BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10764 21. Wahlperiode 30.10.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 25.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg Am 18. Oktober 2017 hat die Universität Hamburg als erste Hochschule in Deutschland einen Verhaltenskodex zur Religionsausübung herausgegeben. Begründet wird diese Maßnahme mit dem Ziel, „das respektvolle und friedliche Miteinander aller Universitätsangehörigen bei der Ausübung verschiedener Glaubensüberzeugungen zu regeln und damit gleichermaßen die Verpflichtung zu wissenschaftlicher Forschung und Lehre zu gewährleisten.“1 In Hinblick auf die Beweggründe, die zur Ausarbeitung des Verhaltenskodex geführt haben, ist von „vereinzelten Vorkommnissen“ die Rede, die „eine Reihe von Fragen zum Umgang mit dem Religiösen in Studium, Lehre und Forschung und im alltäglichen Miteinander an der Hochschule aufgeworfen haben.“2 Diese Formulierungen erwecken den Anschein, als liege der Ausarbeitung des Verhaltenskodex das Streben der Universität zugrunde, die Religionsfreiheit auf dem Campus zu wahren. Für diese Sichtweise spricht denn auch die folgende Erklärung: „Der Verhaltenskodex zur Religionsausübung schreibt fest, dass das vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährte Recht auf Religionsfreiheit für die Angehörigen der Universität Hamburg in keiner Weise eingeschränkt ist. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit der Religionsausübung, etwa bei der Verwendung religiöser Symbole wie dem Kreuz, dem Davidstern oder Kopfbedeckungen. In ihrem Kodex fordert die Universität Hamburg ihre Mitglieder dazu auf, die Religionsfreiheit aller Mitglieder und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu respektieren .“3 Dass es in Wahrheit jedoch vielmehr darum geht, religiös motivierten Konflikten vorzubeugen, die sich aus dem Verhalten von Muslimen gegenüber Glaubensgenossen und Andersgläubigen ergeben, wird erst ersichtlich, wenn man das Dokument zu Ende liest. Dabei zeigt sich, dass es in der Vergangenheit offenbar akute Probleme im universitären Alltag gegeben hat, wenn es darum ging, inwieweit die im Grundgesetz festgeschriebene Religionsfreiheit das Verhalten einzelner Studenten abdeckt, die die Rücksichtnahme auf ihre religiösen Verpflichtungen von anderen für sich einfordern. In diesem Zusammenhang heißt es: „Die Ablehnung wissenschaftlicher Inhalte, Methoden und Personen aus rein religiösen bzw. konfessionellen Gründen genügt diesen Anforderungen nicht und ist im Zweifelsfalle als eine Form religiös motivierter Diskriminierung anzusehen.“4 Ferner ist zu lesen: „Die 1 Confer Pressemitteilung der Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Hamburg vom 18. Oktober 2017. 2 Confer ibidem. 3 Confer ibidem. 4 Punkt 1 Verhaltenscodes zur Religionsausübung an der Universität Hamburg. Drucksache 21/10764 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Religionsfreiheit der Universitätsangehörigen, d.i. der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, der Studierenden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gewährleistet. Diese umfasst nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu haben und diesen auszuüben, sondern auch die Freiheit, keinen Glauben zu haben.“5 Als entlarvend erweist sich schließlich auch der folgende Grundsatz : „Die Ausübung religiöser Freiheit in der Universität setzt die Anerkennung Anderer und den Respekt vor deren Glauben oder Unglauben und deren Überzeugungen voraus. Die Religionsfreiheit der Einen kann nicht weiter reichen als die Religionsfreiheit der Anderen. Dies schließt die Freiheit, nicht zu glauben, ebenso ein wie die Freiheit, kein glaubensgemäßes Leben zu führen und keine religiösen Symbole zu verwenden sowie keine Bekleidungen zu tragen, die religiös motiviert sind. Ein religiös motivierter Druck zu einem „richtigen“ Verhalten widerspricht der Religionsfreiheit. Die gleiche Freiheit aller Universitätsangehörigen ist ebenso zu respektieren, wie jede Form der Diskriminierung zu unterlassen ist.“6 Dass der Verhaltenskodex in Wahrheit die Reaktion auf das Verhalten muslimischer Studenten darstellt, geht indes eindeutig aus den Ausführungsbestimmungen hervor, die dessen inhaltlichen Punkten nachgestellt sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg (UHH) wie folgt: 1. Welche Vorkommnisse aus der Vergangenheit haben zu Punkt 1. der Ausführungsbestimmungen Anlass gegeben, in welchem davon die Rede ist, dass Diskriminierungen im Raum der Stille nicht geduldet würden ? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte ausführlich darlegen. Nach Angaben der UHH werden solche Fälle nicht dokumentiert. Dazu gehört auch die Anbringung eines Vorhangs im Raum der Stille, der inzwischen entfernt worden ist. 2. In wie vielen Fällen haben in der Vergangenheit religiöse Feste auf dem Gelände der Universität Hamburg stattgefunden, die sich nicht auf den Raum der Stille beschränkten? Bitte jeweils Datum, religiöses Fest, Anzahl der Beteiligten sowie weitere relevante Einzelheiten nennen. Nach Angaben der UHH wird die Durchführung religiöser Feste auf dem Gelände der UHH einschließlich der Mensen nicht dokumentiert, soweit es sich um nicht angemeldete Veranstaltungen handelt. Bekannt geworden sind der Hochschulleitung folgende Feste, die auf dem Gelände der Universität stattgefunden haben: Datum Veranstalter Veranstaltung Weitere Informationen, soweit vorhanden 09.11.2007 Campus für Christus Gottesdienst 01.02.2008 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 15.04.2008 Christen an der Uni Gottesdienst 11.06.2008 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 21.10.2008 Campus für Christus Gottesdienst 01.07.2009 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 12.09.2009 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 02.10.2009 Christen an der Uni Gottesdienst 07.10.2009 Christen an der Uni Gottesdienst 26.11.2009 Christen an der Uni Gottesdienst 18.01.2010 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 5 Ibidem Punkt 2. 6 Punkt 3. Verhaltenscodes zur Religionsausübung an der Universität Hamburg. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10764 3 Datum Veranstalter Veranstaltung Weitere Informationen, soweit vorhanden 01.03.2010 Christen an der Uni Gottesdienst 11.05.2010 Christen an der Uni Gottesdienst 14.06.2010 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 26.07.2010 Christen an der Uni Gottesdienst 10.12.2010 Evangelische Studierendengemeinde Gottesdienst 09.08.2011 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) 06.09.2011 Christen an der Uni Gottesdienst 12.09.2011 Christen an der Uni Worship Night 10.11.2011 Christen an der Uni Worship Night 25.01.2012 Christen an der Uni Worship Night 13.02.2012 Christen an der Uni Gottesdienst 18.04.2012 Studentenmission Deutschland Gottesdienst 18.04.2012 Studentenmission Deutschland Gottesdienst 20.04.2012 Christen an der Uni Gottesdienst 12.07.2012 Evangelische Studierendengemeinde Interreligiöses Semesterauftaktgebet 26.07.2012 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) 26.07.2012 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) 23.07.2013 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) 08.01.2014 Studentenmission Deutschland Gottesdienst 05.05.2014 Studentenmission Deutschland Gottesdienst 14.07.2014 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) VMP 03.07.2015 Islamische Hochschulgemeinde Iftar (muslimisches Fastenbrechen) VMP 13.01.2017 Asien-Afrika-Institut World-Hindi-Day Nicht berücksichtigt wurden die diversen Weihnachtsfeiern der Fachbereiche oder von Studierenden, bei denen zum Jahresende ein geselliges Beisammensein im Mittelpunkt steht. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind Veranstaltungen, die zwar einen religiösen Bezug haben, aber keine Religionsausübung darstellen (zum Beispiel Bibelseminare ). 3. In wie vielen Fällen ist es in der Vergangenheit zu einer eigenmächtigen Inanspruchnahme universitärer Einrichtungen und Ressourcen durch Einzelpersonen oder Gruppen zum Zwecke einer jeweils eigenen religiösen Ausdrucksform gekommen? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte ausführlich darlegen. Nach Angaben der UHH werden solche Fälle nicht dokumentiert. Die Durchführung von Gebeten und die Lagerung von Teppichen ohne Zustimmung der Hochschulleitung wurden aus der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gemeldet. 4. Inwieweit sind in der Vergangenheit rituelle Handlungen durch Gläubige an der Universität Hamburg erfolgt, die von anderen Nutzern als eine Form der aufgedrängten Auseinandersetzung mit der Religion anderer empfunden wurden? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte ausführlich darlegen. 5. In wie vielen Fällen ist es in der Vergangenheit dazu gekommen, dass das Tragen religiös motivierter Kleidung den selbstverständlichen Anforderungen an die wissenschaftliche Kommunikation zuwiderlief? Die Drucksache 21/10764 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen. 6. In wie vielen Fällen haben Studenten bislang die Forderung an die Universität Hamburg herangetragen, den Lehrveranstaltungsplan beziehungsweise andere Veranstaltungen der Universität an religiösen Geboten , etwa des Tagesablaufs, zu orientieren? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen. 7. In wie vielen Fällen sind Studenten beziehungsweise Angehörige der Universität in der Vergangenheit anwesenheitspflichtigen Lehrveranstaltung ferngeblieben, um staatlich nicht anerkannte religiöse Feiertage zu begehen? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen. 8. In wie vielen Fällen ist es in der Vergangenheit zu Versuchen durch Studenten beziehungsweise Universitätsangehörige gekommen, religiös motivierten Druck auf das Verhalten von Mitgliedern der Universität im Sinne des Tatbestands der Nötigung auszuüben? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen. 9. In wie vielen Fällen haben Studenten in der Vergangenheit gefordert, von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts nicht unterrichtet oder geprüft zu werden? Bei der Beantwortung bitte auch Fälle berücksichtigen , in denen die Annahme von Zeugnissen oder anderen Schriftstücken aus der Hand von Mitarbeitern eines bestimmten Geschlechts verweigert wurden sowie die zugrunde liegenden Fälle nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen. Sind Angehörige der Universität Hamburg solchen Wünschen nachgekommen ? Nach Angaben der UHH werden solche Fälle nicht dokumentiert. 10. In wie vielen Fällen haben sich Studenten oder Universitätsangehörige in der Vergangenheit aus religiösen Gründen über die Speisepläne von Mensen und Cafeterien beschwert und eine Anpassung an die Vorgaben der eigenen Religion gefordert? Die zugrunde liegenden Fälle bitte nach Religionszugehörigkeit gesondert auflisten und deren Sachverhalte darlegen . In der Hochschulgastronomie (Bereich Kundenfeedback/Beschwerdemanagement) ging seit 2010 lediglich eine schriftliche Kundenrückmeldung mit religiösem Hintergrund ein, die zum Gegenstand hatte, eine Aktionswoche zum muslimischen Opferfest durchzuführen. Mündliches Kundenfeedback wird nicht dokumentiert.