BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10665 21. Wahlperiode 20.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Verteilungen von Geflüchteten aus den Erstaufnahmen (II) Die warnenden Stimmen über die Zustände in Hamburger Erstaufnahmen werden seit Wochen lauter. Selbst Vertreter/-innen des Senats und ihrer Einrichtungen klagen „Die Bedingungen in den Erstaufnahmen sind ausgesprochen anstrengend (…) Oft entstehen psychische Krankheiten durch diese Belastungen“, so Annegrethe Stoltenberg, Ombudsfrau für Flüchtlingshilfe, gegenüber Hinz&Kunzt, https://www.hinzundkunzt.de/ombudsfrau-kritisiertumgang -mit-jungen-fluechtlingen/. Auch der Flüchtlingskoordinator Amseln Sprandel sagte gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ bereits am 29.8.2017, dass ihm die zahlreichen „Überresidenten“ in den Erstaufnahmen Sorge bereiten würden. Gleichzeitig hat der ZKF mit dem Kriterienkatalog dazu beigetragen, dass bestimmte Gruppen heute deutlich länger auf einen Transfer warten müssen als andere. Unsere Schriftlichen Kleinen Anfragen (zuletzt Drs. 21/9712) haben zudem ergeben, dass die Zahl der Suizidversuche in Hamburger Erstaufnahmen seit Monaten ansteigt. Mit Stand vom 31. August waren 3.811 Personen bereits über sechs Monate in einer EA untergebracht, darunter 299 Personen aus sicheren Herkunftsländern . Viele bereits seit zwölf Monaten und länger. Demgegenüber sieht die Neufassung des Hamburger Integrationskonzeptes folgendes vor: „Ziel ist es, dass Geflüchtete höchstens sechs Monate lang in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind, wenn sie aus Herkunftsstaaten kommen, die nicht als „sichere Herkunftsstaaten“ (siehe Infobox, S. 13, sowie § 47 Absatz 1a Asylgesetz) kategorisiert sind.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat verfolgt das Ziel, die Kapazitäten der öffentlich-rechtlichen Folgeunterkünfte (örU) durch die Erweiterung bestehender und Einrichtung neuer Standorte kontinuierlich zu erweitern, um alle Personen, die in einer örU untergebracht werden sollen, dort unterbringen zu können. Die Erweiterung und die Neueinrichtung von örU erfordert trotz Nutzung aller rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten aufgrund der notwendigen Planungs-, Genehmigungs- und Beteiligungsprozesse auch der Bürgerinnen und Bürger vor Ort entsprechende Zeit. Dennoch sind im Laufe des Jahres 2017 die Kapazitäten der örU deutlich erweitert worden, sodass die Zahl der sogenannten Überresidenten gegenüber dem 30.12.2016 von 6.564 auf inzwischen rund 3.000 Personen reduziert werden konnte. Eine weitere Reduzierung wird durch die Inbetriebnahme weiterer Kapazitäten bis zum Jahresende 2017 und im Jahr 2018 entsprechend verfolgt. Der Senat hat auf die Notwendigkeit dieser Kapazitätserweiterung vor dem Hintergrund der Zahl der sogenannten Überresidenten stets hingewiesen. Drucksache 21/10665 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Zugleich konnte die Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen im Jahr 2017 deutlich reduziert und bis auf die Einrichtung Hellmesbergerweg, die mit nur noch wenigen Personen belegt ist, alle prekären und Einrichtungen mit weniger günstigen Unterbringungsbedingungen bereits außer Betrieb genommen werden. Die Aufenthaltsbedingungen konnten durch die geringere Belegung und die Einrichtung von Lern- und Schutzräumen in der Gesamtsicht gegenüber dem Jahr 2016 deutlich und gegenüber dem Beginn des Jahres 2017 weiter verbessert werden. Die Kriterien zum Wechsel von Erstaufnahmeeinrichtungen in örU berücksichtigen rechtliche und tatsächliche Umstände. Die derzeitige Situation erfordert es, die Priorität auf den Wechsel bereits anerkannter Flüchtlinge in die örU zu legen. Bei Personen, deren Asylverfahren aufgrund noch nicht getroffener Entscheidung des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration oder aufgrund eines nach Ablehnung der Schutzbedürftigkeit noch anhängigen Klageverfahrens noch nicht abgeschlossen ist, und bei Personen, deren Schutzbedürftigkeit abschließend abgelehnt wurde, kommt ein Wechsel grundsätzlich erst nach der Berücksichtigung anerkannter Flüchtlinge infrage. Personen aus sicheren Herkunftsländern sind gesetzlich verpflichtet, bis zum Abschluss ihres Verfahrens in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu verbleiben. Diese Situation kann auch zu längeren Verbleibszeiten in den Erstaufnahmeeinrichtungen führen. Der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge ist in Zusammenarbeit mit f & w fördern und wohnen AöR (f&w) nachhaltig dabei, die Anzahl der sogenannten Überresidenten (Personen, die bereits länger als den in § 47 Absatz 1 Asylgesetz (AsylG) vorgeschriebenen Zeitraum in einer Erstaufnahme untergebracht sind) in öffentlichrechtliche Folgeunterkünfte (örU) zu verlegen. Daher werden kontinuierlich die Plätze in örU durch Neubau beziehungsweise Erweiterungen geschaffen. Dabei sind komplexe Planungs- und Genehmigungsprozesse nach baugesetzlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind umfängliche Abstimmungen im Rahmen der Bürgerbeteiligung vorzunehmen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Hamburg zugewiesene Personen sind mit Stand 30.09.2017 länger als sechs Monate, länger als ein Jahr, länger als 1,5 Jahre und zwei Jahre in einer EA untergebracht? Bitte aufschlüsseln nach Minderjährigen und Erwachsenen a. aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, Die Daten sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen 6 – 11 Monate 12 – 17 Monate 18 – 23 Monate über 24 Monate Erwachsene 71 39 20 18 Minderjährige 76 24 16 18 gesamt 147 63 36 36 Stand 30. September 2017 b. mit positivem BAMF-Bescheid (Priorität 1 des ZKF), f&w erfasst den asylrechtlichen Status der Bewohnerinnen und Bewohner der EA nicht systematisch, sondern nur den bereits bestehenden Leistungsbezug gemäß SGB II oder SGB XII. Die Aufenthaltszeit in EA von Personen mit Leistungsbezug gemäß SGB II oder SGB XII ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen 6 – 11 Monate 12 – 17 Monate 18 – 23 Monate über 24 Monate Erwachsene 194 110 197 0 Minderjährige 131 57 43 0 gesamt 325 167 240 0 Stand 30. September 2017 c. Asylantragsteller/-innen „aus sonstigen Herkunftsstaaten, im laufenden Verfahren nach Ablauf der Sechsmonatsfrist (Priorität 2 des Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10665 3 ZKF). Hier bitte angeben, welche Staatsangehörigen die drei größten Gruppen stellen. Falls nicht möglich, bitte die längste Verweildauer eines Erwachsenen und eines Minderjährigen in einer Erstaufnahme für a., b. und c. angeben . Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen 6 – 11 Monate 12 – 17 Monate 18 – 23 Monate über 24 Monate Erwachsene 309 172 960 47 Minderjährige 124 69 145 0 gesamt 433 241 1.105 47 Häufigste Staatsangehörigkeiten iranisch afghanisch irakisch afghanisch russisch iranisch afghanisch irakisch iranisch afghanisch irakisch iranisch 2. Wird die Neuregelung des § 47 Absatz 1b Asylgesetz in Hamburg umgesetzt? Falls nein, bestehen Pläne zur Umsetzung? Wenn ja, welche? Die Überlegungen, ob von den Möglichkeiten nach § 47 Absatz 1b Asylgesetz Gebrauch gemacht wird, sind noch nicht abgeschlossen. 3. Wie viele Anträge auf Übernahme der Mietkosten für privaten Wohnraum sind im Jahr 2017 bei welchen Stellen eingegangen? a. In wie vielen Fällen wurden sie abgelehnt? b. In wie vielen Fällen wurden sie bewilligt? Das Merkmal „Antrag privater Wohnraum“ wird statistisch nicht erfasst. Angaben zu den bei den bezirklichen Grundsicherungsämtern eingehenden Anträgen ließen sich nur durch eine händische Auswertung von rund 10.000 Leistungsakten von Empfängern nach AsylbLG ermitteln. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.