BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1067 21. Wahlperiode 21.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 15.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Notunterbringung von Flüchtlingen Seit Wochen kommen immer mehr Flüchtlinge in die Hansestadt. Mit bis zu 300 Neuankommenden am Tag stellt die Unterbringung vorerst die größte Herausforderung dar. Der Senat ist wieder dazu übergegangen, Zelte aufzustellen. Derzeit leben schon etwa 1.000 Menschen in Zelten der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen und vermutlich werden es sehr viel mehr werden. Die Unterbringung in Zelten ist für die Betroffenen extrem belastend. Mit den momentanen Temperaturschwankungen ist es in Zelten tagsüber unerträglich heiß und nachts sehr kalt. Die Zelte sind mit 16 Betten je Zelt so voll, dass ein weiterer Aufenthalt oder das Abstellen von Schränken oder Spinden nicht möglich ist. Es gibt keinerlei Privatsphäre. Vielerorts gibt es, je nach Wetterlage, keine Aufenthaltsorte außerhalb der Zelte. In Hamburg gibt es unvermindert einen sehr hohen Leerstand von Büro- und Gewerbebauten. Bisher wurde vor allem mit dem Verweis auf fehlende sanitäre Einrichtungen die Nutzung von Büro- und Gewerbebauten für die Flüchtlingsunterbringung abgelehnt. Doch wie bei den Zelten können die fehlenden sanitären Einrichtungen zum Beispiel außerhalb in Containern angeboten werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Teilt der Senat, die Einschätzung, dass die Unterbringung in Zelten eine starke Belastung darstellt? Ja. 2. Welche Alternativen zur Zeltunterbringung hat der Senat beziehungsweise haben die zuständigen Behörden geprüft? Derzeit besteht keine Alternative zur Zeltunterbringung als Notmaßnahme zur Abwendung von Obdachlosigkeit der nach Asyl suchenden Menschen. Die Unterbringung in Zelten als Notmaßnahme ist die am schnellsten zu realisierende Möglichkeit, mit der sichergestellt wird, dass die Hilfe suchenden Menschen nicht im Freien übernachten müssen. 3. Welche Büro- und Gewerbegebäude im städtischen Besitz und/oder in der Verfügungsgewalt von städtischen Unternehmen stehen zurzeit. leer (bitte jeweils nach Stadtteilen und Eigentümer/-in, zum Beispiel SAGA, und Quadratmeterzahl getrennt benennen)? Drucksache 21/1067 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Bei welchen der genannten Leerstände ist bereits eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft geprüft worden? Mit welchem Ergebnis? Aus welchen Gründen wurde jeweils eine Nutzung als nicht machbar eingeschätzt? b. Bei welchen der genannten Leerstände soll die Nutzung als Flüchtlingsunterbringung noch beziehungsweise erneut geprüft werden? Im Zuge der Beantwortung des bürgerschaftlichen Ersuchens Drs. 20/6171 berichtet der Senat jährlich über den Leerstand städtischer Immobilien. Der Leerstandsbericht für das Jahr 2014 wurde der Präsidentin der Bürgerschaft am 17. Juli 2015 per Post übermittelt. Siehe zudem Drs. 20/12408. Darüber hinaus sieht der in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, konkrete Leerstände und Details zu Leerstandsobjekten zu benennen. Die leer stehenden städtischen Objekte werden fortlaufend für eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft geprüft. 4. Nach welchen Kriterien hat der Senat geprüft, ob leer stehende private Büro- und Gewerbegebäude für eine Flüchtlingsunterbringung in Betracht kommen? Büro- und Gewerbegebäude werden laufend für die Unterbringung von Flüchtlingen geprüft. Die wesentlichen Kriterien der Prüfung sind:  Zusammenhängende Geschossfläche in abgeschlossenen Einheiten von mindestens 1.500 m²,  Eignung für wohnähnliche Nutzung/gewerbliche Wohnnutzung muss gegeben sein (Bauplanungsrecht),  Außenfläche (für Spielplatz) sollte vorhanden sein,  Brandabschnitte maximal 400 m²,  Marktübliche Mieten. a. Wie viele Objekte wurden geprüft? Bisher wurden rund 70 private Büro- und Gewerbeimmobilien geprüft. b. Wie sahen jeweils die Ergebnisse aus? Ein Großteil der geprüften Büro- und Gewerbeimmobilien kommt nicht für eine Flüchtlingsunterbringung in Betracht, da eine Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig ist, kein genügender Brandschutz gewährleistet ist oder die Preisvorstellungen der Eigentümer nicht darstellbar sind. Für einige private Büro- und Gewerbeimmobilien laufen derzeit detaillierte Planungen und weitergehende Verhandlungen mit den Eigentümern. c. Falls bisher keine Prüfung erfolgte: Wann werden leer stehende private Büro- und Gewerbegebäude für die Nutzung als Flüchtlingsunterbringung geprüft? Entfällt. 5. Laut einem Bericht der „tageszeitung“ vom 14.7.2015 (Seite 24) soll bereits im Jahr 2013 bei einem Senats- und Bezirkstreffen die Beschlagnahmung von leer stehenden Büroraum für die Allgemeinheit geprüft diskutiert worden sein. a. Auf welcher aktueller Rechtsgrundlage können private und öffentliche Gebäude oder Wohnungen beschlagnahmt werden? b. Wie oft hat der Senat diese Möglichkeit bereits angewandt? c. Falls es bisher noch keine Anwendung gab: Welche Überlegungen gibt es, Gebäude oder Wohnungen für die Unterbringung von Obdachlosen oder Flüchtlingen zu beschlagnahmen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1067 3 Eine Beschlagnahme von privatem Wohnraum bemisst sich nach den §§ 3 Absatz 1 i.V.m. § 10 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14. März 1966, zuletzt geändert am 28.Januar 2014. Eine unfreiwillige Obdachlosigkeit stellt eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und daher eine Gefahr dar. An die Zulässigkeit einer Beschlagnahme sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Rechts des Hauseigentümers hohe Anforderungen zu stellen. Es dürfen Hauseigentümern keine Pflichten auferlegt werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen. Die Ordnungsbehörde hat darzulegen, dass sie keine staatlichen Unterkünfte zur Unterbringung Obdachloser hat und ihr auch die Beschaffung solcher Unterkünfte bei Dritten (zum Beispiel Hotelzimmer, Ferienwohnung) nicht möglich ist. Darüber hinaus ist der Staat verpflichtet, kommunale Einrichtungen einzusetzen, bevor Privatpersonen in die Pflicht genommen werden dürfen. Aufgrund der hohen Anforderungen und Nachweispflichten der Rechtsprechung an die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme, gestaltet sich diese in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als überaus schwierig. Eine Beschlagnahme von Wohnungen und Gebäuden, die sich im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) befinden, scheidet mangels Rechtsgrundlage aus. Es ist eine Inbesitznahme möglich. 6. Plant der Senat eine Prämie für die Umwandlung von bestehenden Büro- oder Gewerbegebäuden in Flüchtlingsunterkünfte oder Ähnliches? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Zeithorizont? Die FHH mietet Immobilien grundsätzlich zu marktüblichen Preisen an. Privateigentümer bieten Büro- und Gewerbegebäude zur Nutzung als Flüchtlingsunterkunft an, soweit es für sie wirtschaftlich ist. Für die Umnutzung fallen in der Regel erhebliche Umbaukosten an. Prämien müssten daher in sehr erheblichem Umfang gezahlt werden, damit die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme beeinflusst wird. 7. Wie viele Flächen wurden seit dem 05.05.15 geprüft und welcher baurechtlichen Kategorie gehören sie an? Bitte Standort, Stadtteil, Statusindex und Datum der Prüfung angeben? Siehe Drs. 21/1002. 8. Welche Grünflächen in welchen Stadtteilen wurden zum Aufstellen mit Zelten in den vergangenen 4 Wochen mit welchem Ergebnis geprüft? Siehe Drs. 21/1008. 9. Wie viele leer stehende Schulgebäude gibt es derzeit in Hamburg? Welche leer stehenden Schulgebäude wurden für die Umwandlung in Flüchtlingsunterkünfte mit welchem Ergebnis geprüft? Bitte mit Angabe des jeweiligen Bezirks. Für die Unterbringung von Flüchtlingen werden laufend Liegenschaften geprüft, die als Schulstandort vollständig aufgegeben wurden. Derzeit gibt es 13 solcher Liegenschaften . Bereits als geeignet befunden wurden Flughafenstraße, Kurdamm 8, Holstenhofweg 38, Grellkamp 40, Karl-Arnold-Ring 11 und Weddestraße. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. bis 3. b. 10. Wie viele leer stehende Alten- und Pflegeheime gibt es derzeit in Hamburg ? Welche leer stehenden Alten- und oder Pflegeheime wurden für die Umwandlung in Flüchtlingsunterkünfte mit welchem Ergebnis geprüft? Bitte mit Angabe des jeweiligen Bezirks. Es gibt derzeit keine leer stehenden Alten- und Pflegeheime. 11. Welche leer stehenden Hotels wurden für die Umwandlung in Flüchtlingsunterkünfte mit welchem Ergebnis geprüft? Bitte mit Angabe des jeweiligen Bezirks. Drucksache 21/1067 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das ehemalige Hotel Intercontinental im Bezirk Eimsbüttel wurde im Jahre 2013 geprüft. Es war für eine Nutzung nicht geeignet, da zur Herstellung einer ausreichenden Brand- und Gebäudesicherheit erhebliche Investitionen erforderlich gewesen wären und das Gebäude nur übergangsweise zur Verfügung gestellt werden sollte. Ein ehemaliges Hotel in Privatbesitz im Bezirk Hamburg-Mitte wurde angemietet und wird als Flüchtlingsunterbringung genutzt. Darüber hinaus wurden rund zehn weitere, nicht leer stehende, sondern in Betrieb befindliche Hotels und Pensionen geprüft, die von den Eigentümern angeboten worden waren. Eine Nutzung kam nicht zustande, da entweder die Investitionskosten zu hoch waren, die Gebäude baulich nicht geeignet waren oder keine Einigung über den Mietpreis erzielt werden konnte. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. b. 12. Wie viele leer stehende Bundesgebäude gibt es derzeit in Hamburg? Welche leer stehenden Bundesgebäude wurden für die Umwandlung in Flüchtlingsunterkünfte mit welchem Ergebnis geprüft? Bitte mit Angabe des jeweiligen Bezirks. Fünf. Die für Bundesimmobilien zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bietet leer stehende Immobilien den Kommunen, Ländern und Gemeinden aktiv an. Drei Immobilien (zwei in Hamburg-Mitte, eine in Altona) wurden daher bereits auf ihre Eignung als Flüchtlingsunterkunft geprüft. Zwei der geprüften Immobilien sind nicht für eine wohnähnliche Nutzung geeignet, für die dritte wird seitens der BImA noch Bundesbedarf geprüft. Die beiden übrigen Objekte (Altona und Hamburg-Mitte) sind noch auf ihre Eignung als Flüchtlingsunterkunft zu prüfen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. bis 3. b. 13. Im „Hamburger Abendblatt“ vom 13.07.2015 scheint die Aussage des Innensenators zu sein, dass der Senat aus Kostengründen darauf verzichte , Container aufzustellen und stattdessen Zelte aufstelle. Sind tatsächlich finanzielle Überlegungen dafür verantwortlich? Die zuständige Behörde verfolgt das Ziel, allen ankommenden Flüchtlingen geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Für die Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen wird dies in erster Linie über die Einrichtung von Containerunterkünften realisiert. Wo dies aufgrund zeitlich enger Vorläufe oder aus Gründen der Verfügbarkeit von Containern nicht möglich ist, wird nach Möglichkeit auf Zelte zurückgegriffen. Darüber hinaus sieht der Senat in ständiger Praxis davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2.