BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10592 21. Wahlperiode 13.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 06.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Errichtung einer Präventionsstelle und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte , Jugendleiter und Mitarbeiter/-innen der Jugendämter Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Koalitionspartner richten eine Präventionsstelle ein, die insbesondere Schulen, Vereine und Jugendzentren informieren und beraten kann, wenn eine Radikalisierung Einzelner droht. Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter erhalten Angebote zur Fortbildung gerade auch im Umgang mit Erscheinungsformen des Islamismus. Jugendleiter werden auch im Umgang mit den Gefahren von scheinbar religiös motiviertem Extremismus geschult.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wurde die Präventionsstelle, die insbesondere Schulen, Vereine und Jugendzentren informieren und beraten kann, wenn eine Radikalisierung Einzelner droht, eingerichtet? Wenn ja, wann, wie wird darüber informiert und wie viele Beratungen wurden bislang von Schulen, Vereinen und Jugendzentren jeweils in Anspruch genommen? Wenn nein, weshalb nicht und wann soll dies geschehen ? Ja, die Beratungsstelle Legato – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierungen wurde als ergänzendes Angebot zu den Regelsystemen zum 1.07.2015 eingerichtet und berät seither insbesondere Angehörige sowie Fachkräfte und weitere Schlüsselpersonen , wenn eine Radikalisierung Einzelner im Raum steht. Siehe hierzu insbesondere Drs. 21/1104, Drs. 21/5039, Drs. 21/9440, Drs. 21/10107 sowie Drs. 21/10481. Die Beratungsstelle Legato zählt Fälle sowie Beratungsgespräche, in deren Rahmen auch mehrere unterschiedliche Funktionsträger (zum Beispiel Lehrerin/ Lehrer und Fachkraft eines Jugendzentrums) gemeinsam fallbezogen beraten werden können. Die Daten im Sinne der Fragestellung werden nicht erhoben. Die Beratung der Hamburger Schulen und Lehrkräfte wird darüber hinaus durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) verantwortet. Die Einzelfallberatung und Intervention für Fälle aus den allgemeinbildenden Schulen wird durch die Beratungsstelle Gewaltprävention, für die beruflichen Schulen vom Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) bearbeitet. Bei Beratungsanfragen aus den Schulen wird im Zusammenhang mit Verdachtsfällen von religiösem Extremismus regelhaft die Möglichkeit der Beratung durch die Beratungsstelle Legato geprüft. 2. Welche Veranstaltungen wurden seit 2015 für Lehrer/-innen sowie Mitarbeiter /-innen der Jugendämter zur Fortbildung gerade auch im Umgang mit Erscheinungsformen des Islamismus jeweils jährlich angeboten und wie viele Lehrer/-innen sowie Mitarbeiter/-innen der Jugendämter haben daran jeweils teilgenommen? Drucksache 21/10592 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Fortbildungsveranstaltungen werden nicht nur von der Beratungsstelle Legato durchgeführt . Das Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) bietet Schulungen für Beschäftigte der Behörden, Ämter und Landesbetriebe an. Die Fortbildung der Hamburger Schulen und Lehrkräfte wird durch das Landesinstitut für LI verantwortet. Für sozialpädagogische Fachkräfte bietet das Sozialpädagogische Fortbildungszentrum (SPFZ) Fortbildungen an. Zudem wurden in bezirklicher Verantwortung Informationsveranstaltungen zur Beratungsstelle Legato sowie Fortbildungen umgesetzt; die Anzahl der Teilnehmenden der bezirklichen Jugendämter wurde nicht dokumentiert. Darüber hinaus bieten weitere (auch bundesweit agierende) Präventionsprojekte und Bildungsträger Veranstaltungen an. Fortbildungen richten sich zudem auch an weitere Zielgruppen . Eine Gesamtübersicht über alle Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter im Sinne der Fragestellung wird statistisch nicht erhoben. Das ZAF hat folgende Fortbildungen angeboten, aufgeführt werden auch islambezogene Fortbildungen, in denen es im Sinne der Prävention auch Erscheinungsformen des Islamismus behandelt werden: Jahr Veranstaltungen/Themen Teilnehmende aus bezirklichen Jugendämtern 2015 Islam im Arbeitsalltag (drei Veranstaltungen) Islam im Arbeitsalltag – Aufbauseminar (eine Veranstaltung ) 0 2016 Islam im Arbeitsalltag (vier Veranstaltungen) 4 2017 (bis einschließ - lich 09/17 Islamistische Tendenzen bei Jugendlichen erkennen und handeln (eine Veranstaltung) Die Vielgestaltigkeit des Islams (zwei Veranstaltungen) Islam im Alltag (vier Veranstaltungen) Islam im Arbeitsalltag – Aufbauseminar (vier Veranstaltungen ) 12 1 2 3 Das LI bietet eine Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen zu Erscheinungsformen des Islamismus und zur schulischen Prävention von Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit an. Die Themen werden inhaltlich und methodisch auf die jeweilige Anfrage zugeschnitten, zum Beispiel: „Islamismus und Islamfeindlichkeit erkennen, verstehen und begegnen“, „religiös motivierte Ablehnung der Demokratie“, „Umgang mit Islamismus und Islamfeindlichkeit in der Schule“, „Umgang mit rechtsradikalen und islamistischen Äußerungen von Schülerinnen und Schülern“, „Umgang mit religiös begründeter Radikalisierung“, „Religion(en) an der Schule – was darf, was kann, was muss sein?“, „Basissensibilisierung Islamismus“ und andere. Pro Schuljahr werden im Schnitt 20 bis 25 schulinterne Fortbildungen abgerufen, daneben gibt es eine Reihe von Veranstaltungen im Regelprogramm des LI sowie jährlich eine größere Tagung. Zu den angebotenen Fortbildungen des LI im Zeitraum 02/2015 – 2016 siehe Dr. 21/3355, im Zeitraum 02/2016 – 09/2017 wurden insgesamt 600 Lehrkräfte fortgebildet . Die Auswertung der Teilnehmerzahl je Veranstaltung ist in der für Parlamentarische Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Darüber hinaus siehe Drs. 21/1706, 21/8162 und 21/9440. Das SPFZ hat folgende Fortbildungen angeboten, aufgeführt werden auch islambezogene Fortbildungen, in denen es im Sinne der Prävention unter anderem um eine Abgrenzung zu extremistischer Religionsauslegung geht: Jahr Veranstaltungen/Themen Teilnehmende aus bezirklichen Jugendämtern 2015 Junge Muslime zwischen Islam und Islamismus Islam zwischen Tradition und Moderne Islamismus – ein Thema für den Kinderschutz und in der Erziehungsberatung 11 2 28 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10592 3 Jahr Veranstaltungen/Themen Teilnehmende aus bezirklichen Jugendämtern 2016 Junge Muslime zwischen Islam und Islamismus Islam zwischen Religion, Kultur und Lebenswelt Weltanschauliche und kulturelle Vielfalt in der Kinder- und Jugendarbeit 5 5 4 2017 Junge Muslime zwischen Islam und Islamismus „Mädchen und junge Frauen und ihre Rolle im Dschihadismus Islam zwischen Religion, Kultur und Lebenswelt (für November 2017 geplant) 2 12 8 Anmeldungen Zusätzlich zu den vom SPFZ angebotenen Fortbildungen wurden weitere Qualifizierungsmaßnahmen durch den Verein ufuq.de in bezirklicher Trägerschaft durchgeführt, bei denen die Anzahl der Teilnehmenden Fachkräfte nicht erhoben wurde. Den Workshops des Vereins ufuq.de zur Auseinandersetzung mit radikalen Strömungen im Islam, die sich an Nutzer und Nutzerinnen von Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit wenden, wurde und wird eine mehrstündige Beratung für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorangestellt. Diese Qualifikationsmaßnahmen fanden im Jahr 2015 in den folgenden Einrichtungen in bezirklicher Trägerschaft statt: Straßensozialarbeit Osdorf, Straßensozialarbeit Lurup, Jugendclub Barmbek, Haus der Jugend Wilhelmsburg sowie Jugendclub Struenseestraße statt. Im Jahr 2016 wurde der Workshop im Jugendclub Barmbek und im Jugendclub Struenseestraße wiederholt und erstmals in Eidelstedt mit mehreren Einrichtungen durchgeführt. Die Anzahl der jeweils teilnehmenden Fachkräfte und ihre institutionelle Zugehörigkeit wurden nicht erhoben. Zudem haben in Wilhelmsburg 2016 Workshops zum Thema „Umgang mit religiös gefärbten Problemlagen“ in mehreren Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit in bezirklicher Trägerschaft stattgefunden. Zur Ergänzung wurden in bezirklicher Verantwortung ab 2016 Schulungen für die Fachkräfte der Jugendhilfe und gegebenenfalls weitere Akteure eines Sozialraums entwickelt, die von dem Träger Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V. durchgeführt werden. Ziel dieser Qualifizierung ist ein besseres Zusammenwirken der Fachkräfte innerhalb eines Sozialraums bei der Prävention von und zum Umgang mit Erscheinungsformen des Islamismus. Die Maßnahmen, unter anderem eine Veranstaltung zum Thema Jugendliche und Neosalafismus – Anziehungskraft /Präventionsarbeit und Vernetzung, wurden seit 2016 mehrmals in Wilhelmsburg und seit 2017 mehrmals in Jenfeld durchgeführt. Die Anzahl der teilnehmenden Fachkräfte , die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Jugendämter sind, wurde nicht erhoben . In den Jahren 2016 und 2017 fanden darüber hinaus in den Jugendämtern Informationsveranstaltungen für Fachkräfte des ASD und der Amtsvormünder zum Thema „Religiös motivierter Extremismus“ statt. In den Jahren 2016 und 2017 nahmen jeweils 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter daran teil. 3. Welche Veranstaltungen wurden seit 2015 für Jugendleiter im Umgang mit den Gefahren von scheinbar religiös motiviertem Extremismus jährlich angeboten und wie viele Jugendleiter haben daran jeweils teilgenommen ? Die Jugendverbände beschäftigen sich im Rahmen ihrer eigenverantwortlichen Tätigkeit auch mit Themen wie dem Umgang mit religiös motiviertem Extremismus. Sie entscheiden selbst, welche Veranstaltungen sie durchführen. Bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration sind keine Mittel für Fortbildungen für Jugendleiterinnen und Jugendleiter beantragt worden, die ausschließlich auf den genannten Schwerpunkt beschränkt waren. Eine Erhebung bei allen Jugendverbänden ist im Rahmen der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.