BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10742 21. Wahlperiode 30.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 23.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Bauen an Magistralen Aktuell beschäftigen sich Bürgerschaft, Medien und Interessenverbände mit der Idee der rot-grünen Koalition, „die Magistralen“ in Hamburg flächendeckend mit fünfgeschossigem Wohnungsbau zu flankieren. Eine erste überschlägige Rechnung im Bezirk Altona hätte ein rechnerisches Bauvolumen von circa 20.000 Wohneinheiten ergeben (siehe Drs. 21/10507). Auf eine Anfrage der AfD-Fraktion nach der entsprechenden Untersuchung beim Bezirksamt Altona erfolgte leider keine Antwort. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Neben einer Reihe anderer Wohnbauflächenpotenziale bilden auch Teile von Magistralen große Chancen für die Innenentwicklung und die Stadtgestaltung durch Neubau. Der seitens der damaligen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (jetzt Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen) veröffentlichte Fachbeitrag „Mehr Stadt in der Stadt“ vom November 2013 identifiziert Typen von Stadtquartieren mit Potenzialen für den Wohnungsbau, darunter auch die Magistralen. Zur Bedeutung der Magistralen für den Wohnungsbau heißt es dort: „Die Magistralen rücken bei der Frage nach einer Verdichtung des Städtischen aus funktionalen und stadtgestalterischen Gründen in den Fokus. In dem Maße, wie sie eine Visitenkarte für Hamburg abgeben, ist es gestalterisches Ziel, diese Stadträume attraktiver und einheitlicher zu gestalten, insbesondere in ihren zentralen Abschnitten. Entlang der Trassen finden sich – hervorragend erschlossen – enorme Flächenpotenziale , die sich unter bestimmten Voraussetzungen auch für Wohnungsbau eignen, gerade weil der urbane Raum entlang der Magistralen mit seinen Standortqualitäten einer Stadtstraße auch spezielle großstädtische Angebote zum Wohnen eröffnen kann, wie die Wohntürme an der Mundsburg oder die geplanten Hochhäuser am Wandsbeker Tor zeigen. Der Gewinn ist hier ein doppelter. Denn durch eine höhere und geschlossene Bebauung werden die dahinter liegenden Lagen vor Lärm geschützt und entfalten so weiteres Potenzial für Wohnungsbau. Zudem eröffnen Umstrukturierungen und Neubauten die Chance, unregelmäßige und lückenhaft bebaute Straßenräume städtebaulich zu fassen. Maßgeblich für eine stärkere Wohnnutzung an den verkehrsbelasteten Straßenräumen , die gleichzeitig gute Gewerbeadressen darstellen, werden dabei hybrid genutzte Gebäudetypologien sein, die Kombinationen von Wohnen und Arbeiten bzw. Wohnen und Gewerbe ermöglichen.“ Beispielhaft benannt ist in dem Fachbeitrag eine Reihe von Straßen. Dabei handelt es sich nicht um eine abschließende Auflistung. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/10742 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Hat das Bezirksamt Altona eine derartige Berechnung durchgeführt, nach der es ein Potenzial von 20.000 Wohneinheiten an den Hauptverkehrsstraßen in Altona gibt? Falls ja, bitte der Antwort beifügen oder den Ort der Veröffentlichung angeben. Falls nein, verfügt der Senat über Erkenntnisse, die die angeführte Zahl der Wohneinheiten belegen? Ja, das Bezirksamt Altona hat eine derartige Berechnung durchgeführt. Der Berechnungsansatz unterstellt, dass die planungsrechtlich zulässige Zahl der Vollgeschosse in einem Untersuchungsraum von circa 200 bis 400 Meter entlang der unter Antwort zu 2. genannten Straßenabschnitte auf eine Fünfgeschossigkeit erhöht wird und setzt die Bebauungsdichte eines allgemeinen Wohngebiets (WA) an. Von der Berechnung ausgenommen sind Gewerbegebiete, großflächige Grünflächen, Schulstandorte, Kleingartenflächen, Einkaufszentren, Regenrückhaltebecken, Denkmalschutz- und Erhaltungsbereiche sowie Flächen im Geltungsbereich von Senatsplänen oder Flächen im Bundeseigentum, da das Verdichtungspotenzial hier als sehr gering einzustufen ist oder sich eine Erhöhung der Geschossigkeit rechtlich nur äußerst schwer realisieren lässt. Die Ergebnisse wurden am 04. Mai 2016 im nichtöffentlichen Teil des Planungsausschusses der Bezirksversammlung Altona vorgestellt. 2. Welche Hauptverkehrsstraßen in welchen Abschnitten lagen der Ermittlung zugrunde? Folgende Hauptverkehrsstraßen lagen in folgenden Abschnitten der Ermittlung zugrunde: Luruper Hauptstraße – Luruper Chaussee im Abschnitt Stadtgrenze zu Schenefeld – Bundesautobahn 7 Osdorfer Weg – Osdorfer Landstraße im Abschnitt BAB 7 – Rugenfeld/Isfeldstraße Osdorfer Landstraße – Sülldorfer Landstraße im Abschnitt Rugenfeld/Isfeldstraße – Sieversstücken/Wüstland 3. Falls es seitens der hamburgischen Behörden noch gar keine Ermittlung dazu gibt: Welche Hauptverkehrsstraßen wären aus der Sicht des Senats für eine derartige Verdichtung der Bebauung geeignet? Prinzipiell sind alle Hauptverkehrsstraßen/Magistralen, an denen es eine lückenhafte, unterdimensionierte Bebauung gibt, für eine Verdichtung geeignet, da sie in der Regel über eine gute verkehrliche und infrastrukturelle Anbindung sowie Versorgungsangebote verfügen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Über welche Erkenntnisse verfügt der Senat zu der Problematik Wohnen an Hauptverkehrsstraßen hinsichtlich der Bereiche Lärmimmissionen, Luftqualität, Belichtungsverhältnisse, eine beiderseitige fünfgeschossige Bebauung unterstellt, und Sicherheit für die Anwohner, insbesondere der Kinder? Aufgrund vorhandener Untersuchungen bei bereits durchgeführten Bebauungsplanverfahren an vergleichbaren Standorten ist bekannt, dass an den Hauptverkehrsstraßen deutlich erhöhte Belastungen durch Lärm und Luftschadstoffe auftreten. Im Bebauungsplanverfahren ist sicherzustellen, dass sich diese Belastungen nicht erhöhen und durch geeignete Maßnahmen gesunde Wohnverhältnisse sichergestellt werden . Die Belichtungssituation wird sich im Bestand und in der Planung örtlich stark unterscheiden. Hier werden im Bebauungsplanverfahren bedarfsgerecht entsprechende Verschattungsstudien durchgeführt. Zur Sicherheit der Anwohner siehe Antwort zu 8. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 5. Inwiefern sieht es der Senat angesichts der vorstehend geschilderten Randbedingungen als realistisch an, durch die fünfgeschossige Flankierung der Hauptverkehrsstraßen Raum für den Neubau von 100.000 Wohnungen zu schaffen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10742 3 6. Wie werden seitens des Senats die Auswirkungen auf das über Jahrhunderte langsam gewachsene Stadtbild eingeschätzt? Städte befinden sich in einer fortwährenden Entwicklung. Gerade auch dieser Wandel trägt zu ihrer Urbanität bei. Entlang der Magistralen findet sich vielfach eine unregelmäßige und lückenhafte Bebauung, die diese hochfrequentierten Räume nicht angemessen fassen. Umstrukturierungen und Neubauten eröffnen die Chance, städtebauliche Mängel im Sinne einer „Stadtreparatur“ zu beheben. Ob Ergänzungen des Stadtbildes verträglich sind, hängt von dem städtebaulichen Umfeld ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Werden nach Auffassung des Senats durch den Ausbau der Elektromobilität und des zunehmenden Anteils des Fahrradverkehrs so erhebliche Verbesserungen der Situation an den Hauptverkehrsstraßen eintreten, dass dort gesundheitlich unbedenkliches Wohnen auch bei geöffneten Fenstern und Balkonen oder Terrassen möglich wird? Der Ausbau der Elektromobilität und des Fahrradverkehrs führt zu Entlastungen bei der Lärmsituation, die sich allerdings pauschal nicht beziffern lassen. In jedem Fall ist im Rahmen der Bebauungsplanverfahren sicherzustellen, dass gesunde Wohnverhältnisse bestehen. Durch geeignete Gebäudestellungen, technische Schallschutzmaßnahmen und entsprechende Grundrisse kann zum Beispiel auf den lärmabgewandten Gebäudeseiten eine Nutzung der Wohnung auch bei geöffneten Fenstern und der Außenwohnbereiche ermöglicht werden. 8. Wie soll die Notwendigkeit des leichtgängig fließenden Verkehrs auf den Hauptverkehrsstraßen einerseits und die Verkehrssicherheit für die Anwohner andererseits miteinander in Einklang gebracht werden? Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit ist oberstes Gebot in jedem aus Anlass von Erweiterung/Erneuerung/Um- oder Ausbau des Straßenraums oder von Hochbauten erfolgenden Planungs- und Beteiligungsprozess. Bauvorschriften und daraus abgeleitete Fachanweisungen sind hierauf ausgerichtet und berücksichtigen insofern auch die Belange der flüssigen und sicheren Verkehrsabwicklung. Bei Vorlage prüfungsfähiger Unterlagen wird jedes Bauvorhaben von den Straßenverkehrsbehörden dahin gehend geprüft. 9. Wie steht der Senat zu dem Vorschlag des Mietervereins, an den Hauptverkehrsstraßen an Stelle von Wohnungen lieber Bürohäuser mit Kleingewerbe im Erdgeschoss als Lärmriegel zu bauen? Die Standorte eignen sich aus städtebaulicher Sicht prinzipiell für eine gemischte Nutzung . Die Entscheidung über die geeignete Nutzung beziehungsweise Nutzungsmischung muss jedoch abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen getroffen werden. Im Übrigen siehe Antworten zu 4. und 7.