BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10717 21. Wahlperiode 27.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 19.10.17 und Antwort des Senats Betr.: StadtRAD – Erfolgsgeschichte auch ab 2018? Der Senat und viele Politiker zelebrieren grad wieder einmal die Erfolgsgeschichte StadtRAD – unbestritten wird damit für zahlreiche Einwohner und Touristen ein attraktives, umweltfreundliches Verkehrsmittel sehr flächendeckend und relativ unkompliziert handhabbar angeboten. Nunmehr steht die Ausschreibung der Leistungen ab 2018 an und der Senat hat dabei offensichtlich bereits neue Eckpunkte bestimmt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Wie bereits in Drs. 21/10608 erläutert, wird dem Vergabeverfahren ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorgeschaltet. Bei diesem Wettbewerb können sich alle potenzielle Bieterinnen und Bieter um die Teilnahme an der Ausschreibung bewerben. Im Anschluss an den Wettbewerb werden ausschließlich diejenigen Bieterinnen und Bieter , die die Kriterien für die Eignung erfüllen, zur Abgabe eines sogenannten indikativen Angebots aufgefordert. Nach Submission der indikativen Angebote und Prüfung der Angebote auf Vollständigkeit folgen Verhandlungsgespräche mit den Bieterinnen und Bietern. Erst danach werden die Bieterinnen und Bieter zur Abgabe eines letztverbindlichen Angebots aufgefordert („final call“), nach deren Wertung eine Bieterin oder ein Bieter den Zuschlag erhält. Der Teilnahmewettbewerb wurde am 21. September 2017 europaweit im „Tenders Electronic Daily“ (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union) sowie in den nationalen Veröffentlichungsorganen bekanntgemacht, siehe http://ted.europa.eu/TED/notice/udl?uri=TED:NOTICE:377160-2017:TEXT:DE:HTML. Der Bekanntmachung mussten bereits Entwürfe der Leistungsbeschreibung und des Betreibervertrags beigefügt werden, sodass die Interessenten sich im Vorfeld auf die wesentlichen Leistungsanforderungen einstellen können. Diese Entwürfe werden im Laufe des Verfahrens, insbesondere nach den Verhandlungsgesprächen, weiterentwickelt und werden erst zum Zeitpunkt der Aufforderung zum letztverbindlichen Angebot ihre finale Fassung erreicht haben. Dieses Vergabeverfahren wurde gewählt, da die Tatbestände des § 14 Absatz 3 Nummern 1, 2 und 3 Vergabeverordnung (VgV) vorliegen, sodass die rechtlichen Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb gegeben sind. Für die Weiterentwicklung des bestehenden und anzupassenden Fahrradvermietsystems sind innovative Lösungen erforderlich, die im Vorfeld nicht hinreichend präzise beschrieben werden können. Insofern kann die Leistung aufgrund der Komplexität und den damit einhergehenden Risiken nicht ohne Verhandlungen vergeben werden. Vielmehr bietet das Verfahren die Chance, die Leistungsanforderungen aufgrund von Informationen zu optimieren, über die die Auftraggeberin im Vor- Drucksache 21/10717 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 feld nicht verfügt. Ein solches Verfahren hatte sich bereits im Jahr 2008 bei der ersten Ausschreibung eines öffentlichen Fahrradverleihsystems bewährt. Über die mit der EU-Bekanntmachung veröffentlichten Dokumente hinaus durften beziehungsweise dürfen weder vor der EU-Bekanntmachung noch im Anschluss daran bis zur Zuschlagserteilung keine weiteren Dokumente, Informationen oder Zwischenstände veröffentlicht werden, damit nicht einzelne Bieterinnen und Bieter einen Vorteil erlangen können und das Verfahren dadurch angreifbar wird. Insofern nimmt der Senat zu nicht öffentlichen Aspekten des laufenden Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht Stellung. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Deutsche Bahn Connect GmbH wie folgt: 1. Einige Mitglieder des Verkehrsausschusses hatten im Rahmen der Behandlung des Themas StadtRAD die Beteiligung des Ausschusses an der neuen Ausschreibung gefordert. Ist es zutreffend, dass dies so nicht realisiert werden konnte? Bitte begründen. Die StadtRAD-Neuausschreibung stand zunächst am 17. Februar 2017 sowie ausführlich am 18. Mai 2017 im Rahmen einer Selbstbefassung auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter stellten in der Sitzung am 18. Mai 2017 den seinerzeitigen Stand der Überlegungen zur Leistungsbeschreibung dar. Der Verkehrsausschuss wurde intensiv befasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wo ist die Ausschreibung der für die StadtRAD-Leistungen ab 2018 veröffentlicht ? 3. Wann wurde die Ausschreibung veröffentlicht und wann endet die Abgabefrist für die Teilnehmer? 4. Wie viele geeignete Bewerber gibt es nach Einschätzung des Senats? Siehe Drs. 21/10608. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Welche Vorgaben sind Bestandteil der Ausschreibung? Bitte detailliert im Einzelnen erläutern. Aufgrund welcher Erkenntnisse wurden die Vorgaben festgelegt? Die in der Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen und vielfach auch deren Hintergründe können dem mit der EU-Bekanntmachung veröffentlichten Dokument entnommen werden. Die Leistungsbeschreibung enthält mehrere Hundert Einzelanforderungen , sodass die jeder Anforderung zugrunde liegenden Erkenntnisse im Rahmen der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Aufwand nicht im Einzelnen erläutert werden können. Vielfach ergeben sich die Gründe für die Anforderungen auch direkt aus dem Zusammenhang . Die Anforderungen dienen allgemein dem Ziel, die außerordentliche Erfolgsgeschichte des Hamburger StadtRAD-Systems fortzusetzen, das System weiter auszubauen und um innovative Funktionen zu ergänzen. Zum Erfolg des bisherigen StadtRAD- Systems tragen insbesondere bei: Große Anzahl von Stationen, hohe Stationsdichte und Lage an Orten mit hohem Kundenpotenzial sowie hoher Einwohnerzahl im Umkreis von 500 Metern um die Stationen, Hohe Präsenz der roten Leihräder und der StadtRAD-Stationen im Straßenraum sowie hohe Verfügbarkeit, Hochwertiges und gepflegtes Erscheinungsbild des StadtRAD-Systems, Name, Design und Farbgebung mit unverwechselbarem Bezug zu Hamburg und damit Hamburger Identität („Hamburger Wahrzeichen“), Schnelle und einfache Bedienung über Terminal, App und Telefon, Attraktives Tarifsystem mit 30 Minuten kostenfreier Nutzung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10717 3 Um diese Erfolgsfaktoren weiterhin zu gewährleisten und zu stärken, sind die folgenden Punkte in die Entwürfe der Leistungsbeschreibung und des Betreibervertrages eingeflossen: Erfahrungen mit der Einführung und dem Betrieb des bisherigen Hamburger StadtRAD-Systems, Erfahrungen mit Fahrradverleihsystemen in anderen Städten und Überregionale Untersuchungen und Forschungsergebnisse zu Fahrradverleihsystemen , Markterkundungen im Vorfeld der Neuausschreibung, rechtliche Vorgaben und technische Normen wie zum Beispiel die Straßenverkehrs -Zulassungsordnung (StVZO). 6. Nach Presseangaben soll weiterhin die erste Stunde jedes Ausleihvorgangs kostenlos sein. Von welchen Erkenntnissen hat sich der Senat bei der Festlegung dieser, auch für die Höhe der beim Steuerzahler verbleibenden Kosten, leiten lassen? Bitte ausführlich begründen. Wurden dabei auch Kosten-Nutzen-Analysen angestellt? Die kostenlose erste halbe Stunde jeder Fahrt ist ein wesentlicher Bestandteil des attraktiven Tarifsystems und einer der Garanten für eine hohe Nutzung, da die Hemmschwelle für die Nutzung damit sehr niedrig ist. Die zuständige Behörde geht davon aus, dass die Nutzung geringer wäre, wenn die kostenlose halbe Stunde entfiele . Einer detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse bedurfte es nicht, da der Nutzen eines stark nachgefragten Fahrradmietsystems mit mehr als 3 Millionen Ausleihen im Jahr 2016 aus sich selbst heraus deutlich erkennbar ist. Im Übrigen weisen Studien darauf hin, dass kostenlose Minuten zu Fahrtbeginn die Nachfrage erhöhen und eine höhere Nutzungsintensität begünstigen: Optimising Bike Sharing in European Cities – OBIS 2011: https://ec.europa.eu/energy/intelligent/projects/sites/iee-projects/files/projects/ documents/obis_handbook_en.pdf. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): BMVBS- Online-Publikation, Nummer 29/2013: Öffentliche Fahrradverleihsysteme – Innovative Mobilität in Städten. Ergebnisse der Evaluationen der Modellprojekte: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Online/2013/ DL_ON%20292013.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Jede mit dem StadtRAD zurückgelegte Strecke dient übergeordneten Zielen wie beispielsweise der Leichtigkeit des Verkehrs, der Luftreinhaltung, der Lärmminderung, dem Klimaschutz und der Gesundheitsvorsorge. Eine hohe StadtRAD-Nutzung trägt erfolgreich zum übergeordneten Ziel des Senats bei, das Fahrrad als Verkehrsmittel insgesamt zu stärken und seine Präsenz im Straßenraum zu erhöhen. 7. Wird die Anmeldegebühr auch künftig vom Senat vorgegeben sein und wenn ja, in welcher Höhe? 8. Nach welchen Kriterien wurden die Nutzungsgebühren festgelegt? Angaben zur Ausgestaltung des Tarifsystems können dem mit der EU-Bekanntmachung veröffentlichten Entwurf der Leistungsbeschreibung entnommen werden. 9. Welche Überlegungen hat der Senat angestellt, den Zuschussbedarf für das StadtRAD-System zu reduzieren? Um den Zuschussbedarf zu reduzieren, wird die bestehende Stationsinfrastruktur weitergenutzt, wurde im Rahmen der Ergänzung neuer Funktionen die Einführung von Pedelecs aus Kostengründen verworfen, Drucksache 21/10717 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 werden im Rahmen des Systemausbaus neue Stationsstandorte wie bisher auf Basis der zu erwartenden Nachfrage gewählt, wurden die erwarteten Erlöse abgeschätzt und bewertet. Geprüft, aber nicht weiter verfolgt, wurde eine Kopplung mit Werbung sowie verschiedene neue Tarifsysteme. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. und 8. 10. Existieren Daten darüber, welcher Personenkreis (zum Beispiel Geschlecht, Altersgruppe, Einheimische/Touristen, Berufstätige, Studenten , Senioren und so weiter) von dem StadtRAD-System besonders profitiert ? Wenn nein, wäre es nicht vor der Neuausschreibung sinnvoll gewesen, über Erkenntnisse zum Nutzerkreis des StadtRADes zu verfügen, schließlich wird diese Gruppe mit erheblichen Steuermitteln subventioniert ? Siehe Drs. 21/5383. 11. Gibt es aktuelle Daten, wie oft der einzelne Kunde Ausleihen vornimmt? Wenn ja, bitte tabellarisch aufbereiten nach Anzahl der Ausleihen je Kunde. Die aktuell vorliegenden Daten stammen aus dem Juni 2017. In diesem Monat haben 60.241 Kundinnen und Kunden mindestens eine Fahrt mit dem StadtRAD unternommen . Die Daten liegen in aggregierter Form vor und sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Häufigkeit der StadtRAD-Nutzung Anzahl der Kundinnen und Kunden > 1 x pro Tag 35.790 ≥ 3 x pro Woche 24.759 < 5 x pro Monat 39.382 12. Wie hoch wird der Betrag, der jährlich für Reparaturen, Instandsetzung, Vandalismus und Verluste (Diebstahl) aufzubringen ist, sein? Bitte getrennt nach Fahrrädern und stationären Einrichtungen angeben. Siehe Vorbemerkung. 13. Welche Laufzeit wird der neue StadtRAD-Vertrag haben? Angaben zur Vertragslaufzeit können dem mit der EU-Bekanntmachung veröffentlichten Entwurf der Leistungsbeschreibung entnommen werden. 14. Wie verfährt der Senat mit Leihradanbietern (zum Beispiel bei der Ausschreibung unterlegene Anbieter), die ihre Leistungen neben dem StadtRAD-System anbieten möchten? Ist dies generell zulässig oder soll das künftig gegebenenfalls unterbunden werden? 15. Wie ist die kostenlose Nutzung des öffentlichen Raumes durch abgestellte Leihfahrräder derartiger Anbieter aus der Sicht des Senats zu bewerten? Fahrradleihstationen auf öffentlichen Wegen stellen genehmigungspflichtige Sondernutzungen nach § 19 Absatz 1 HWG dar. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird aufgrund von § 19 Absatz 5 HWG anderen Anbieterinnen und Anbietern keine Sondernutzungsgenehmigungen für etwaige Leihstationsflächen erteilen, sondern wie bisher nur mit dem aufgrund der Ausschreibung ausgewählten Bieter einen Vertrag zum Betrieb eines stationsgebundenen Systems schließen. Im Übrigen nimmt der Senat zu hypothetischen Fragen grundsätzlich nicht Stellung.