BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10759 21. Wahlperiode 30.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 24.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Ein Schülerleben im Container – Notwendige Nachfragen Viele Schülerinnen und Schüler werden auch in den kommenden Jahren in Containern ihr Schulleben verbringen – das ist das grundsätzliche Ergebnis aus meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/10480. Die Aufstellung von „mobilen Klassenräumen“ ist in der Regel durch geplante Baumaßnahmen oder zur Abdeckung temporärer schulorganisatorischer Bedarfe bedingt. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Allerdings lassen die Antworten des Senats befürchten, dass sich der Spruch bewahrheitet: Nichts hält länger als ein Provisorium! Als Gründe für die fortlaufende Benutzung von Containern werden vom Senat angegeben: Weitere Baumaßnahmen vorgesehen, Mehrbedarf durch das Versuchsprojekt „sechsjährige Grundschule“, zusätzliche Klassenzüge. Tatsache ist: Hamburgs Schülerzahlen wachsen, die Nachmittagsbetreuung wurde weiter ausgebaut und wird weiter ausgebaut werden müssen. Die Bertelsmann Stiftung weist in ihrer jüngsten Studie zum Ganztagsschulausbau darauf hin, dass eine Verdoppelung des Ganztagsangebots bis 2025 machbar ist, wenn Bund, Länder und Kommunen bereit dazu sind, in die erforderliche räumliche Infrastruktur zu investieren. Wir haben außerdem längere Schulbesuchszeiten durch Vorschulklassen und größere Oberstufen, wir stehen vor zusätzlichen Herausforderungen bezüglich Inklusion und Integration und wir müssen weiterhin das Ziel kleinerer Klassen verfolgen. Die Schulbaumaßnahmen und Planungen kommen nicht hinterher. Es kommen sogar noch Planungsfehler und Verzögerungen hinzu, die die Problematik zudem verschärfen. Nur rund die Hälfte der heute bestehenden provisorischen Klassenräume ist mit Schulbaumaßnahmen hinterlegt . Vor diesem Hintergrund muss der Schulentwicklungsplan dringend überarbeitet werden. Sorge bereitet auch die Schulbau-Finanzierung. Hier speziell die Tatsache, dass sich der Senat bezüglich des Kreditrahmens des Sondervermögens Schulimmobilien offenbar um fast 34. Millionen Euro verrechnet hat. Da spätestens ab 2020 mit Inkrafttreten der Schuldenbremse keine weiteren Schulden gemacht werden dürfen, brauchen wir jetzt zügig Klarheit über Bedarfe und Finanzierungsmöglichkeiten für das Schulprogramm. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Hamburg verzeichnet als attraktive Metropole mit vielfältigen Bildungsangeboten bereits seit Jahren einen kontinuierlichen Bevölkerungszuwachs und damit einherge- Drucksache 21/10759 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 hend steigende Schülerzahlen. Dieses hat der Senat seit 2011 konsequent und kontinuierlich in den unterschiedlichen Handlungsfeldern berücksichtigt. Unter anderem wurde ein massives Investitionsprogramm für die Sanierung und den Neubau von Schulen beschlossen. Im Vergleich zur ersten Dekade seit dem Jahr 2000 hat der Senat die Investitionen in den Schulbau verdoppelt. Im Zuge des Schulausbauprogramms werden seit 2011 in bisher nicht gekanntem Maße Schulen saniert und erheblich ausgebaut. Erstmals seit langer Zeit wurden sogar komplett neue Schulen gebaut. Der von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Haushaltsplan 2017/ 2018 sowie die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2019/2020 sehen allein für diese vier Jahre für den Wirtschaftsplan des Sondervermögens Schulimmobilien und den damit korrespondierenden Wirtschaftsplänen von SBH | Schulbau Hamburg (SBH) und GMH | Gebäudemanagement Hamburg (GMH) Mittel in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für den Neubau und die Sanierung von Schulen vor. Im Zuge dieses Schulausbauprogramms finden an zahlreichen Schulen Bauarbeiten statt. Um die Störungen des Unterrichts zu verringern, werden die betroffenen Schulklassen während dieser Zeit in mobilen Klassenräumen unterrichtet. Die Aufstellung von mobilen Klassenräumen ist in der Regel durch geplante Baumaßnahmen oder zur Abdeckung temporärer schulorganisatorischer Bedarfe bedingt. Mobile Klassenräume werden regelhaft befristet aufgestellt und sind nicht dauerhaft vorgesehen. Sofern an Standorten dauerhaft mehr Schüler zu erwarten sind, wird dies regelhaft im Rahmen der Fortschreibung des Schulentwicklungsplans berücksichtigt. In einigen Fällen verbleiben mobile Klassen, die übergangsweise im Rahmen eines pädagogischen Mehrbedarfs genutzt wurden, als Auslagerungsmöglichkeit für spätere Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen vorübergehend am Standort erhalten. Auch beinhalten die in Drs. 21/10125 erfassten voraussichtlichen Standzeiten in einigen Fällen über die reine Nutzung hinausgehende Zeiten für Abbau und Verlagerung. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Durch das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz des Bundes gibt es für Hamburg zwei Finanzhilfen, um in Schulgebäude zu investieren. a) In welcher Höhe, an welcher Stelle und für welche Maßnahmen werden Gelder aus den Finanzhilfen zur Stärkung der Investitionstätigkeit finanzschwacher Kommunen für die energetische Sanierung von Schulen investiert (bitte einzeln auflisten)? Eine konkrete Zuordnung der einzelnen Maßnahmen ist noch nicht abschließend erfolgt. b) In welcher Höhe, an welcher Stelle und für welche Maßnahmen werden Gelder aus den Finanzhilfen zur Verbesserung der Schulinfrastruktur finanzschwacher Kommunen für Schulsanierungen und -neubau eingesetzt (bitte einzeln auflisten)? c) In welcher Höhe, an welcher Stelle und für welche Maßnahmen werden die unter a) und b) genannten Investitionen für Schulen in freier Trägerschaft aufgewendet? Die Zuteilung steht noch nicht fest. 2. Insbesondere Grundschulkinder brauchen für ihre Entwicklung in der Schule ausreichend Fläche, durch die Inklusion wird der Raumbedarf noch einmal erhöht. Der Stadtstaat Bremen hat Richtwerte bezüglich des Flächenansatzes für Schüler festgelegt und diese aufgrund neuer Herausforderungen auch erhöht. a) Welchen Stellenwert misst der Senat diesen Raumzuschreibungen pro Schüler zu? b) Wie hoch ist der Flächenansatz pro Schüler in Hamburg (bitte nach Schulform und gegebenenfalls Ganztagsbetreuung differenzieren)? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10759 3 c) Wird in den provisorischen Schulcontainern der Flächenansatz je Schüler eingehalten und ist dieser vergleichbar mit festen Schulgebäuden ? Wenn ja, wie groß sind die Räume in den provisorischen Containern ? Wenn nein, mit welcher Begründung nicht? d) Gibt es aufgrund der zunehmenden Anforderungen Überlegungen, die Raumzuschreibungen zu korrigieren? e) Inwiefern wird sich beim Aufstellen der Container am Musterflächenplan für inklusive allgemeinbildende Schulen mit Ganztagsangeboten orientiert? Das Musterflächenprogramm (MFP) ist in Hamburg explizit für inklusive allgemeinbildende Schulen mit Ganztagsangeboten entwickelt worden. Somit werden bei allen Neu-, Zu- und Ersatzbauten die Flächen so berechnet, dass diese Aspekte mit berücksichtigt werden. Die Flächenansätze pro Schüler orientieren sich vorrangig an der Schulform, berücksichtigen aber auch die Größe der jeweiligen Schule. Im Musterflächenprogramm sind diese benannt: Grundschule (mindestens zweizügig) 11,8 m² bis 13,2 m², Stadtteilschule (mindestens dreizügig) 11,8 m² bis 12, 5 m², Gymnasien (mindestens dreizügig) 10,4 m² bis 10,9 m². Die mobilen Klassenräume sind so konstruiert, dass sie von Größe und Nutzbarkeit den Klassenräumen in Festbauten entsprechen. Von daher gibt es bei der Gesamtbetrachtung eines Schulstandortes grundsätzlich keine Unterschiede bei der Bedarfsberechnung nach MFP im Vergleich zu Klassenräumen in Festbauten. 3. Das Versuchsprojekt „sechsjährige Grundschule“ läuft im Jahr 2021 aus. Wie schätzt der Senat im Anschluss dieses Projektes den gestiegenen Raumbedarf an weiterführenden Schulen ein und welche Lösungsansätze erarbeitet er? Der Schulversuch „Sechsjährige Grundschule“ wird an vier Grundschulen durchgeführt und betrifft für die derzeitigen fünften Klassen insgesamt 171 Schülerinnen und Schüler, was 1,2 Prozent der Übergänge an weiterführende Schulen ausmacht. Im Umfeld dieser vier Grundschulen befindet sich eine Vielzahl weiterführender Schulen, die bereits jetzt diese Kinder ab der siebten Klasse beschulen. Da bei Bedarfsplanungen für die Sekundarstufe I regelhaft mit gleichbleibenden durchgehenden Zügigkeiten gerechnet wird, wird dieser Zusatzbedarf in den langfristigen Betrachtungen genauso berücksichtigt wie zusätzlicher Wohnungsbau. 4. Inwieweit trägt der Senat hinsichtlich von Inklusion, Integration, Ganztagsbetreuung , längeren Schulbesuchszeiten und dem Ziel der kleineren Klassen dem gestiegenen Bedarf an Räumen an den Schulbau Rechnung , insbesondere mit Blick auf a) den zusätzlichen Flächenbedarf der einzelnen Schüler? b) die Planung von neuen und/oder größeren Schulgebäuden? Mit der Aktualisierung des Musterflächenprogramms 2016 wurden die geänderten Anforderungen noch einmal besonders betont. Alle Planungen basieren auf den abgesenkten Schülerzahlen pro Klasse („kleine Klassen“) und den besonderen Gestaltungsnotwendigkeiten, die sowohl Inklusionsaspekte, aber auch die Notwendigkeiten , die sich aus den Ganztagsangeboten ergeben, berücksichtigen. Hierbei stehen neben den Flächen für Küchen und Kantinen die Themen Ruhe, Spiel und Bewegung im Vordergrund.