BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10720 21. Wahlperiode 27.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 19.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Salafismus an Schulen – Wie ist die Lage in Hamburg? Längst ist bekannt, dass die in Deutschland geführte Islam-Debatte auch Schulen betrifft. Im Jahr 2011 wurde etwa ein Fall publik, bei dem ein muslimischer Schüler an einem Gymnasium in Berlin-Wedding vor Gericht das Recht auf Verrichtung des Mittagsgebets erstreiten wollte und dabei auch einen eigenen Raum von der Schulleitung verlangte.1 Obwohl der junge Mann damals in dritter Instanz scheiterte, haben mittlerweile auch andere Schulen mit ähnlichen Fällen zu tun. In Hamburg war es bereits im Frühjahr 2014 vermehrt dazu gekommen, dass Schüler, die unter dem Einfluss von Salafisten standen, innerhalb kurzer Zeit zu frommen Muslimen geworden waren. Diese Entwicklung war Lehrkräften und Schulleitung aufgefallen, weil die Betroffenen ihre Mitschüler zur Einhaltung islamischer Gebote drängten sowie von Lehrern Gebetsräume forderten.2 Aktuellen Medienberichten zufolge handelt es sich bei der Hyperreligiosität muslimischer Schüler um ein Phänomen, das seit geraumer Zeit vermehrt auch an Grundschulen beobachtet wird und darüber hinaus ausschließlich salafistisch konnotiert ist.3 Dabei ist es grundsätzlich so, dass die Kinder in einem salafistischen Umfeld sozialisiert worden sind. Folglich sind die Eltern also entweder selber Salafisten oder begegnen der salafistischen Ideologie zumindest mit Akzeptanz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Fälle sind dem Senat zum 1. Oktober 2017 bekannt, bei denen Schülern Gebetsräume zur Verfügung gestellt wurden? Bitte einzeln anhand des Standorts sowie – falls möglich – der religiösen Konfession aufschlüsseln. 2. Wie viele Fälle sind dem Senat zum 1. Oktober 2017 bekannt, bei denen die Anfrage von Schülern nach Gebetsräumen zurückgewiesen wurde? Bitte einzeln anhand des Standorts sowie – falls möglich – der religiösen Konfession aufschlüsseln. 3. Seit wann werden entsprechende Fälle systematisch dokumentiert? Falls dies nicht passiert, bitte den Grund erläutern. Der in den Drs. 21/5043 und Drs. 21/8117 geschilderte Sachstand gilt unverändert. 1 Confer Urteil zu Gebetsraum an Schule. Ein Ventil für religiöse Bedürfnisse. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ online. 9.12.2011. 2 Confer Schulen in Hamburg. Junge Islamisten setzen Schüler und Lehrer unter Druck. „Hamburger Abendblatt“ online. 1.3.2014. 3 „Kinder des Salafismus“. Experten beobachten Radikalisierung bei Grundschülern. „Die Welt“ online vom 3. Oktober 2017. Drucksache 21/10720 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Wie viele Schulen gibt es zum Beginn des Schuljahres 2017/2018 gegenwärtig in Hamburg, deren Schülerschaft mindestens zur Hälfte einen Migrationshintergrund aufweist? Bitte einzeln anhand des jeweiligen Standortes aufschlüsseln sowie die Größe von Lehrer- und Schülerschaft nennen. Die angefragten Daten für das Schuljahr 2017/2018 liegen noch nicht vor. Sie stehen nach Validierung und Qualitätssicherung zur Verfügung und werden nach derzeitigem Planungsstand im Februar 2018 veröffentlicht. Zu den Daten für das Schuljahr 2016/2017 siehe Drs. 21/8117. 5. Wie viele Fälle sind dem Senat bis zum 1. Oktober 2017 zur Kenntnis geraten, in denen muslimische Schüler durch ein übersteigert religiöses Verhalten aufgefallen sind? Bei der Beantwortung bitte auch Grundschulen berücksichtigen. 6. Wie haben die Schulen darauf im Einzelnen reagiert? 7. Sind dem Senat Schulen bekannt, an denen Schüler in der Vergangenheit besonders häufig durch islamische Hyperreligiosität aufgefallen sind? Falls ja, welche? Die Termini „übersteigert religiöses Verhalten“ und „islamische Hyperreligiosität“ sind dem Senat nicht bekannt, ebenso wenig wie die angelegten Kriterien zur Einstufung von Schülerverhalten in diese Kategorien. Zu Beratungsanfragen von Schulen zu salafistischen Tendenzen in der Schülerschaft siehe Drs. 21/8162, zu Verdachtsfällen mit islamistischem oder religiös-extremistischem Hintergrund siehe Drs. 21/9440. 8. Wie wird sichergestellt, dass Lehrkräfte an Hamburger Schulen eine etwaige Hinwendung ihrer Schüler zum Salafismus rechtzeitig erkennen und entsprechend darauf reagieren? 9. Werden womöglich Weiterbildungen zum Thema Salafismus angeboten? Falls ja, an welchen Schulen und ist die Teilnahme verbindlich? Zu den Unterstützungsangeboten für die Schulen siehe Drs. 21/10592. Zu den angebotenen Fortbildungsveranstaltungen siehe Drs. 21/5039, Drs. 21/5331, Drs. 21/5711, Drs. 21/8162 und Drs. 21/10592. 10. Werden die 2016 vom Landesamt für Verfassungsschutz herausgegebene Aufklärungsbroschüre zum Salafismus beziehungsweise andere Informationsmaterialien an Schulen an die Lehrerschaft ausgegeben? Falls ja, an welchen? Falls nein, warum nicht? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg hat im Jahr 2016 die Broschüre „Kompaktinformation Salafismus“ herausgegeben. Die Publikation wurde nach Veröffentlichung an Behörden – unter anderem auch an die Behörde für Schule und Berufsbildung –, Institutionen, Organisationen, Vereine und Einzelpersonen versandt und wird laufend auf Nachfrage verschickt. Weiterhin haben diverse Medien über die Broschüre berichtet, diese der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und beworben. Zusätzlich kann die Publikation auf der Internetseite des LfV Hamburg unter http://www.hamburg.de/contentblob/4855940/c517884bca441df79083352f8e9fd5b2/ data/salafismus-kompaktinformation-handreichung-verfassungsschutz.pdf frei zugänglich abgerufen und heruntergeladen werden. Aufgrund der Vielzahl der Zugangsmöglichkeiten zu der Broschüre erfolgte keine statistische Erfassung darüber, an wen die Broschüre im Einzelnen versandt wurde oder wer die Broschüre im Internet abgerufen hat. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10720 3 Für die Zielgruppe der Lehrkräfte liegen darüber hinaus spezifische Materialien zur Information vor. Die Unterstützungsleistungen und Angebote (Beratungen, Fortbildungen , Prävention, Intervention) der für Bildung zuständigen Behörde und des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) werden den Schulen über Schulleiterdienstbesprechungen , Versendungen von Flyern und Informationsmaterialien zu den Angeboten und über das LI-Programm bekannt gegeben. 11. An wie vielen Schulen gibt es gegenwärtig Sozialarbeiter, Pädagogen, Psychologen oder anderes Personal, dessen Aufgabe darin besteht, das Abdriften von Schülern in den Salafismus zu verhindern? Die Prävention jeder Form der Radikalisierung ist allgemeine Aufgabe der Schule und des gesamten pädagogischen Personals, dies leitet sich aus § 2 des Hamburger Schulgesetzes ab. Die Schulen entwickeln eigene intern abgestimmte Verfahren zum Umgang mit Fragen von Radikalisierung und andere, so können zum Beispiel die Beratungsdienste in solche Fragen miteinbezogen werden. Im Übrigen siehe Antworten zu 5. bis 9. sowie 13. 12. Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen ganze Schülerfamilien als strengreligiös beziehungsweise salafistisch galten? Der für Bildung zuständigen Behörde sind zwei Familien bekannt, darüber hinaus siehe Drs. 21/8162. 13. Wie können Schulen in solchen Fällen reagieren? Sind Elterngespräche vorgesehen oder wird auch die Schulbehörde benachrichtigt? Siehe Dr. 21/8162, Drs. 21/9440, Drs. 21/10107, Drs. 21/10481 und Drs. 21/10592. Schulen sowie Eltern von Schülerinnen und Schülern können sich an die Beratungsstelle Legato – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung – wenden. Legato berät insbesondere Angehörige sowie Fachkräfte und weitere Schlüsselpersonen, wenn eine Radikalisierung Einzelner im Raum steht. Elterngespräche über die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler sind regelhaft Teil der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Schule und Sorgeberechtigten. Eine Meldepflicht über salafistisch orientierte Familien besteht nicht.