BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10604 21. Wahlperiode 17.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 09.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Wie ist es um die Erinnerungskultur in Hamburg bestellt? Die Erinnerungskultur ist ein wichtiges Element für die fortgesetzte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands. Auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende dieses Kapitels deutscher Geschichte bleibt die Erinnerungskultur von grundlegender Bedeutung, um Rechtspopulismus sowie Ressentiments gegenüber ausländischen Mitbürgern und anderen Religionen in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken. Nach einer langen Zeit des Verschweigens und der Verdrängung, die bis in die 1970er-Jahre reichte, wird heute in Hamburg in vielfältiger Weise an die Zeit des Nationalsozialismus und die Opfer des NS-Regimes erinnert. Gegen die Anfälligkeit für „braunes Gedankengut“ ist das Wissen um die Verbrechen der Nationalsozialisten eine wichtige Voraussetzung. So ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Erinnerungskultur insbesondere jungen Menschen in der Schule nähergebracht wird. Aus einer aktuellen Umfrage der Hamburger Körber-Stiftung geht jedoch hervor, dass nur 59 Prozent der deutschen Schüler ab 14 Jahren wissen, dass Auschwitz- Birkenau ein Vernichtungslager der Nazis war. Vier von zehn Schülern kennen nicht einmal den Namen der Einrichtung, in der bis Kriegsende über 1 Million Menschen ermordet wurden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Förderung der Erinnerungskultur mit der zentralen Rolle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ist ein wichtiges Element des Landesprogramms zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus (Handlungsschwerpunkt „Anfeindungen im öffentlichen Raum begegnen“; siehe Drs. 20/9849). Das Engagement der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zur Erinnerungskultur umfasst verschiedene Formate und Angebote, die bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Die hohe Anzahl der geführten Schülergruppen (2016 waren es 1.432 Schulklassen mit 33.822 Teilnehmenden) bestätigt, dass die KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Bildungssystem als Kooperationspartner der Schulen und Bildungseinrichtungen angenommen ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Inwiefern wird die Erinnerungskultur an den Hamburger Schulen thematisiert beziehungsweise ist Bestandteil der aktuellen Lehrpläne? In welchen Fächern und Jahrgängen ist die Erinnerungskultur verbindlicher Bestandteil des Unterrichts? Drucksache 21/10604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Sind alle Hamburger Schüler verpflichtet, einmal ein KZ beziehungsweise eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen? In welchen Jahrgängen wird ein solcher Besuch durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Im Fach Geschichte ist die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands eine verbindliche inhaltliche Vorgabe für den Unterricht in den Sekundarstufen I und II; sie bildet damit auch einen Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit Elementen der Erinnerungskultur. Es ist Aufgabe der Schulen, im Rahmen ihrer einzelschulischen Selbstverantwortung die schuleigenen Curricula zu gestalten und die Bildungspläne inhaltlich zu konkretisieren . Über die schuleigenen Curricula hinaus legen die Schulen im Rahmen von Absprachen mit den jeweiligen Fachleitungen fest, in welchen Jahrgangsstufen, in welchen Fächern, in welcher didaktischen Form (zum Beispiel Zeitzeugengespräche, Thementage, Projektwochen) Aspekte der Erinnerungskultur in Schule und Unterricht berücksichtigt werden und in welchem Umfang dabei Besuche außerschulischer Lernorte (zum Beispiel Orte des Erinnerns, Gedenkstätten, Museen, Ausstellungen) in die Gestaltung der Lern- und Bildungsprozesse einbezogen werden. Leitend ist dabei der im oben genannten Rahmenplan enthaltene Hinweis: „Realbegegnungen an außerschulischen Lernorten, der Besuch von Gedenkstätten, Ausstellungen und Geschichtswerkstätten sowie das Gespräch mit Zeitzeugen machen die Gegenstände des Unterrichts für die Schülerinnen und Schüler konkret erlebbar.“ Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Erinnerungskultur orientieren sich die Schulen auch an den Hinweisen und Vorschlägen, die in den KMK-Empfehlungen „Erinnern für die Zukunft. Empfehlungen zur Erinnerungskultur als Gegenstand historisch -politischer Bildung in der Schule (Beschluss der KMK vom 11.12.2014)“ enthalten sind. Im Spannungsfeld verschiedener möglicher Deutungen von Geschichte geht es gleichermaßen um den Erwerb von historischem Bewusstsein, von Wissen, von Empathie, um die Entwicklung einer demokratischen Grundhaltung und die Förderung von Urteilsvermögen und Handlungskompetenz (siehe unter: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0ahUKEwjj hfGcn-3WAhWEIVAKHScqCEsQFggnMAA&url=http%3A%2F% 2Fwww.archivpaedagogen.de%2Ffileadmin%2Fuser_upload%2Fpdf%2FArbeitskreise %2FArchivpaedagogik%2Fb_KMK_Beschluss_Anlage.pdf&usg=AOvVaw0M8i2loPQq _Sqz3WXJpmdp). Siehe außerdem „Erinnern für die Zukunft. Deutsch-Israelische Bildungszusammenarbeit“ vom März 2015 (unter: http://www.kmk.org/fileadmin/ Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2015/israel_broschuere.pdf). 3. Werden Hamburg Schüler durch die Organisation von Führungen an Gedenkstätten sowie spezielle Veranstaltungen und Projekte aktiv mit der Erinnerungskultur konfrontiert? Ja, siehe Vorbemerkung sowie den Jahresbericht der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit Statistiken unter http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/nachrichten/news/ jahresbericht-2016/ und http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/bildung/ und Drs. 21/8807. Im Übrigen können auch von anderen Gedenkstätten unterbreitete spezielle Angebote sowie Führungen und Projekte von Schulen genutzt werden, soweit dies ihren jeweiligen Planungen und Vorhaben entspricht, siehe hierzu auch Antwort zu 1. und 2. Im Rahmen des Besuchsprogrammes des Senats für jüdische ehemalige Bürgerinnen und Bürger Hamburgs sowie deren Kinder finden stets zwei Zusammentreffen von Schülerinnen und Schülern mit Zeitzeugen und ihren begleitenden Angehörigen (zweite Generation) statt. Zur Vorbereitung dieser Treffen führt die Senatskanzlei intensive Gespräche mit den jeweiligen Lehrkräften, die ihre Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Unterrichts beziehungsweise von Projektwochen umfassend auf das Zusammentreffen mit den Zeitzeugen beziehungsweise Interviews mit der zweiten Generation vorbereiten. Die Gäste des Senats nutzen darüber hinaus außerhalb des angebotenen Programmablaufes auch die Möglichkeit, als Gast in Hamburger Schulen über ihr Schicksal oder das ihrer Eltern beziehungsweise Familienangehörigen zu Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10604 3 berichten. Interviews und Eindrücke zu den Begegnungen werden von den Schulen aufbereitet und teilweise ins Internet gestellt. 2015 nahmen zudem Schülerinnen und Schüler aus dem Schülerprojekt „Geschichtomat “, einem Projekt zur Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur in Deutschland (siehe unter www.geschichtomat.de), begleitend an der Besuchswoche teil. Die Projektergebnisse wurden online veröffentlicht. Ergänzend fördert die Senatskanzlei regelmäßig Erinnerungsprojekte, die sich speziell an Jugendliche wenden. Die Landeszentrale für politische Bildung bietet im Kontext der Erinnerungskultur insbesondere den Stolperstein-Rundgang für Kinder im Grundschulalter, die „Stolperstein -App“ für Jugendliche sowie im Infoladen der LZ diverse Publikationen zu einschlägigen Themen der historisch-politischen Bildung an. 4. Inwiefern werden geflüchtete Menschen, die temporär oder dauerhaft in Hamburg bleiben, an den Holocaust beziehungsweise die deutsche Erinnerungskultur herangeführt? Bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter erfolgt deren Unterrichtung wie die Beschulung aller anderen Schülerinnen und Schüler auf Grundlage der Hamburger Bildungspläne, siehe Antworten zu 1. bis 3. sowie Drs. 20/13705. Die Landeszentrale für politische Bildung bietet Seminare für Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und in Räumen der Flüchtlingsinitiativen an. Dabei erfolgt auch eine Einführung in die jüngste deutsche Geschichte mit Krieg und Flucht mit dem Ziel, bei den Teilnehmenden ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum die grundgesetzlichen Wertenormen unverzichtbar und unverhandelbar sind, zum Beispiel in der Veranstaltung „Was macht Deutschland aus? Zum politischen System und den Werten unserer freien Gesellschaft“. Seitens des Bundes stellt der Integrationskurs das Grundangebot zur Förderung der gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe von Zugewanderten und Geflüchteten dar. Er ist für alle anerkannten Geflüchteten verpflichtend und kann darüber hinaus von Geflüchteten aus Ländern mit guter Bleibeperspektive besucht werden. Der Integrationskurs umfasst neben einem Sprachkurs auch einen Orientierungskurs. Dieser hat zum Ziel, Zugewanderten und Geflüchteten Normen und Werte, Kultur und deutsche Geschichte zu vermitteln (siehe Drs. 21/10281). Bestandteil des Orientierungskurses ist das Modul „Geschichte und Verantwortung“, in dem historisches Basiswissen zur deutschen Geschichte vermittelt wird, um die Entwicklung eines Verständnisses der deutschen und europäischen Gegenwart zu ermöglichen. Die Verantwortung für Demokratie und Grundrechte wird dabei insbesondere aus der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Holocaust abgeleitet. Den Teilnehmenden sollen dabei unter anderem die Unvereinbarkeit der nationalsozialistischen Ideologie mit dem Grundgesetz, seinen Grundrechten und der heutigen demokratischen Staatsordnung in Deutschland vermittelt werden, siehe https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/ Kurstraeger/KonzepteLeitfaeden/curriculum-orientierungskurs-pdf.pdf?__blob= publicationFile. Im Übrigen siehe Drs. 21/10281. In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme finden unter anderem Führungen mit Gruppen von Geflüchteten statt. Derzeit entwickelt die Gedenkstätte ein Projekt, in dem Geflüchtete gemeinsam mit Interessierten mit und ohne Migrationshintergrund bereits vorhandene pädagogische Methoden und Materialien hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit in der Arbeit mit Geflüchteten erproben und sie gegebenenfalls ihren Bedürfnissen anpassen sollen. Die Einbindung Geflüchteter in die konzeptionelle Arbeit der Gedenkstätte soll deren gesellschaftliche Teilhabe unterstützen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, auch nach Abschluss des Projektes die pädagogische Arbeit der Gedenkstätte aktiv mitzugestalten. Im Rahmen der Umsetzung des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus fördert die zuständige Behörde ergänzend Projekte, die sich an Jugendliche wenden und auch Geflüchteten offen stehen. Hierzu gehört das Modellprojekt „Neue Wege“ der Drucksache 21/10604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Türkischen Gemeinde Hamburg. In Kooperation mit dem Anne Frank Zentrum Berlin, der Jüdischen Gemeinde Hamburg und der Jugendkirche Hamburg werden neue Konzepte und Formate für historisch-politische Bildungsarbeit zum Thema Antisemitismus und Nationalsozialismus mit und für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund entwickelt. Darüber hinaus erfolgt die Auseinandersetzung mit Elementen der Erinnerungskultur auch im Rahmen ergänzender Informations- und Gesprächsformate, die in Hamburg seit August 2016 für Geflüchtete durchgeführt werden. So wird zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Projekt „Hamburg verstehen, Erfolg haben, ich bin dabei“, das von der Akademie der Polizei durchgeführt wird, sowohl auf das besondere Verhältnis zu Israel hingewiesen als auch bei Bedarf zum Thema „Geschichte Deutschlands unter dem Nationalsozialismus 1933 – 1945 berichtet. 5. Welche ressortübergreifenden Pläne und Programme verfolgt der Senat, um aus dem Bereich Bildung eine lebendige Erinnerungskultur zur fördern , die die deutsche Vergangenheit zum Inhalt gesellschaftlicher Diskurse machen kann? Um eine lebendige Erinnerungskultur zu fördern, werden die Begegnungen der jüdischen ehemaligen Hamburgerinnen und Hamburger mit Schülerinnen und Schülern Hamburger Schulen und Interviews mit Zeitzeugen beziehungsweise Angehörigen der zweiten Generation, die im Rahmen des Besuchsprogramms des Senats stattfinden, fortgeführt. Es hat sich gezeigt, dass auch die Angehörigen der zweiten Generation sehr an Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern interessiert sind und zudem einen Blick aus der Perspektive der nachfolgenden Generation auf die Gesamtthematik erlauben. In der Vorbereitung der Interviews arbeiten Senatskanzlei und die für Bildung zuständige Behörde eng zusammen. Weitere Beiträge der Stadt zur Förderung einer lebendigen Erinnerungskultur sind die Einrichtung des Dokumentationszentrums denk.mal Hannoverscher Bahnhof (siehe Drs. 18/6962 und 19/4555), jährliche Sonderausstellungen im Rathaus anlässlich des Tages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, entwickelt durch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Kooperation mit der Hamburgischen Bürgerschaft. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. 6. Welche Möglichkeiten hat, sieht und empfiehlt der Senat in Hamburg zur Förderung der Erinnerungskultur – insbesondere im Hinblick auf etwaige Bildungsprojekte und Fortbildungen „nach dem Aussterben der Zeitzeugen “? Zum Hamburger Gedenkstättenkonzept siehe Drs. 19/4555 und 20/7833. An zahlreichen Orten in Hamburg (siehe www.gedenkstaetten-in-hamburg.de) wird die Erinnerung durch unterschiedliche Formen wach gehalten, insbesondere in der KZ- Gedenkstätte Neuengamme mit ihren Außenstellen (siehe http://www.kzgedenkstaette -neuengamme.de/veranstaltungskalender/) sowie dem Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof. Im Archiv der KZ-Gedenkstätte werden Zeitzeugenerinnerungen und -berichte verwahrt, wissenschaftlich ausgewertet und für eine Vermittlung (zum Beispiel in Dauerausstellungen oder Projekten) aufbereitet. Außerdem bietet die KZ-Gedenkstätte Neuengamme Programme mit und für Angehörige der zweiten und dritten Generation – sowohl auf Verfolgten- als auch auf Täterseite – an. Im jährlichen „Forum Zukunft der Erinnerung“ diskutieren Angehörige der zweiten und dritten Generation zusammen mit Historikerinnen und Historikern auch die Möglichkeit der Vermittlung von Erlebnissen des Dritten Reichs in einer Zeit ohne Überlebende . Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) der für Bildung zuständigen Behörde hat einen Kooperationsvertrag mit der International School for Holocaust Studies Yad Vashem (ISHS) geschlossen. Das Aufgabengebiet Sozial- und Rechtserziehung des LI bietet regelmäßig Fortbildungen und Beratung zum pädagogi- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10604 5 schen Ansatz der Erinnerungspädagogik an und führt in Kooperation mit Yad Vashem Studienfahrten für Lehrkräfte nach Israel mit fünftägigem Seminar an der ISHS durch. Yad Vashem publiziert eine große Anzahl von Materialien für Lehrkräfte beziehungsweise Schülerinnen und Schüler im Bereich der Holocaust Education. Vonseiten des LI wurde mit Yad Vashem ein Distributionsvertrag zum Nachdruck des erinnerungspädagogischen Unterrichtsmaterials „Was geht mich unsere Geschichte an?“ geschlossen. Das Material richtet sich auch an Jugendliche mit Migrationshintergrund und soll allen weiterführenden Schulen zugänglich gemacht werden. Veranstaltungen zur Erinnerungskultur bilden einen Forschungsschwerpunkt der Geschichtsdidaktik an der UHH. Die Frage der Erinnerungskultur wird dementsprechend regelmäßig in der Lehre thematisiert. Es gibt eine sehr enge und systematische Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, in deren Beirat der Leiter des Arbeitsbereichs Geschichtsdidaktik Mitglied ist. Kontakte zum Institut für die Geschichte der Juden sind ebenfalls vorhanden. Auch in der Religionsdidaktik wird die Thematik, etwa in einem Lehrprojekt zu den Stolpersteinen, behandelt. Ebenfalls zu nennen ist in diesem Zusammenhang ein Projekt des Arbeitsbereichs Geschichtsdidaktik mit dem Titel „Verflechtungen von Kolonialgeschichte und Nationalsozialismus in Realgeschichte und Erinnerungskultur(en)“, das Bestandteil der Hamburg Open Online University ist, siehe http://www.hoou.de/p/2015/11/26/wie-haengen-diekolonialvergangenheit -und-der-nationalsozialismus-und-die-erinnerung-an-siezusammen /. Beispielhaft zu nennen ist zudem ein Projektseminar zum Thema „Der Hannoversche Bahnhof – Gedenkorte als Räume der Vergegenwärtigung des Nationalsozialismus“, das in diesem Wintersemester im freien Wahlbereich für Studierende an der UHH angeboten wird. Das Seminar ermöglicht den Teilnehmenden, sich filmisch mit Darstellung und Wirkung von Gedenkorten auseinanderzusetzen. Die Teilnehmenden werten Quellen aus, erlernen Techniken der Interviewführung und der Archivrecherche sowie Grundlagen des filmischen Erzählens. Dabei werden eigene visuelle Zugänge entwickelt und kurze Filme produziert, die nach erfolgreichem Seminarabschluss online auf Plattformen der Universität Hamburg und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme abrufbar sein sollen. Zu verweisen wäre auch auf die langjährige der Arbeit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH), die wissenschaftliche Expertise in die Lehre an der Fakultät für Geisteswissenschaften und in die Ausbildung von zukünftigen Geschichtslehrerinnen und -lehrern einbringt. Mit dem Thema „Erinnerungskultur und der Rolle von Zeitzeugen“ befasst sich die Forschungsstelle schon lange, vor allem in der „Werkstatt der Erinnerung“ (WdE). Seit 1990 sammelt die Werkstatt der Erinnerung, das Interviewarchiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Interviews mit Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung und stellt sie der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. Es handelt sich um Audio- und Videointerviews mit Frauen und Männern, die als Juden, Sinti und Roma verfolgt wurden, im politischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren oder gesellschaftlichen Randgruppen angehörten. Siehe www.werkstatt-dererinnerung .de. Diese Interviews werden insbesondere von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern, aber auch von Lehrerinnen und Lehrern für historische Projekte im Unterricht stark nachgefragt. Die Werkstatt der Erinnerung stellte zudem zahlreiche mündliche Quellen für das digitale Hamburg-Geschichtsbuch zur Verfügung: http://geschichtsbuch.hamburg.de/. Außerdem erarbeitete die Werkstatt der Erinnerung für die Kulturbehörde die Ausstellung „In den Tod geschickt. Die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1939 – 1945“, die gegenwärtig in verkleinerter Form in der HafenCity zu sehen ist und die die Grundlage für die Ausstellung im geplanten Dokumentationszentrum „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ sein wird. Darin spielen die Aussagen von Zeitzeugen eine zentrale Rolle. Die wissenschaftlichen Arbeiten der FZH zur Geschichte Hamburgs im Nationalsozialismus (zum Beispiel das Standardwerk „Hamburg im Dritten Reich“) sowie die umfangreichen Aktivitäten der Werkstatt der Erinnerung in den Bereichen Sicherung Drucksache 21/10604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 von Lebensgeschichten, Bereitstellung von Material und Expertise für Interessierte und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer sind zentrale Bausteine einer kritischen Erinnerungskultur (nicht nur in Hamburg).