BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10670 21. Wahlperiode 20.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 13.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Zappenduster: Strom-, Gas- und Wasserabsperrungen in Hamburg (II) Wer in Hamburg seine Energiekosten nicht zahlen kann, sitzt schnell im Dunkeln oder muss frieren. So wurden nach Auskunft von Stromnetz Hamburg 10.950 Stromsperrungen in 2016 durchgeführt, in 2017 bereits mehr als 5.000. Mehr als 740.000 Mahnungen haben die Stromanbieter Vattenfall Europe Sales GmbH und HAMBURG ENERGIE im letzten Jahr verschickt. Die Anzahl der Stromsperrungen und Mahnungen verdeutlicht, dass Energiearmut ein wachsendes Problem ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Abschaltung eines Stromanschlusses geht in der Regel ein längerfristiges Erinnerungs - und Mahnverfahren voraus. In Hamburg bieten circa 500 Unternehmen, deren geschäftliche Daten der zuständigen Behörde nicht zugänglich sind, Privathaushalten die Belieferung mit Strom an. Zur Beantwortung der Fragen wurden ausschließlich das für Hamburg als Grundversorger festgestellte Unternehmen Vattenfall Europe Sales GmbH und das städtische Unternehmen HAMBURG ENERGIE GmbH (HE) sowie der städtische Stromnetzbetreiber Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) um Auskunft gebeten. HE hat mitgeteilt, dass durch das Unternehmen Stromsperren weder angedroht noch beauftragt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der vorgenannten Unternehmen sowie von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) wie folgt: 1. Welchen Anteil an den Lebenshaltungskosten haben die Energiekosten in Hamburg inzwischen erreicht, anteilig berechnet an dem durchschnittlichen Einkommen eines beziehungsweise einer Beschäftigten im Bereich des Niedriglohnsektors (1.532 Euro brutto Monatsgehalt)? Die zur Beantwortung der Frage notwendigen allgemeinen Bevölkerungsdaten, insbesondere Daten zu den Energiekosten von Beschäftigten oder auch von privaten Haushalten in Hamburg, werden durch die statistischen Ämter nicht ausgewiesen. 2. Wie groß ist die durchschnittliche Differenz zwischen dem Regelsatzanteil für Strom am ALG II und dem tatsächlichen Verbrauch von ALG-II- Beziehern/-innen? Eine statistische Erhebung und Auswertung im Sinne der Fragestellung erfolgt durch den Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit nicht. Jobcenter verweist auf die allgemein zugänglichen statistischen Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit zu „Wohn- und Kostensituation - Deutschland, West/Ost, Länder, Kreise und Jobcenter (Monatszahlen) - Juni 2017 unter https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/ Drucksache 21/10670 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Rubrikensuche/Rubrikensuche_Form.html?nn=1021940&year_month=201706& pageLocale=de&view=processForm&topicId=1023396®ionInd=02. Darüber hinaus verweist Jobcenter auf die fachlichen Weisungen SGB II der Bundesagentur für Arbeit zu „§ 20 SGB II Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts“: „Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.“ Siehe auch: https://www3.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/ mdaw/mtyx/~edisp/l6019022dstbai377947.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI377950. Die Bekanntmachung der Regelbedarfe für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 erfolgte im Rahmen des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG), unter anderem in der Ausweisung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben: https://www.gesetze-im-internet.de/rbeg_2017/BJNR315910016.html. 3. Wie hoch waren die Forderungen der Stromversorger im Durchschnitt in den Jahren 2016 und 2017 bis aktuell bei Androhung der Stromsperrung ? 4. Wie hoch waren die Forderungen der Stromversorger im Durchschnitt in den Jahren 2016 und 2017 bis aktuell bei tatsächlicher Durchführung der Stromsperrungen? Die Bildung eines Durchschnittswertes über die Stromversorger kann nicht erfolgen, da der zuständigen Behörde die hierzu erforderlichen Geschäftsdaten der Unternehmen nicht vorliegen. 5. Wie hoch ist die Mahngebühr der Stromanbieter und wie wird diese kalkuliert ? Die Gestaltung des Mahnverfahrens und die Festlegung der Höhe der Mahngebühr erfolgt individuell durch die stromanbietenden Unternehmen. Daten hierzu werden durch die zuständige Behörde nicht erhoben. HE hat mitgeteilt, dass die vom Unternehmen erhobene Mahngebühr 2,50 Euro beträgt und anhand der tatsächlich anfallenden Kosten einer Mahnung kalkuliert ist. HE weist daraufhin, dass zunächst sieben Tage nach Fälligkeit eine erste kostenfreie Zahlungserinnerung an den Kunden erfolgt. Die erste kostenpflichtige Mahnung erfolgt dann 21 Tage nach Fälligkeit. 6. Wie lange ist die Bearbeitungszeit zur Wiederherstellung des Stromanschlusses nach Wegfall des Grundes der Sperre oder gerichtlicher Verfügung zur Wiederherstellung des Anschlusses? Die Vattenfall Europe Sales GmbH beauftragt innerhalb der Geschäftszeiten (Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr) unverzüglich nach Kenntnisnahme des Wegfalls des Sperrgrundes die Wiederherstellung der Stromversorgung beim örtlichen Netzbetreiber der Allgemeinen Versorgung (SNH). Laut SNH erfolgt die Einschaltung des Stromanschlusses innerhalb eines Werktages. 7. Welche Kosten stellt Stromnetz Hamburg für die Entsperrung des Stromanschlusses den Stromlieferanten in Rechnung und welche Kosten reicht der Grundversorger an die Kunden/-innen weiter? Die den Stromlieferanten für die Sperrung und die Entsperrung von SNH in Rechnung gestellten Kosten betragen jeweils 69,50 Euro netto und sind unter www.stromnetzhamburg .de/entgelte veröffentlicht. Die Vattenfall Europe Sales GmbH berechnet laut aktuellem Preisblatt für sonstige Leistungen an Kunden in der Grundversorgung Hamburg für jede Unterbrechung und Wiederherstellung der Versorgung einer elektrischen Anlage 14,51 Euro zuzüglich der der Vattenfall Europe Sales GmbH in Rechnung gestellten Kosten des zuständigen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10670 3 Netzbetreibers für die Durchführung der Versorgungsunterbrechung und Wiederherstellung der Versorgung. 8. Wird in den Sperrandrohungen und Sperrankündigungen des Grundversorgers auf Beratungsstellen zur Abwendung einer Stromsperre hingewiesen ? Bitte Muster der Sperrandrohung und Sperrankündigung als Anlage beifügen. In den Anschreiben des Grundversorgers erfolgt derzeit kein Hinweis auf mögliche Beratungsstellen. Teil des Schreibens sind aber die Kontaktinformationen zum Kundenservice des Unternehmens, wo laut Auskunft der Vattenfall Europe Sales GmbH entsprechende Informationen erteilt werden. Muster der Sperrandrohung und Sperrankündigung liegen der zuständigen Behörde nicht vor. 9. Beim Vorliegen welcher Kriterien verzichten die Energieversorger, insbesondere der Grundversorger, auf den Vollzug der angedrohten Liefersperre ? Die Vattenfall Europe Sales GmbH führt eine Unterbrechung der Versorgung nur bei Vorliegen der von der Stromgrundversorgungsverordnung vorgegebenen Voraussetzungen durch. Bei Vorliegen von Informationen zu einer besonderen Schutzbedürftigkeit (zum Beispiel Dialysepatienten, Beatmungsgeräte, ärztliches Attest) wird von der Durchführung der Versorgungsunterbrechung abgesehen. Nach Auskunft von SNH wird die Durchführung einer Sperrung grundsätzlich dann abgelehnt, wenn dort Kenntnis über das Vorliegen eines sogenannten „Versorgungssicherheitsgrunds “ (zum Beispiel Beatmungsgerät) beim Kunden besteht.