derzeit nur bei den strafrechtlichen Ermittlungen der SoKo „Schwarzer Block“ im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse einzusetzen . Drucksache 21/10573 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 13. Welche bisherigen Erfolge haben Einsätze vergleichbarer Technologien gezeitigt? Der Polizei sind vergleichbare Technologien nicht bekannt, daher kann die Frage nicht beantwortet werden; im Übrigen siehe Vorbemerkung.